Eine Tonne KAS-Mineraldünger beinhaltet 135 kg Ammoniumstickstoff und 135 kg Nitratstickstoff. Diese Gewissheit ist neben anderen Faktoren eines der größten Pfunde von Mineraldünger. Denn genau zu wissen, was drin ist an Stickstoff, aber auch an Phosphor und Kalium, ist bei organischem Dünger ungleich schwieriger. Bei Gülle- und Gärresten variieren die Inhaltsstoffe teils erheblich – je nachdem aus welcher Tierhaltungsform oder Biogasanlage sie kommen, wie hoch der Trockenmassegehalt ist und wie homogen sie sind. Die aktuelle Fassung der Düngeverordnung schreibt darum vor der Ausbringung eine Analyse der Gülle vor. Einzige Alternative: das Heranziehen von Standardwerten, die die Landwirtschaftsministerien der Bundesländer herausgeben
Standardwerte und Labor: pauschal oder (zu) spät
Diese Tabellenwerte können der hohen Varianz der Nährstoffgehalte auch innerhalb einer Gülleart, unter Umständen sogar innerhalb eines Güllebehälters, allerdings kaum Rechnung tragen. Es sind Standardwerte, die im besten Fall nahe an der Realität auf dem jeweiligen Betrieb sind oder eben nicht. Verlässlichere und genauere Werte liefern Laboranalysen. Dazu werden mehrere Einzelproben entnommen, zu einer Mischprobe zusammengefügt und dann an ein akkreditiertes Labor geschickt. Verfahrensbedingt herrscht hier vor allem auf dem Weg vom Güllebehälter bis zum Labor eine gewisse Fehleranfälligkeit. Zudem liegen die Ergebnisse in der Regel erst Tage oder Wochen später vor.
NIRS-Sensoren: repräsentativ und direkt
Ein dritter möglicher Analyseweg ist die Verwendung eines Nahinfrarotspektroskopie- Sensors (NIRS-Sensors). Dieser wird im Rohrleitungssystem der Pumpstation oder des Güllefasses installiert. Dort bestrahlt er den vorbeifließenden organischen Dünger. Aus der Differenz zwischen eingestrahltem und reflektiertem Licht schließt das System dann auf die Inhaltsstoffe. Wichtig: Der Sensor misst nicht den tatsächlichen Gehalt an z. B. Stickstoff, sondern nähert sich dem über das in den Kalibrationsdaten hinterlegte Verhältnis von Lichtreflexion und Inhaltsstoffmenge an. Für die Kalibrationsdaten nutzen die Hersteller wiederum nasschemische Laboranalysen als Referenz. Die beschriebenen Messungen erfolgen in Echtzeit und am Ort des Geschehens. Da der NIRS-Sensor mehre Messwerte pro Sekunde abnimmt, ermöglicht er eine kontinuierliche Messung der gesamten Güllemenge im Fass. Das macht die Werte repräsentativ für die jeweils betrachtete Fuhre. Zudem stehen die Werte dem Anwender sofort zur Verfügung. Er kann sie direkt dazu nutzen, die ausgebrachte Güllemenge an den Nährstoffbedarf der zu düngenden Fläche bzw. Kultur anzupassen. Kombiniert mit Spurführung und Applikationskarten ist so eine nahezu punktgenaue Nährstoffausbringung möglich – ähnlich wie beim Mineraldünger.
NIRS-Sensoren müssen zertifiziert werden
Die Zertifizierung der Sensoren übernimmt in Deutschland die DLG. In ihrem DLG-kompakt „Nährstoffgehalte in Gülle online mit Sensoren bestimmen“ beschreibt sie die Technik als der Laboranalyse ebenbürtig – zumindest bezogen auf die gesamte Prüfkette von der Probenentnahme über den Transport zum Labor bis zu den endgültigen Analyseergebnissen. Zur Sensorprüfung schickt die DLG vereinfacht dargestellt mehrere Mischproben bestimmter Güllearten an mindestens fünf verschiedene Labore und vergleicht deren Ergebnisse mit denen des zu prüfenden Sensors. Liegt die Abweichung in einem vertretbaren Bereich, bekommt dieser das Siegel „DLG-anerkannt“. Das Siegel gilt allerdings ausschließlich für die geprüfte Düngerart (Rindergülle, Schweinegülle, Mischgülle oder Gärrest) und die jeweils geprüften Inhaltsstoffe (Trockenmasse, Gesamtstickstoff, Ammoniumstickstoff, Nitratstickstoff, Phosphor und/oder Kalium). Neben den Platzhirschen Zunhammer und John Deere haben mittlerweile auch BSA, Dinamica Generale (über AgXtend von CNH), Kaweco, Kotte, Topcon und Veenhuis NIRS-Sensoren von der DLG zertifizieren lassen. Die Funktionsumfänge weichen dabei allerdings teils deutlich voneinander ab. Vor der Kaufentscheidung gilt es dementsprechend genau hinzuschauen, welcher Sensor in welcher Düngerart welche Parameter messen kann.
Kosten gegenrechnen
Den praktischen Vorteilen der NIRS-Technologie stehen aktuell noch Investitionskosten in Höhe von mehreren Zehntausend Euro entgegen, die refinanziert werden müssen. Hierfür gibt es mehrere Ansätze, deren Betrachtung nur einzelbetrieblich erfolgen kann. Konkrete Mehrerträge auf den Sensoreinsatz zurückzuführen, erweist sich in den meisten Fällen als unpraktikabel, da hier zu viele andere Faktoren reinspielen, beispielsweise die Sortenwahl, die Temperaturen oder die Niederschläge in der Vegetationsperiode. Sofern durch den punktgenauen Einsatz des organischen Düngers auf eine gewisse Menge Mineraldünger verzichtet werden kann, lässt sich diese Einsparung aber sehr wohl monetär bewerten. Ebenfalls konkret berechenbar ist die Einsparung von Maschinenkosten, wenn die Gülle nur noch fließfähig gehalten wird anstatt komplett homogenisiert. Verwendet man darüber hinaus die dickere, nährstoffreichere Gülle für weiter entfernte Flächen, lassen sich in diesem Zuge unter Umständen Fahrten mit dem Fass oder Zubringer sparen. Weniger konkret berechnen lassen sich die Vorteile, die sich aus gleichmäßiger entwickelten und damit gleichmäßiger abreifenden Beständen für die Ernte ergeben. Hier helfen nur Erfahrungswerte. Ähnlich sieht es bei Umweltfaktoren wie der potenziellen Reduktion von Nitratauswaschungen aus.
Mangelnde Akzeptanz
Eine weitere Bremse für den flächendeckenden Einsatz von NIRS-Sensoren ist die teils mangelnde Akzeptanz seitens der Behörden: Die Anschaffung wird zwar derzeit bundesweit über das „Investitionsprogramm Landwirtschaft“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit 40 % gefördert. In Bayern kann die Anschaffung zudem alternativ über das „Bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft Digital“ (baySL digital) ebenfalls mit 40 % gefördert werden. Die Nährstoffgehalte, die der Sensor ermittelt, können derzeit aber nur in Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zur Dokumentation genutzt werden. Im Gegensatz zu ihren nördlichen Kollegen müssen die Landwirte in Baden-Württemberg und Bayern in der Düngebilanz weiterhin mit Standard- oder Laborwerten arbeiten. Hier sollten die entsprechenden Landesregierungen zeitnah nachziehen.