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Raus aus dem Krisenkarussell

ASP, miese Preise und unklare Perspektiven: Über vielen Betrieben ziehen dunkle Wolken auf. Corona kann Stimmung zusätzlich belasten. Muss es aber nicht, meinen zwei Beraterinnen.

Lesezeit: 6 Minuten

Wer Landwirte und ihre Familien in schwierigen Situationen berät, hatte in den vergangenen Jahren viel zu tun. Die Stellen für landwirtschaftliche Familienberatung berichten von einer hohen Resonanz.

Corona: Nur ein weiteres Problem

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„Die Nachfrage nach Familienberatungen ist auf einem kontinuierlich hohen Niveau“, erzählt Angelika Sigel vom Evangelischen Bauernwerk in Hohebuch. „Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 gab es zunächst einen kleinen Einbruch.“

Es war wie eine Schockstarre, fasst die Beraterin diese Zeit zusammen. Ab dem Tag, an dem die Schulen wieder geöffnet haben, verzeichnet das Evangelische Bauernwerk wieder eine hohe Nachfrage nach Familienberatung.

Auch Katharina Stanglmair vom „MontagsTelefon“, dem Sorgentelefon der Stiftung „Land und Leben“ vom Bayerischen Bauernverband, berichtet von einer „normal hohen“ Nachfrage – auch im Coronajahr. „Wir nehmen Corona als begleitendes Problem wahr, die tatsächlichen Krisen der Familien liegen in anderen Bereichen“, sagt sie.

Preisdruck wiegt schwerer

Vielmehr treiben die angespannten Preissituationen und die fehlende Planungssicherheit die Bauernfamilien um. „Die Preissituation wiegt seit einiger Zeit schwer“, sagt Angelika Sigel. „Darunter leiden nicht nur die Betriebe, sondern vor allem die Familien.“ Es gibt viele Familien, die in großer Verzweiflung anrufen und nicht wissen, was sie sagen sollen.

Wut und Zorn kommen eher selten vor. „Darüber sind viele Familien schon hinaus. Vielmehr macht sich Resignation breit“, berichtet die Beraterin. Selbst die wendigsten Unternehmer fänden zurzeit kaum Wege aus der Krise. „Die Familien fühlen sich ausgeliefert. Bei manchen Anrufern herrscht ein Gefühl der Hilflosigkeit, sie fühlen sich gefangen zwischen staatlichen Vorgaben und dem Preisdruck des Handels.“, sagt ­ Katharina Stanglmair.

Viele Landwirte arbeiten in schlechten Zeiten noch einen Schritt schneller, sind morgens früher und abends länger im Stall, auch weil sie sich Aushilfen oder einen Auszubildenden sparen. Betriebe mit vielen Mitarbeitern und hohen Festkosten sorgen sich nicht nur finanziell, sie fragen sich auch: Was passiert, wenn jemand durch Corona ausfällt? Wie schaffe ich es dann noch? Und: Wie geht es mit den Saisonarbeitern weiter? Viele Wein- und Sonderkulturbetriebe sind zwingend auf diese Unterstützung angewiesen. Hier kommt Corona dann wie ein Brandbeschleuniger hinzu.

Letzter Ausweg Betriebsaufgabe

Wenn sich das Krisenrad schon über einen längeren Zeitraum gedreht hat, kommt es immer wieder vor, dass sich Betriebsleiter Gedanken zum Aufgeben machen. „Wir habe viele Beispiele in unserem Beratungsgebiet, die den Weg in den Nebenerwerb gewählt haben – oder ganz an eine Betriebsaufgabe denken“, sagt Angelika Sigel.

„Die finanziellen Probleme machen eine Weiterentwicklung im Betrieb unmöglich, das führt oft zu Generationenkonflikten.“ Denn für die potenziellen Hofnachfolger ist es schwierig, in einem Unternehmen mitzuarbeiten oder einzusteigen, wenn es keinerlei finanzielle Anreize gibt.

In diesen Extremsituationen stellen sich dann grundsätzliche Fragen: War es gut, weiter zu wachsen, den Stall zu bauen? War es der richtige Weg, dass die nächste Generation eingestiegen ist? Plötzlich stünden ganze Lebensentwürfe infrage, berichten die Beraterinnen. „Eltern stellen sich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn die Kinder einen anderen Beruf gelernt hätten“, erzählt Katharina Stanglmair.

Und von ihren Gesprächen mit Fachschülern berichtet Angelika Sigel, dass viele junge Hofnachfolger bei größeren Zukunftsinvestitionen abwartend sind und immer häufiger erstmal eine außerlandwirtschaftliche Zuerwerbsmöglichkeit suchen. Immer weniger gehen mit voller Power in den Betrieb.“

Mehr Familienzeit

Corona kann in der derzeit ohnehin schwierigen Situation für die Betriebe erschwerend hinzukommen. Es gibt keine Treffen unter Berufskollegen mehr, keine Versammlungen, keine Landfrauenfeste. Stattdessen müssen die Kinder zu Hause unterrichtet und beschäftigt werden. „Die Landwirte sind den ganzen Tag auf dem Betrieb, alleine im Stall, auf dem Traktor“, erklärt Angelika Sigel. „Das kann aufs Gemüt drücken.“ Muss es aber nicht!

Denn die Bauernfamilien haben teilweise enorme Privilegien: Die Kinder können trotz Pandemie und Lockdown raus, in den Garten, in den Hof oder Stall. Die Arbeit und das Leben laufen weiter. „Und manch einer freut sich sogar darüber, dass abends keine Sitzungen sind, sondern der Feierabend zur Familienzeit wird“, sagt Angelika Sigel. Ähnlich beobachtet es auch Katharina Stanglmair. Beim MontagsTelefon waren es nur Einzelstimmen, die das soziale „Drumherum“ enorm vermissen.

Schluss mit Smalltalk

Doch was hilft landwirtschaftlichen Familien in diesem Krisenkarussell? Die größte Baustelle bleibt auch – oder gerade – in Krisenzeiten die Kommunikation. „Die Familien sprechen über die Arbeitsverteilung oder machen Smalltalk. Aber sie reden nicht über das, was sie persönlich beschäftigt und was sie wirklich wollen“, sagen die Beraterinnen. Dabei sei es wichtig, zu wissen, ob alle in der Familie den Weg des Betriebs noch mitgehen wollen oder sich im Familienleben Veränderungen wünschen.

Gerade für die junge Generation, die jetzt auf den Höfen Verantwortung übernimmt, sind das große Herausforderungen und hohe Erwartungen. Auf der anderen Seite seien die jungen Leute auf dem Hof sehr reflektiert, sagen die beiden Beraterinnen. „Sie schauen auch auf das Familiäre, nicht nur auf die Größe von Kuh- und Sauenstall. Sie sehen nicht nur, wenn der Schlepper in die Werkstatt muss. Auch wenn in der Familie etwas schiefläuft, holen sie sich landwirtschaftliche Familienberatung.“

Die Coronazeit bietet die Chance, das Gespräch zu suchen. „Bei einem ausgedehnten Spaziergang mit dem Partner am Sonntagnachmittag oder an einem ruhigen Winterabend können sich tiefere Gespräche – auch über die Paarbeziehung – entwickeln “, sagt Katharina Stanglmair.

Wer sich Sorgen um Familien seiner Umgebung macht, kann sich als Gesprächspartner anbieten – Parolen und schnelle Tipps sind dabei jedoch fehl am Platz. „Das ernsthafte Zuhören ist wichtig“, meint Angelika Sigel. „Jedem Menschen tut es gut, jemanden an seiner Seite zu wissen.“

Und auch die Familienberatungen und Sorgentelefone stehen weiterhin zur Verfügung. „Im ersten Lockdown dachten viele, wir würden gar keine Beratung anbieten“, sagt Angelika Sigel. Tatsächlich waren die Beraterinnen und Berater aber im Dienst. Und auch das Sorgentelefon des BBV unterstützt weiterhin jeden Montag telefonisch. Katharina Stanglmair ermutigt Familien, sich zu melden, wenn das Bedürfnis besteht, einfach mal zu reden. „Wir sind für Sie da!“

Beratung in der Krise

Wenn sich im Kopf ständig das Gedankenkarussell dreht, dann hilft es, sich jemandem anzuvertrauen.

Das MontagsTelefon der BBV-Stiftung „Land und Leben“ erreichen Sie montags unter der Tele­fon­num­mer  0800 1311310  (9.00 bis 13.00 Uhr und 16.00 bis 20.00 Uhr)

Angelika Sigel von der Landwirtschaftlichen Familienberatung erreichen Sie unter  07142 912641  und per E-Mail unter  a.sigel@hohebuch.de.

Weitere Stellen finden Sie unter anderem unter www.landwirtschaftliche-­familienberatung.de.

Dieser Artikel erschien in der Februrarausgabe von top agrar Südplus 02/2020. Jetzt testen.

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