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Streuobst neu gedacht

Der Biohof Stöckl macht vor, wie man Streuobstwiesen gleichzeitig nachhaltig und profitabel bewirtschaftet.

Lesezeit: 5 Minuten

Auf dem Biohof Stöckl in Rohr in Niederbayern herrscht jeden Herbst Hochbetrieb: Die Fahrzeuge der Kunden, die ihr Obst zum Saften bringen, stauen sich im Hof, Obstkisten werden vor der Verarbeitungshalle aufgetürmt und die sechs Hydro-Saftpressen von Speidel laufen vom Morgen bis zum späten Nachmittag ohne Unterbrechung.



Für Marianne und Georg Stöckl beginnt die Hochsaison im September. Neben der Lohnmosterei betreiben sie eine Landwirtschaft mit 24 ha Acker- und Grünland, wovon 14 ha Streuobstwiesen sind. Ab September müssen die Früchte abgeerntet und zeitnah verarbeitet oder gelagert werden – in diesem außergewöhnlich ertragreichen Jahr eine Herausforderung. In den hofeigenen Anlagen entstehen Saft, Cidre und Dörrobst. Diese Produkte gehen zusammen mit dem Tafelobst in die Direktvermarktung sowie an über 30 Wiederverkaufsstellen wie Getränkemärkte, Biohofläden oder Supermarktketten wie Rewe, Edeka oder Real.

Den Betrieb neu belebt

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Mit den rund 1 100 Obstbäumen auf den 14 ha erwirtschaftet die Familie Stöckl mittlerweile etwa zwei Drittel ihrer Umsatzerlöse (ohne Prämien) und drei Viertel des Betriebseinkommens. Als Georg Stöckl, 62, den elterlichen Hof übernahm, war ihm klar, dass die damals 7 ha eigenes Land mit sieben Milchkühen und ein paar Zuchtsauen ihn und seine Familie nicht würden ernähren können. Nach dem Studium der Agrarwissenschaften ging er deshalb als Berater in den Staatsdienst. Marianne Stöckl, von Beruf Krankenschwester und Hauswirtschaftsmeisterin, kümmerte sich um den Hof und die vier Kinder.

Mit der Idee „Rent an Apple Tree“ beschloss Georg Stöckl, die Wertschöpfung der betrieblichen Flächen zu erhöhen: 1996 pflanzte er 100 Hochstämme auf einem schwer zu bewirtschaftenden Acker und bot Menschen ohne Garten oder Obstbäumen eine Art Patenschaft für die Bäume an – die Kosten für das Pflanzgut übernahm der Landschaftspflegeverband.

Doch der Plan ging nicht auf, es fanden sich nicht genügend Paten. Also begannen die Stöckls, die mittlerweile ertragreichen Bäume selbst zu nutzen. Seit der Umstellung auf Ökolandbau 1999 wird die Streuobstnutzung für den Betrieb wirtschaftlich immer attraktiver: Etwa 30 €/dt bringt das Mostobst, in Form veredelter Produkte wie Saft oder Cidre entsprechend mehr. Für Tafelobst gibt es bis zu 250 €/dt.

Gänse gegen Schädlinge

Seit 2007 betreiben die Stöckls zusätzlich eine kombinierte Nutzung der Streuobstwiesen mit Weidegänsen: Die 200 Tiere übernehmen nicht nur das „Mähen" der Flächen, sie verzehren auch das Fallobst und betreiben damit Schädlingsbekämpfung. Mit 60 € Erlös pro Weidegans in Bioqualiät steigert die Gänsehaltung also die Wertschöpfung pro Fläche noch einmal deutlich.

Gleichzeitig halten sich die Investitionen für den Einstieg in Grenzen: Benötigt werden – neben der landwirtschaftlichen Grundausstattung – ein Obstsammelgerät für etwa 2 000 €, Obstpressen für ebenfalls 2 000 € (180-l-Presse) pro Stück, ein Obsthäcksler für rund 500 € und Fässer, falls Cidre oder Most produziert wird. Lediglich die Pasteurisieranlage – auf dem Biohof Stöckl ein Eigenbau – hat mit rund 20 000 € stark zu Buche geschlagen. Natürlich steigen Kosten und Arbeitsaufwand mit zunehmendem Anbau-, Verarbeitungs- und Vermarktungsumfang. 1,75 Familien- und Fremdarbeitskräfte sind derzeit im Betrieb beschäftigt, dazu kommen noch 500 Saison-Arbeitskraftstunden.

Die ökologische Bedeutung von Streuobstwiesen ist allgemein bekannt, nicht ohne Grund fördern die Länder sie (siehe Kasten). Aber für viele Landwirte sind Streuobstwiesen unproduktive Flächen, da sie nur eingeschränkt nutzbar und arbeitsintensiv sind. Der Biohof Stöckl profitiert davon: Für Pachtzahlungen von etwa 300 €/ha verpflichtet sich Georg Stöckl, die Bäume zu pflegen und die Wiesen zu mähen, im Gegenzug kann er das gesamte Obst nutzen und vermarkten. Die mittlerweile 1 000 Obstbäume, verteilt auf 14 Standorte, decken aber nur in einem extrem ertragreichen Jahr wie diesem die Nachfrage, in anderen Jahren wird zusätzlich Obst von anderen Biobetrieben zugekauft. Die Vermarktung erfolgt zu 20 % ab Hof und auf Märkten und zu 80 % über Wiederverkaufsstellen oder den Handel.

Tipps für Neueinsteiger:

Georg und Marianne Stöckl geht es dabei nicht nur um Geld. Der Erhalt der alten Kulturlandschaften, ihre Bedeutung für Flora und Fauna und die Versorgung der Menschen mit regionalen, gesunden Nahrungsmitteln ist ihnen wichtig. Georg Stöckl teilt deshalb gerne sein Wissen. So rät er zum Beispiel, sich bei einer Neuanlage gut über die gewünschten Sorten zu informieren. Sie sollten für ihren Zweck – Saft, Tafelobst oder Most – geeignet sein und möglichst zeitgleich zur Abreife kommen, um den Arbeitsaufwand zu reduzieren.

Der Standort sollte waldfern sein, um eine Beschattung und damit die Schorfentwicklung zu vermeiden. Ebenfalls wichtig: Ein fachmännischer, früher Erziehungsschnitt bewirkt, dass die Bäume in späteren Jahren weniger Pflege benötigen. Und ganz generell empfiehlt er, sich mit anderen Streuobstbauern oder Tierhaltern zusammenzuschließen, um Vermarktung, Flächennutzung und Fördermöglichkeiten für alle Beteiligten zu optimieren.

Gute Förderung in Bayern und Baden-Württemberg

Bayern schießt Neueinsteigern 70 % der Kosten für Planung, Setzlinge und Pflanzung von Streuobstbäumen zu. Anschließend ist über KULAP und Vertragsnaturschutz eine Förderung von bis zu 8 € pro Baum und Jahr möglich. In Kombination mit Modulen wie der extensiven Weidenutzung zahlt der Freistaat bis zu 500 €/ha.

Baden-Württemberg fördert über FAKT bestehende Anlagen mit 2,50 €/Baum. Außerdem unterstützt das Landwirtschaftsministerium z. B. Investitionen in Verarbeitung und Vermarktung, Betriebsdiversifizierung oder Erzeugergemeinschaften. Ausführliche Infos zur Förderung unter www.topagrar.com/streuobst2018



Diesen Beitrag finden Sie in der aktuellen Ausgabe von Südplus (12/2018)

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