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topplus Tierschutzvertöße in Bad Grönenbach

Tierschutzskandal: Jetzt spricht Heidl

Bayerns Bauernpräsident verurteilt die Aufnahmen von einem Allgäuer Milchviehbetrieb scharf. Für die Methoden der Tierrechtler findet er aber ebenfalls klare Worte.

Lesezeit: 6 Minuten

Im Juli machte das ARD-Magazin Panorama Bilder publik, die Tierschutzverstöße auf einem Milchviehbetrieb im Unterallgäu zeigen. Seither kommt die Gemeinde Bad Grönenbach nicht zur Ruhe: Demonstrationen, Polizeikontrollen auf Bauernhöfen und teils weitere Tierschutzverstöße bringen den Ort laufend weiter in die Schlagzeilen.

Viele Landwirte sorgen sich, dass Tierrechtler über Wochen und Monate auch in ihrem Stall unbemerkt filmen könnten. Jetzt nimmt Bayerns Bauernpräsident Walter Heidl gegenüber top agrar Stellung zu dem Fall.

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Herr Heidl, wie bewerten Sie die Aufnahmen aus dem Stall mit etwas Abstand?

Heidl: Der Bayerische Bauernverband steht für eine verantwortungsbewusste Tierhaltung nach Recht und Gesetz. Dort, wo es Missstände gibt, muss im Sinne des Tierschutzes und der Tiergesundheit gehandelt werden. Im konkreten Fall handelt es sich um ein laufendes Verfahren, der Sachverhalt und die Anschuldigungen werden im Moment von behördlicher Seite geprüft. Verstöße jedoch, wie sie die Videoaufnahmen dokumentieren, sind aus Sicht des Bayerischen Bauernverbandes weder hinnehmbar noch in irgendeiner Art und Weise zu entschuldigen.

"Das kommt einer Hetzjagd gleich"

Hat das darin zu sehende Tierleid das heimliche Filmen und die Veröffentlichung durch einen öffentlich-rechtlichen Sender gerechtfertigt?

Heidl: Eines muss klar sein und auch bleiben: der Zweck heiligt nicht die Mittel! Wir leben in einem Rechtsstaat mit Regeln. Und zu diesen Regeln gehört auch, dass man nicht in Ställe einbrechen und dort versteckte Kameras anbringen darf. Es ist Aufgabe der Behörden, die Einhaltung des Tierschutzgesetzes zu überwachen. Und was die mediale Berichterstattung angeht: Kritische Berichte über Einzelfälle sind das eine.

Doch das Bild, das von Nutztierhaltung in Bayern durch Sendungen mit Titeln wie „Blutige Milch“ gezeichnet wird, ist schlicht falsch und verunsichert Verbraucher wie Bauernfamilien. Die schon beinahe selbstverständliche Verwendung von illegal angefertigtem Videomaterial durch öffentlich-rechtliche Sender ist aus Sicht des Bayerischen Bauernverbands höchst fragwürdig.

Sie lässt eine Art Beschaffungskriminalität entstehen und bietet den spendenbasierten Geschäftsmodellen von "SOKO Tierschutz", Peta & Co. eine willkommene Werbeplattform. Auch die explizite Nennung von Name, Wohnort und Handelspartnern kann und darf es im Verdachtsfall nicht geben. Ein solches Vorgehen kommt einer Hetzjagd auf Bauernfamilien gleich und hat nichts mit verantwortungsvoller Berichterstattung zu tun.

Wie sollte es mit dem betroffenen Betrieb jetzt weitergehen?

Heidl: Es ist nicht Aufgabe des Bauernverbandes, darüber zu entscheiden oder zu urteilen. Hier sind Behörden und Rechtsprechung gefordert, Entscheidungen zu treffen, sobald die Ermittlungsergebnisse vorliegen und sie sich auf dieser Basis ein eigenes und umfassendes Bild von der Situation auf dem Betrieb gemacht haben.

CSU und Freie Wähler im bayerischen Landtag sehen einen klaren Zusammenhang zwischen der Größe des Betriebs und den Tierschutzverstößen. Handelt es sich beim betroffenen Hof um einen Großbetrieb? Und sehen Sie generell einen Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und Qualität der Tierbetreuung?

Heidl: Der betroffene Betrieb ist im Vergleich zum bayerischen Durchschnitt zweifellos ein sehr großer Betrieb. Allerdings warnen wir eindringlich vor Verallgemeinerungen und leider sehr beliebten Schwarz-Weiß-Diskussionen. Dies bedeutet einerseits, dass man eben nicht von der Größe automatisch auf die Qualität der Tierbetreuung schließen kann.

Andererseits ist auch klar, dass ein größerer Tierbestand andere und höhere Anforderungen an das Management durch den Betriebsleiter stellt. Hierzu gehört zum Beispiel auch, dass geschulte und verantwortungsbewusste Mitarbeiter in ausreichender Anzahl zur Tierbetreuung eingesetzt werden.

Erwarten Sie, dass sich Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen künftig noch stärker mit der süddeutschen Milchproduktion beschäftigen?

Heidl: Es wird sicher Organisationen geben, die versuchen werden, die aktuell hohe mediale Aufmerksamkeit für sich zu nutzen, um weitere Themen rund um die Milchviehhaltung in Deutschland zu platzieren und sich aus diesem Grund Zugang zu weiteren Betrieben zu verschaffen.

"Bauern fürchten Einbrüche"

Viele Bauern fürchten nun, heimlich bei ihrer Arbeit gefilmt oder beobachtet zu werden. Ist die Angst berechtigt?

Heidl: Missstände auf einzelnen Betrieben berechtigen nicht dazu, alle Bauernfamilien unter Generalverdacht zu stellen, in Ställe einzubrechen und dort Kameras zu installieren. Genau das fürchten viele Bauern aktuell aber tatsächlich. Um dem entgegenzuwirken, braucht es jetzt klare Signale, insbesondere aus der Politik.

Denn die überwältigende Mehrheit der Bauernfamilien arbeitet 365 Tage im Jahr hart dafür, dass hochwertige Lebensmittel entstehen können und dass es den Tieren gut geht. Die Bäuerinnen und Bauern arbeiten in und mit der Natur und sind sich ihrer hohen Verantwortung bewusst. Für diese Arbeit verdienen sie Respekt und Wertschätzung.

Braucht es strengere Regeln für Tierschützer und Tierrechtler?

Heidl: Aufgabe von Behörden ist es natürlich auch, die Rechte der Landwirte als Bürger zu schützen. Und das Eindringen in Stallungen ist verboten. Der Staat ist gefordert, die Einhaltung der Gesetze sicherzustellen und Verstöße durch Tierschützer und Tierrechtler zu ahnden. Der Staat darf nicht länger zuschauen, wie Organisationen gezielt und systematisch Gesetze verletzen oder zum Gesetzesbruch aufrufen.

Wie schätzen Sie die SOKO Tierschutz ein? Aus welchen Motiven hat sie die Aufnahmen aus dem Unterallgäu publik gemacht?

Heidl: Selbsterklärtes Ziel der sogenannten „SOKO Tierschutz“ ist es, die Nutztierhaltung abzuschaffen. Davon kann sich jeder auf deren Website ein eigenes Bild machen. Es ist für uns auf jeden Fall befremdlich, wie hier über „Operationen“ und deren Erfolg berichtet wird und dabei die Zahl der damit ausgelösten Medienberichte in den Vordergrund gestellt wird.

Wie bewerten Sie die Rolle des Veterinäramtes in dem Fall?

Heidl: Zu dem konkreten laufenden Verfahren und der Rolle der Behörden können und wollen wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht detailliert äußern. Hier gilt es, die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten. Die Verhältnismäßigkeit bei der Anzahl der eingesetzten Personen und die Art und Weise, wie bei Kontrollen und Durchsuchungen nach der Veröffentlichung vorgegangen wurde, ist jedoch aus unserer Sicht schon zu hinterfragen.

Um Aktivität zu demonstrieren, wurden unter dem Druck von Medienberichten und öffentlicher Aufmerksamkeit spektakuläre Kontrollen, Polizeieinsätze und staatsanwaltschaftliche Durchsuchungen durchgeführt. Doch wenn auf einem landwirtschaftlichen Betrieb Polizeibeamte in Mannschaftsstärke und wie zur Durchsuchung der VW-Zentrale anrücken, ist aus Sicht des Bauernverbandes die Verhältnismäßigkeit auf der Strecke geblieben.

Wie bewerten Sie, dass Umweltminister Glauber nun eine zentrale Kontrollstelle für Großbetriebe einrichtet?

Heidl: Die Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) gibt es bereits seit Anfang 2018 für „komplexe Betriebe“. Bislang zählten neben Lebensmittelbetrieben wie Molkereien, Großbäckereinen und Schlachthöfen auch große Geflügelbetriebe dazu. Dies wird nun auf „komplexe“ Schweine- und Rinderhaltungen ausgedehnt. Das Entscheidende ist nicht, welche Einrichtung die Kontrollen vornimmt, sondern dass die aktuellen Geschehnisse im Unterallgäu nicht dazu führen, dass Verhältnismäßigkeit und Augenmaß bei den Kontrollen verloren gehen.

Auch in bestens geführten Betrieben können Tiere krank werden und verenden. Das ist natürlich und darf von Gesellschaft, Medien und auch Kontrollstellen nicht zum Skandal umgedeutet werden. Und eines ist auch Fakt: der Betrieb im Unterallgäu wurde in den letzten 5 Jahren insgesamt über 30 Mal kontrolliert.

Welche Lehren die Agrarbranche aus dem Vorfall ziehen kann und wie die Tierrechtler an Aufnahmen aus Ställen kommen, lesen Sie in der kommenden Südplus. Jetzt testen.

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