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Was Frauen zur Hofübernahme motiviert

Was bewegt Landwirtinnen zur Hofübernahme und welche Herausforderungen bringt die Entscheidung mit sich? Zwei Landwirtinnen erzählen von ihren Erfahrungen.

Lesezeit: 9 Minuten

Einer Betriebsübernahme geht meist ein längerer Entscheidungsprozess voraus. Gerade in Zeiten, in denen die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht optimal sind, stellt sich die Frage, welche Faktoren die Entscheidung zur Hofübernahme beeinflussen. Die Landwirtstochter und Hohenheimer Agrarstudentin Alicia Läpple hat ihre Bachelor-Arbeit zum Thema „Entscheidungsfaktoren von Landwirtinnen zur Übernahme des elterlichen landwirtschaftlichen Betriebes“ verfasst.

Diese Landwirtinnen aus Baden-Württemberg haben den elterlichen Hof übernommen oder beabsichtigen, diesen zu übernehmen. In ihrem Entscheidungsprozess zur Hofübernahme spielten unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Allen gemeinsam ist die enorme Verbundenheit mit der Landwirtschaft.

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Herzblut und Heimat

Die Landwirtschaft stellt einen elementaren Bestandteil im Leben aller neun befragten Frauen dar. Die Identifikation veranlasste die Frauen dazu, in diesem Sektor zu arbeiten. Sie beschrieben den Hof in den Interviews als „Heimat“ und das Wirtschaften als „Berufung“ und „Herzblut“. Eine berufliche Alternative zur Hofübernahme hätten sie nur in der Landwirtschaft gesehen.

Die Landwirtinnen wollen den über Generationen geführten Betrieb in der Familie halten. „Weil ich mir für meine Kinder nichts Besseres vorstellen kann, als dass sie in einem Betrieb aufwachsen“, erklärte eine der Befragten. Als prägenden Faktor nannten die Frauen die eigene Kindheit auf dem Hof: „Ich war von klein auf immer mittendrin. Für mich war klar, dass ich Landwirtschaft machen möchte!“

Freude und Interesse

Für die befragten Frauen stellt Landwirtschaft eine abwechslungsreiche Arbeit dar. Die Freude und das Interesse an den Tätigkeiten sind für alle die zentralen Entscheidungsfaktoren der Betriebsübernahme. Die Produktion eigener Lebensmittel und die Arbeit mit den Tieren lösen in den Frauen ein Gefühl von Freude aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Job zu arbeiten, in dem ich sommers wie winters nur Neonlicht habe“, erklärt eine Landwirtin.

Unabhängig von der Hofübernahme wählten die Interviewpartnerinnen ihre landwirtschaftliche Ausbildung – auch, wenn sie vorher Erfahrungen in anderen Berufsfeldern sammelten. Alle kamen zu der Erkenntnis, dass es für sie „nichts anderes“ gibt. „Ich habe einfach nichts gefunden, was mir Spaß macht!“, erklärt eine Teilnehmerin.

Der eigene Chef sein

Der Aspekt der Selbstständigkeit wurde in allen Interviews genannt. Hier überwiegen für alle Frauen deutlich die Vorteile. „Man kann sein eigener Chef sein und sich selbst verwirklichen“, erklärt eine Teilnehmerin. Die individuelle Tagesgestaltung und das Aufbauen von etwas Eigenem sind Teilaspekte, welche die Übernahme positiv beeinflusst haben oder beeinflussen. Für eine der interviewten Landwirtinnen beinhaltet die Selbstständigkeit noch etwas ganz anderes: „Was ich bei meinen Eltern gesehen habe: Betrieb und Familie lassen sich sehr gut vereinbaren.“

Mit der Übernahme der Betriebsführung können die Frauen ihre Entscheidungen treffen und sie gewinnen die Freiheit, eigene Ideen zu verwirklichen.

Es gibt auch Unsicherheiten

Neben den vielen Faktoren, welche die Entscheidungen der Frauen positiv beeinflusst haben, nannten sie die potenziellen Belastungen, die eine Hofübernahme mit sich bringt: Körperliche Arbeit oder Sorge vor Reparaturen sind eher nebensächlich. Stärker belastete die wirtschaftliche Situation. Zwei Höfe schrieben zum Übernahmezeitpunkt kaum schwarze Zahlen. Durch Änderungen in der Wirtschaftsweise stehen diese Höfe heute wieder gut da. „Ich bin damals blauäugig an die Sache rangegangen“, so eine der beiden Frauen.

Eine große Unsicherheit sehen alle Befragten in der wechselnden Agrarpolitik und der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Die sich ständig ändernden politischen Vorgaben nehmen eine erschwerende Position im Entscheidungsprozess ein. Die damit verbundene Ungewissheit bereitet allen neun Frauen Sorgen.

Rückhalt durch die Familie

Dass sie es als Frau schwerer haben, einen Betrieb zu bewirtschaften, empfindet keine der befragten Landwirtinnen. Vielmehr nehmen sie die Herausforderung an. Als unterstützende Akteure nennen sie vor allem die Eltern. Bei allen Frauen nimmt der Vater eine zentrale Rolle ein: „Mein Vater ist mein Hauptansprechpartner“ und „wir reden viel“.

Auch der Partner wird als unterstützender Entscheidungsfaktor genannt. Allerdings wird in den Interviews deutlich, dass an diesem die Hofübernahme wohl eher nicht gescheitert wäre.

"Ich wollte meine Heimat erhalten"

Renata Bauer ist 23, als sie den elterlichen Betrieb übernimmt. Ihre Vorstellungen von damals erscheinen ihr heute zu romantisch.

"Für mich war wichtig, zuerst Erfahrung außerhalb des elterlichen Betriebs in Waldenburg (Landkreis Hohenlohe) zu sammeln. Also habe ich angefangen, beim Maschinenring zu arbeiten und bin in meine eigene Wohnung gezogen. Dann haben sich meine Eltern scheiden lassen und es war klar, dass der Betrieb verkauft werden soll. Nein, dachte ich, das darf nicht passieren. Ich wollte meine Heimat erhalten. Also kündigte ich meine Wohnung wieder und ging mit Anfang 20 zurück nach Hause. Eine Bedingung war allerdings, dass ich dann auch relativ zeitnah die Betriebsführung übernehmen darf. Damals stand der Milchviehbetrieb finanziell recht wackelig da, allerdings war ich von den Voraussetzungen immer überzeugt. Sowohl vom Viehbestand als auch von der Fläche.

Mit dem Mann zur GbR

2006 habe ich die Betriebsführung übernommen, 2007 lernte ich meinen Mann in der Meisterschule kennen. Auch er hatte einen Betrieb. Nach der Hofübergabe gründeten mein Mann und ich eine GbR und legten unsere beiden Betriebe zusammen.

Mir war immer klar, dass ich in der Landwirtschaft arbeiten möchte. Mit der Hofübernahme wurde ich mein eigener Chef und konnte meine Ideen und Vorstellungen umsetzen. Der wichtigste Faktor allerdings, der mich zu dem Schritt motiviert hat, war die Vorstellung, dass meine Kinder irgendwann so aufwachsen sollen, wie wir aufgewachsen sind. Ich wollte schon immer gemeinsam mit meiner Familie leben und wirtschaften und bin davon ausgegangen, dass man die Kinder gut in den Hofalltag integrieren kann.

Für die Kinder zurückstecken

Jetzt, mit vier Kindern zwischen sechs Jahren und drei Monaten, weiß ich allerdings auch, dass das nicht ganz so einfach ist, wie ich es mir mit Anfang 20 vielleicht vorgestellt habe. Natürlich geht es, aber es ist schwer für mich, den Hof und die Kinder unter einen Hut zu bekommen. Deshalb mache ich draußen inzwischen auch wesentlich weniger, als ich eigentlich möchte. Bevor unser Kleinster geboren wurde, habe ich mich mit meinem Mann häufig abgewechselt – dann bin ich morgens in den Stall und er hat die Kinder betreut. Das geht jetzt aktuell mit Baby nicht mehr.

Und das ist ein ganz wichtiger Punkt: Als Betriebsleiterin mit Kindern ist es ganz natürlich, dass man ein paar Jahre wieder zurücksteckt und einen Teil der Betriebsführung an den Mann oder wieder den Vater abgibt. Damit muss man klarkommen. Für mich war das schwer, schließlich hatte ich fast zehn Jahre lang „den Hut auf“. Inzwischen arbeiten wir zusätzlich mit Fremdarbeitskräften, das nimmt mir ein wenig den Druck.“

"Die Arbeit auf dem Hof erfüllt mich"

Ina Zwicker hat sich dazu entschieden, den elterlichen Hof irgendwann zu übernehmen. Seit April 2019 arbeitet sie voll im Milchviehbetrieb mit.

Nach der Schule wusste Ina Zwicker aus Ebersbach-Roßwälden im Landkreis Göppingen nicht so genau, was sie beruflich machen sollte. Also absolvierte sie eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich. In dieser Zeit wurde ihr bewusst, dass das eigentlich nichts für sie ist. Vielmehr erkannte sie, wie vielfältig die Arbeit in der Landwirtschaft im Gegensatz dazu sein kann und orientierte sich deshalb bald wieder in Richtung des elterlichen Milchviehbetriebs. Nachdem sie sich dazu entschlossen hatte, dass sie den elterlichen Betrieb irgendwann übernehmen möchte, studierte sie Agrarwirtschaft an der FH in Nürtingen.

Landwirtschaft ist Vielfalt

Inzwischen ist die 28-Jährige im vergangenen April voll in den Betrieb mit eingestiegen, ist verantwortlich für den Milchautomaten und große Teile der Stallarbeit. „Mein Vater ist hauptsächlich für die Außenwirtschaft zuständig“, erklärt Ina Zwicker. „Mir liegt die Arbeit im Stall besser.“

Ihre Entscheidung für den Hof war eher ein schleichender Prozess, erinnert sie sich. „Das mit den Kühen lag mir schon immer. Nichts macht mich glücklicher als ein frisch geborenes Kalb. Aber ich habe auch erkannt, wie vielfältig die Landwirtschaft insgesamt ist.“ So biete der Anbau auch Ideen für neue Kulturen oder Nischen, die sie als Chefin selbst ausprobieren könnte. Auch wenn sie beispielsweise vor Reparaturen an den Maschinen Respekt hat und bei vielen anderen Dingen froh ist, dass sie auf den Rat ihres Vaters setzen kann.

An der Arbeit in der Landwirtschaft gefällt ihr besonders das Wirtschaften mit den Jahreszeiten. „Ich genieße es, draußen zu sein. Außerdem finde ich es toll, dass man die Jahreszeiten ganz bewusst erlebt“, erklärt sie. „Der Rhythmus mit der Natur macht mich zufrieden.“ Die Arbeit auf dem Hof beschreibt sie als erfüllend. Außerdem denkt sie gerne an ihre Kindheit auf dem Hof zurück. Das möchte sie auch irgendwann ihren Kindern bieten.

Einfach wird es nicht

Dennoch gibt es auch Faktoren, die ihr Sorge bereiten, wenn sie an eine mögliche Hofübernahme denkt. „Es macht mich schon nervös, wenn ich daran denke, dass ich irgendwann alle Entscheidungen alleine treffen muss – ohne die Unterstützung meines Vaters“, sagt sie. „Außerdem ist es schon krass, welche Unsicherheiten politische Entscheidungen mit sich bringen.“

Manchmal stellt sie sich die Frage, ob es in Deutschland irgendwann überhaupt noch Tierhaltung gibt oder ob die gesamte Produktion ins Ausland verlagert wird. Und, ob kleine Familienbetriebe wirtschaftlich überhaupt bestehen können.

Die Interviewpartnerinnen

Die Teilnehmerinnen der Studie sollten Landwirtstöchter sein und den Betrieb bereits übernommen haben bzw. die Absicht zur Übernahme verfolgen.

Die Interviews führte Alicia Läpple mit neun Landwirtinnen aus Baden-Württemberg im Alter zwischen 25 und 53 Jahren. Sechs der Frauen haben den elterlichen Betrieb bereits übernommen, zwei beabsichtigen den Hof zu übernehmen, eine Frau ist noch unentschieden.

Alle Frauen haben eine landwirtschaftliche Ausbildung, sechs von ihnen ein Agrarstudium, zwei sind Landwirtschaftsmeisterinnen, eine ist Gehilfin. Alle Interviepartnerinnen haben Geschwister. Sie führen Betriebe mit Milchvieh, Mastschweinen, Legehennen, Pensionspferden oder Ackerbau.

Dieser Artikel stammt aus der Südplus 01/2020. Jetzt testen.

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