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topplus Ökolandbau

Wie viel Bio verträgt der Markt?

Volksbegehren in Süddeutschland fordern mehr Ökolandbau. Dabei drückt das Überangebot an Markfrüchten die Preise schon jetzt – vor allem bei Umstellerware.

Lesezeit: 6 Minuten

Aus seinen Bedenken macht Hubert Gerstmeier keinen Hehl. Der Bioackerbauer aus Donauwörth in Bayern sagt voraus: „Wenn die Politik mehr Ökolandbau mit der Brechstange durchdrückt und der Verbraucher nicht tiefer in die Tasche greift, dann geht das auf Kosten der Bauern.“ Entstünde durch zu viel Bioware Preisdruck am Markt, würden Handel und Verarbeiter diesen direkt an die Landwirte durchreichen. „Marktgesetze funktionieren überall gleich“, sagt Gerstmeier. 2015 stellte er seinen 90 ha-Ackerbaubetrieb auf Bio um.

Politik macht Druck

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Gerstmeier spricht eine Befürchtung aus, die viele Landwirte in Süddeutschland derzeit umtreibt. Die Volksbegehren für mehr Artenschutz machen Druck auf die Branche, noch mehr Ökolandbau zu betreiben. In Bayern sollen es 30 % der Fläche bis 2030 sein – hier machte die Regierung das Volksbegehren auch direkt zum Gesetz.

In Baden-Württemberg liegt das Volksbegehren nach einem Kompromissvorschlag durch die Landesregierung derzeit auf Eis. In dem Kompromisspapier steht aber nach wie vor: Bis 2030 sollen die Landwirte 30 bis 40 % der Fläche des Landes ökologisch bewirtschaften.Und all das, nachdem es in den vergangenen Jahren vor allem in Süddeutschland eine regelrechte Umstellerwelle gab. Litten die Biotierhalter zuvor unter Futterknappheit, so können sie nun aus dem Vollen schöpfen.

Denn in den letzten Jahren haben auch viele große Ackerbaubetriebe umgestellt. Sie liefern Futter und Marktfrüchte. In Bayern war das vor allem in Nordschwaben und in den fränkischen Ackerbauregionen der Fall. In Baden-Württemberg liegen laut Bioland alle Ackerbauregionen gleichauf. Mittlerweile bewirtschaften die Landwirte in Baden-Württemberg 14 % der Ackerfläche ökologisch, in Bayern 10 %. Deutschlandweit sind es nur rund 5 %.

Etwas zu viel Ware am Markt

Wie der Markt die viele, neue Ökoware vom Acker verträgt, weiß Andreas Hopf. Der Landwirt führt die Geschäfte der Vermarktungsgesellschaft Bio-Bauern in Pöttmes in Bayerisch-Schwaben. Die Erzeugergemeinschaft vermarktet jährlich rund 50 000 t Druschfrüchte und 10 000 t Kartoffeln von 1 000 Landwirten aus ganz Bayern. Hopf wirkt entspannt.

Er und seine zwölf Kollegen sehen derzeit nur einen leichten Überhang beim Angebot. „Mit dem Siegel eines Bioverbandes wird derzeit höchstens 5 bis 10 % mehr Ware angeboten, als nachgefragt wird, bei einzelnen Fruchtarten sogar zu wenig“, sagt er. Gut laufen würden nach wie vor die Ölsaaten.

Preise bereits eingebrochen

Blickt man auf aktuelle Preise und Deckungsbeiträge von Marktfrüchten in Bayern, sieht es dagegen nicht sehr rosig aus. Das gilt vor allem für die Ware von Betrieben, die sich noch in der Umstellung auf Bio befinden. Franz Högg vom Fachzentrum Ökologischer Landbau am Landwirtschaftsamt Kaufbeuren rechnet vor (siehe Übersicht oben): Bei Futtergetreide von Umstellerbetrieben lagen die Preise im Mittel der Jahre 2016 bis 2018 durchschnittlich knapp unter der 30 €/dt-Marke. Doch zur Ernte 2019 stürzten sie auf rund 20 €/dt. Grund für den besonderen Preisdruck für Umstellerware dürfte sein, dass Biotierhalter mit dem Siegel eines Bioverbandes maximal 30 % Futter von Umstellerbetrieben verfüttern dürfen.

Der Deckungsbeitrag liegt bei Umstellerware aktuell teils unter dem Nullpunkt. Allerdings ist dabei der Stickstoff, den das Biogetreide aus dem Boden zieht, mit 5,5 €/kg bepreist. So ist in dem Deckungsbeitrag auch schon berücksichtigt, dass Biofruchtfolgen meist mit einem Jahr Leguminosenanbau zur Stickstoffspeicherung starten.

Auch bei der Bioware zeichnet sich für die Ernte 2019 eine Abwärtsbewegung ab, zumindest bei Getreide. Bei Kartoffeln hingegen haben viele Betriebe in diesem Jahr einen besseren Preis erlöst.Nimmt der Preisdruck noch zu, wenn demnächt noch mehr Betriebe in Süddeutschland auf Bio umstellen? Vermarkter Hopf glaubt das nicht. Er nimmt einen Rückgang an Umstellern war. „Wir erhalten derzeit deutlich weniger Anfragen von Umstellungswilligen, die zunächst den Absatz sondieren wollen“, sagt Hopf.

Viele wollen bald umstellen

Andere Branchenkenner gehen dagegen davon aus, dass weiter viele süddeutsche Landwirte umstellen werden. Bioland Baden-Württemberg rechnet für dieses Jahr mit mehr als 10 % Zuwachs an Biobetrieben und -fläche. Glaubt man einer Studie des Deutschen Bauernverbandes, könnte Bioland recht behalten. 11 % der Betriebe in Süddeutschland wirtschaften demnach aktuell ökologisch. Weitere 19 % wollen „sicher“ oder „vielleicht“ binnen zwei bis drei Jahren umstellen. Unter reinen Ackerbauern ist der Wert zudem deutlich höher als unter Tierhaltern.

Die Discounter lauern

Sollte die Umstellerwelle anhalten, würden die bisherigen Absatzkanäle nicht mehr ausreichen, sagt auch Hopf: „Das geht dann vor allem über die Supermarktketten und Discounter“, sagt er. Und bei denen gebe es schon jetzt nur eine Methode, wie z. B. Mühlen ihr Biomehl neu in die Supermarktregale bekommen: indem sie billiger anbieten. „Wenn also viel mehr Landwirte Bio produzieren und die Nachfrage nicht mitwächst, befinden wir uns bald im gleichen Preiskampf wie die konventionellen Landwirte“, sagt Hopf.

Bioverbände werben weiter

Von all dem lassen sich die Bioverbände jedoch nicht aufhalten und nehmen weiter gerne Umsteller auf. Der Geschäftsführer von Bioland Baden-Württemberg, Dr. Christian Eichert, rät: „Wer sich früh – im Idealfall gleich beim ersten Umstellungsgespräch mit der Erzeugerberatung – mit dem Thema Vermarktung beschäftigt, hat keine Sorgen“, sagt er. Zudem sollten sich Landwirte einem Bioverband anschließen und mit einer etablierten Erzeugergemeinschaft Kontakt aufnehmen.

Dann bekäme man selbst Umstellungsware zu einem guten Preis abgenommen.Stefan Simon von der Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG berichtet, dass es den Biobetrieben trotz niedriger Preise für Umstellungsware finanziell zunehmend besser gehe. Wichtig nach der Umstellung sei es, nach vorheriger Absprache mit dem potenziellen Abnehmer und mit Vorkontrakten Nischenprodukte anzubieten.

Ein Betrieb, der Sonderkulturen wie Raps, Ölkürbisse oder regional nachgefragte Produkte wie Roggen mit bayerischem Bio-Siegel anbaut, habe es wesentlich leichter als einer, der ohne Besonderheiten für die Masse produziert. Weizen lasse sich vor allem mit hohem Klebergehalt gut vermarkten.

Direktvermarktung lohnt

Auch für Biobauer Hubert Gerstmeier ist der aktuelle Preisdruck noch lange kein Grund, das Handtuch zu werfen und sich gar Gedanken über eine Rück-umstellung auf konventionell zu machen. Bioanbau sei auch Einstellungssache, nicht nur Betriebswirtschaft. Zudem habe er den Biolandverband bisher als sehr hilfreich empfunden, von der Saat bis zur Vermarktung.

Die aktuelle Situation zeige nur einmal mehr, wie wichtig es ist, dass man sich im Ökolandbau schon bei der Fruchtfolgeplanung um die Vermarktung kümmert. Gerstmeier selbst will demnächst weiter in Kulturführung und Produktionsablauf investieren. Parallel will er die Direktvermarktung weiter ausbauen. Im Ökolandbau müsse man eben bereit sein, umzudenken und Neues zu lernen. „Aber genau das taugt mir richtig gut an meinem Beruf“, sagt er.

Dieser Beitrag stammt aus der top agrar 11/2019. Jetzt testen.

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