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Alles am Griff

Lesezeit: 6 Minuten

Mit dem 6250R stellt John Deere auch ein neues Bedienkonzept vor. Wir konnten dessen Entwicklung begleiten und waren erstaunt, wie anspruchsvoll so etwas ist.


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Okay, die ersten sind sie diesmal nicht: Erst kürzlich hat John Deere einen Multifunktionsgriff bzw. Fahrhebel für seine Traktoren vorgestellt – als der letzte Traktorenhersteller im Premiumsegment. Dementsprechend hoch lag die Latte.


Wir fanden es spannend, als wir – unter dem Siegel der Verschwiegenheit – die Gelegenheit hatten, die Entwicklung zu begleiten. Über einige Jahre konnten wir uns Prototypen ansehen und ausprobieren. Uns hat dabei überrascht, wie intensiv sich die Konstrukteure um bequeme Gelenkpositionen, unterschiedliche Handgrößen und verschiedene Tastenformen kümmern.


Hebel für Europa:

Der europäische Lohnunternehmer und Großkunde will einen Hebel! Mehr Gerätewechsel, wachsende Isobus-Funktionen. Ganz im Kontrast zu den Ansprüchen amerikanischer Farmer, die hohe Auslastungen mit wenigen Geräten auf großen Feldern erreichen – entlastet durch GPS und Vorgewende-Management. Die Entscheidung, einen eigenen Hebel zu entwickeln, fiel parallel mit dem Entschluss, einen möglichst kompakten Schlepper mit hoher Leistung zu bauen: den 6250R, der in den starken Wettbewerb in der Lohnunternehmerklasse treten sollte. Startschuss: August 2013.


Wie findet man heraus, wie viele Funktionen der ideale Hebel vereint? Zu viele Knöpfe stören – aber fehlt eine wichtige Funktion, verfehlt man das Ziel. Zuerst untersuchte das Team deshalb die wichtigsten Arbeiten und Gerätekombinationen in dieser Traktorenklasse: Mäh- und Bestellkombi, Anhänge- spritze, Ladewagen, Gülletanker. Die Konstrukteure haben zudem über 50 Kunden befragt. Es dauerte Monate, die sehr unterschiedlichen Anforderungen auf eine überschaubare Zahl von Bedienelementen einzudampfen. Den Entwicklern wurde klar, dass sich einige der Tasten frei programmieren lassen mussten – wahlweise mit Schlepper- oder Isobus-Funktionen. Die Klippe: Trotz der Rekonfigurierbarkeit muss der Fahrer natürlich jederzeit wissen, was er tut.


Ende 2013, Anfang 2014 baute das Team unterstützt von Biomechanikern – das sind Spezialisten für das ergonomische Design von Bedienelementen – drei Prototypen: einen sehr kompakten Joystick, bei dem der Daumen alle Knöpfe bedient, eine Computermaus, auf dem die Hand ruht und Finger plus Daumen aktiv sind und einen Hebel wie bei einer Erntemaschine, den man aber mit Daumen und Fingern bedient.


Knete und 3D-Drucker:

Die Prototypen entstanden zuerst ziemlich handwerklich aus Schaumstoff, aus Ton und aus Knete. Als sich die Konstrukteure sicherer waren, in welche Richtung es gehen könnte, digitalisierten sie die Formen. Ab dann übernahm der 3D-Drucker. Das ist eine enorme Erleichterung. Formen-Änderungen werden im CAD- Zeichenprogramm umgesetzt und dann erneut „ausgedruckt“. Vom heutigen Hebel CommandPRO entstanden über die Entwicklungsdauer 50 Versionen, teils mit nur minimalen Änderungen.


Funktion vor Design:

Eine schöne Form ist das eine – doch liegen die Schalter wirklich an der richtigen Stelle, folgt das Design der Funktion? Das erkennt der Fahrer erst, wenn er damit arbeitet. Dazu haben die Entwickler ein Team von Lohnunternehmern und deren Fahrern aus sieben westeuropäischen Ländern zusammengestellt, das sich alle sechs Monate getroffen und den Stand der Entwicklungen beurteilt hat. Bei diesen Treffen war auch top agrar dabei.


Die ersten Gehversuche fanden nicht auf dem Feld, sondern mit einem Simulatorprogramm statt. In einem Kabinenmodell mit Monitoren konnten die Profis die Kombinationen von Geräten und Hebeln ausprobieren. Dabei stellte sich schnell heraus, dass der kompakte Joystick die geringste Punktzahl der Fahrer bekam – die Variantenzahl schrumpfte auf zwei Optionen.


Ab Frühjahr 2014 wurde der Einsatz realistischer: Die Entwickler rüsteten einen stufenlosen 6215R so um, dass sich beide Hebel abwechselnd auf der Armlehne anstöpseln ließen. Zwar war die Software noch aufs bisherige Bedienkonzept abgestimmt – doch durch einige Kunstgriffe ließen sich schon einige neue Funktionen der Hebel nutzen Neben der Lohnunternehmer-Gruppe waren jetzt auch Kunden mit „präparierten“ Maschinen unterwegs.


Eine Kamera über der Armlehne zeichnete alle Bewegungen von Arm und Hand auf. Ein Konstrukteur sagt, dass sei der härteste Teil der Entwicklung gewesen. Denn das Team hat sich die Videos über Wochen Sequenz um Sequenz genau angesehen: Findet der Fahrer immer die richtigen Knöpfe? Sind die Abwinklungen von Arm, Hand, Fingern bequem oder eher ermüdend?


Nur noch ein Konzept:

Im Sommer fiel die Entscheidung, nur noch Version drei – das Fahrhebel-Konzept – weiterzuentwickeln. Und die Konstrukteure mussten die nächste Klippe meistern: Denn die beiden Ziele „hohe Ergonomie“ und „alle Tasten im Fahrerblickfeld“ ließen sich kaum vereinbaren. Die Knöpfe auf der rechten – also vom Fahrer abgewandten – Hebelseite müssen sich tastbar unterscheiden. Außerdem spielen die Drehpunkte der Wippen sowie die Stege zwischen den Elementen wichtige Rollen.


Zu diesem Zeitpunkt saßen bereits die Fachleute des Zulieferers am Tisch, um wichtige Fragen direkt zu klären: Lassen sich die Ideen der Entwickler überhaupt in der Fertigung umsetzen – und wenn ja, zu welchem Preis? Passen die Schalter, Drehknöpfe und LED in den Griff? Und wie werden sie angesteuert? Aus welchem Material soll der Hebel bestehen, und wie ist die Oberfläche gestaltet? In der endgültigen Ausführung besteht der Hebel aus rund 140 Einzelteilen. Das Grundmaterial aus glaskugelverstärktem Polyamid ist teils mit einem gummiartigen Material (Softtouch) überzogen. Damit die elf Tasten, Regler und Wippen nicht über einen dicken Kabelbaum mit dem Traktor verbunden werden müssen, hat der Griff seinen eigenen Controller und kommuniziert per Datenbus.


Design, Anordnung der Schalter, Material sind wichtig, aber erst die entsprechende Software haucht ihm Leben ein. Die Konstrukteure haben zuerst die Anforderungen der Kundengruppen in grafische Schemen umgesetzt und diese in die Steuerungssoftware übertragen.


Aus dem Anforderungskatalog entwickelten sie zudem eine spezielle Testprozedur. Sie testete jede neue Softwareversion in über 10000 Schritten durch. Positiv, also bei richtiger Bedienung, und auch negativ mit Fehlbedienungen. Wie soll der Schlepper z.B. reagieren, wenn der Fahrer den Wendeschalthebel in voller Fahrt auf Rückwärts zieht?


Programmieren in der Scheune:

Im Herbst 2015, also über zwei Jahre nach Start, war quasi Hochzeit: Die Feldtests der neuen 6250R-Traktoren starteten, getarnt mit falschem Typ-Aufkleber und mit dem Fahrhebel an Bord. Zwar waren bei der Entwicklung des Konzepts weltweit Spezialisten eingebunden. Doch letztendlich lief das Finale auch beim größten Landmaschinenhersteller erstaunlich bodenständig und sympathisch ab: Vier bis fünf Programmierer saßen in der alten Scheune eines einsamen Gehöfts auf Gartenstühlen an ihren Rechnern. Draußen drehte der Vorserienschlepper mit dem Code-namen Lucy seine ersten Runden mit einem Muldenkipper. Es ging dabei um die kurzen Wege: Die Programmierer konnten die Eindrücke der Testfahrer vor Ort direkt in die Software über-setzen und der Fahrer den Effekt sofort prüfen. An diese Grundlagenarbeit schlossen sich intensive Praxistests an. Offizielle Premiere hatte der 6250R im November 2016. Der endgültige Produktionsstart ist für den September 2017 geplant – vier Jahre nach dem Startschuss. Guido Höner

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