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Als die Schlepper „denken“ lernten …

Lesezeit: 10 Minuten

Sind Landmaschinen künftig nur noch ohne Fahrer unterwegs? Oder kann man auch im Zeitalter von GPS und Sensoren nicht auf den guten alten Menschen verzichten? Das Team „Intelligente Landtechnik“ hat nach Antworten gesucht.


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Eine sanfte Stimme weckt mich: „Fläche fertig bestellt – Fertigmachen zur Straßenfahrt!“ – Muss wohl eingeschlafen sein. Kein Wunder: Als ich müde wurde, hatten die Scheiben sich automatisch abgedunkelt und der Sitz war in eine angenehme Position geglitten. In der Zwischenzeit haben Schlepper und Drillmaschine selbstständig gesät, von fahrerlosen Transportern regelmäßig mit Nachschub versorgt. Die Sämaschine steuert die Menge passend zum Boden, Sensoren am Grubber ermitteln für den Düngerdosierer den aktuellen Nährstoffgehalt in Echtzeit. Die nasse Stelle mit der defekten Drainage hat das Gespann per Kamera erkannt, elegant umfahren und die Position für die Reparatur gespeichert. Eingreifen brauchte ich nicht – nur meine Anwesenheit für den Fall des Falles war wichtig.


Zukunftsmusik? Im Prinzip ist vieles schon heute möglich. Wird also der Kampf gegen die Langeweile die größte Herausforderung auf den Landmaschinen der Zukunft? Degradiert der Computer gar den Traktoristen zum tatenlosen Beifahrer? Oder können die Maschinen künftig nur von studierten Programmierern eingesetzt werden?


Das Entdecker-Team „Intelligente Landtechnik“ unserer Aktion Jugend-trifft-Landtechnik konnte sich beim größten Landmaschinen-Hersteller der Welt informieren, wie intelligent die Maschinen bereits sind und welche Zukunftsvisionen die Ingenieure haben. In den USA sahen sich die Teilnehmer zusammen mit Dr. Enrico Sieber in den Produktions- und Entwicklungszentren von John Deere um. Sieber beschäftigt sich intensiv mit den aktuellen Entwicklungen in der Landtechnik. Denn die ist wie kaum eine andere Branche ein Entwicklungstreiber. Landmaschinen müssen mit den unterschiedlichsten Böden, Klimaräumen und Anbaukulturen klarkommen. Nachdem Motoren, Getriebe, Hydraulik, Antriebskonzepte und Komfort in den letzten 20 Jahren eine atemberaubende Entwicklung hinlegten, sind wir jetzt mitten in der nächsten technischen Revolution: Die Elektronik vernetzt alle Maschinenkomponenten und Prozesse miteinander.


Die Sterne steuern den Streuer


Ohne eine genaue Positionsbestimmung werden sich die Maschinen der Zukunft kaum noch über den Acker bewegen. Das GPS hat vielleicht den gleichen Einfluss auf die Entwicklung der Landtechnik wie der Dieselmotor. Automatische Lenksysteme steuern den Traktor schnurgeradeaus oder konturparallel. Der Schlepper lenkt – der Fahrer denkt: Bisher gehen 90 % der Konzentration fürs Lenken drauf. Lenksysteme schaffen dem Fahrer Raum, sich mehr auf die optimale Einstellung der Geräte zu konzentrieren oder schneller zu fahren. Weil es kaum unnötige Überlappungen gibt, steigt die Leistung der Maschine, ohne zusätzlichen Verbrauch von Diesel oder anderen Betriebsmitteln – Leistungssteigerung zum Nulltarif.


Das Ganze muss bedienbar bleiben. Wie gestaltet man also die Schnittstellen Mensch-Maschine? Wie viele Informationen kann der Fahrer noch aufnehmen, wie schnell erkennt er sie und wie reagiert er darauf? In den Entwicklungslabors tasten die Ingenieure dazu mit Spezialbrillen die Pupillenbewegungen des Fahrers während der Arbeit ab. So lassen sich Rückschlüsse ziehen, ob die Bedienelemente an der richtigen Stelle sitzen.


In abgedunkelten Räumen können Sie Maschinen, die bisher nur als Zeichnung existieren, in 3D-Projektionen real werden lassen. Ausgerüstet mit einer Spezialbrille nimmt der Testfahrer auf dem Sitz Platz, und sieht alle neuen Bedienelemente zum Greifen nah.


Die Systeme werden leistungsfähiger. Künftig sollen mehrere Satelliten-Netze genutzt werden, wie das Europäische Galileo oder das russische Gloanss-System, das bereits online ist. Über neue Referenzstationen lassen sich Ungenauigkeiten, Abschattungen und Satellitendrift ausgleichen. Das Korrektursignal kommt über die Radio- oder Mobilfunkfrequenz. Genauigkeiten von bis ± 2 cm sind möglich, und die jeweilige Position lässt sich auch Jahre später exakt wieder auffinden.


Gyroskope auf den Maschinen erkennen die Hangneigung. Diese Information wird mit der Länge des Gespanns verrechnet: Je länger, desto stärker steuert der Schlepper am Seitenhang der Abdrift gegen. Ein GPS-Empfänger genau über der Säschiene oder dem Spritzgestänge liefert noch exaktere Positionen. Die Informationen können direkt zum Gegensteuern per Lenkdeichsel oder hydraulische Unterlenker-Stabilisatoren verarbeitet werden. Selbst die Arbeitsbreite von Vario-Pflügen lässt sich so steuern. Das sorgt nicht nur für supergerade Furchen. Kennt das System die Feldgrenzen, lassen sich auch Keile nach und nach elegant auspflügen.


An Vorgewenden, Keilen oder Hindernissen, schalten Düngerstreuer, Spritzen oder Drillen automatisch ein und aus – komplett oder in Teilbreiten. Die „GPS-Switch“ oder „SectionControll“ genannten Steuerungen verhindern Fehlstellen oder Überlappungen. Bei Spritzen funktioniert das mittlerweile sogar mit einzelnen Düsen. Einzelkorndrillmaschinen haben elektrische Antriebe oder elektronisch geschaltete Kupplungen.


Beim Wurfstreuer lässt sich bisher oft nur eine Seite abschalten bzw. die Randstreueinrichtung aktivieren. Über eine elektronische Regelung von Tellerdrehzahl, Aufgabepunkt und die dazu passende Schieberöffnungsweite lässt sich demnächst die Arbeitsbreite des Streuers sogar komplett stufenlos anpassen.


Genaues Spurhalten bereitet den Weg für neue Anbauverfahren. Per Speicherkarte oder auch drahtlos können künftig die exakten Positionsangaben von Maschine zu Maschine wandern. Die Spritze fährt so auch bei der Vorauflauf-Behandlung genau in der späteren Fahrgasse und im Herbst lockert man nach der Stoppelbearbeitung die Spuren GPS-gesteuert mit nur zwei einzelnen Zinken.


Beim Strip-Till werden nur einzelne, schmale Streifen des Ackers bearbeitet. Beim CTF – Controlled-Traffic-Farming – bewegen sich alle Maschinen immer exakt auf den gleichen Spuren.


Schon heute kann der Fahrer die Bedienschritte am Vorgewende abspeichern bzw. per USB-Stick aufs Schlepperterminal übertragen. In Zukunft nehmen die Maschinen dem Fahrer immer mehr Bedienfolgen durch vorprogrammierte Einstellungen ab, wie z. B. beim vollautomatischen Reinigen einer Feldspritze. Hier entscheidet der Fahrer nur: „Ich will reinigen“, den Rest erledigt die Automatik – und das mit höherer Sicherheit.


Oder die Maschine bekommt direkt per Mobilfunk ihren Arbeitsauftrag mit den entsprechenden Einstellungen übermittelt. Der Fahrer steuert per Navi dann „nur noch“ den nächsten Einsatzort an.


Kameras schauen voraus


Lenksysteme und Vorgewende-Management wachsen immer mehr zusammen. Am Ende macht der Schlepper von selbst die Wende. Ist der Fahrer schon heute überflüssig? Wohl kaum. Denn mit dem reinen Parallelfahren per GPS ist es nicht getan. Es fehlen immer noch aktuelle Informationen über den Einsatzort. Um einem Fahrer ernsthaft Konkurrenz zu machen, muss das Fahrzeug „wissen“, wo es her fahren soll und gleichzeitig „sehen“, wie die Umgebung aktuell aussieht: Liegen Hindernisse im Weg, hat sich seit dem letzten Bearbeitungsgang was geändert?


Ein weiterer Schritt ist also das Vernetzen der Positions- mit anderen Lenk-Informationen. Hier gibt es die ersten Ansätze: Beim RowSense für John Deere-Maismähdrescher arbeiten Reihentaster am Pflücker und GPS zusammen. Fehlen dem einen System die Informationen, z. B. durch Fehlstellen oder Lager im Mais, übernimmt automatisch das andere.


In Zukunft wird intelligente Software das Bild von Videokameras auswerten und die Informationen zur Maschinensteuerung und -auslastung nutzen. Bisher reagieren au-tomatische Durchsatzsysteme, wie beim Mähdrescher oder Häcksler, auf aktuelle Maschinenzustände. Kommt’s dicker, drosselt das System erst die Geschwindigkeit, wenn Motor oder Antriebe von Touren kommen. Die Maschine braucht also Reserven, damit sie sich nicht verschluckt.


Ein guter Fahrer erkennt einen Haufen im Schwad oder besonders ertragreiche Stellen im Weizen schon vorher und reagiert frühzeitig. Nur: Über lange Arbeitstage ermüdet er und fährt die Maschine ebenfalls mit wachsender Sicherheitsreserve. Kann man die Fähigkeiten des guten Fahrers auf eine Automatik übertragen?


Auf der Agritechnica zeigten Pöttinger und John Deere erstmals ein System am Ladewagen, das vorausschaut. Das ganze gehört zur Traktor-Implement-Automation, bei der das Gerät dem Schlepper sagt, wo es lang geht und wie schnell er zur optimalen Auslastung fahren soll. Beim Pöttinger-System erfassen optische Sensoren den Schwad vor der Maschine und regeln so frühzeitig die Vorfahrtgeschwindigkeit. Bisher muss der Fahrer die Systeme individuell eichen – es kommt also nach wie vor auf seine Fähigkeiten an. In Zukunft werden die Sensoren oder Kameras wohl selbstlernend arbeiten: Sie „merken“ sich z. B. das Aussehen des Bestands vor der Maschine und vergleichen die Bilder dann mit den jeweiligen Leistungswerten vom Schrägförderer oder der Dreschtrommel. So lernt das System „hellerer Bestand, weniger Ertrag: höhere Geschwindigkeit möglich“, oder „dunkler, dichterer Bestand, hoher Ertrag: Geschwindigkeit reduzieren“. Grundlage dieser Regeltechnik ist die Fuzzylogik, die auch unscharfe Begriffe wie „mehr“ oder „weniger“ in konkrete Regelimpulse umwandelt. Weil in der Praxis unendlich viele Faktoren Einfluss haben, muss außerdem „Expertenwissen“ hinterlegt werden: Denn 10 t trockener Weizen dreschen sich leichter als 8 t mit Greening-Effekt.


Auf dem Weg dahin schlagen sich die Techniker mit banalen Problemen der immensen Infoflut herum: Sie mussten extra „Datenfresser“ integrieren, deren Namen, wie z. B. Terminator, auf ihre brutale Aufgabe hinweisen: Sie sollen verhindern, dass alte Informationen bis zum jüngsten Tag durch die Leitungen geistern.


Der Roboter als Pflanzenversteher


Landtechnik-Spezialist Dr. Sieber sieht einen deutlichen Entwicklungsschub vor allem bei der Sensortechnik. Mit immer neuen Sensoren versuchen die Ingenieure, „gutes Fachwissen“ der Praktiker in automatische Steuerungen zu integrieren:


Optiksensoren im Pflanzenschutz: Kameras erkennen in Echtzeit Unkräuter oder Krankheiten und steuern einzelne Düsen an. Die Abkehr von der flächigen Behandlung funktioniert fast so, als liefe man mit einer Rückenspritze durch den Bestand und verpasste jeder einzelnen Distel ihre individuelle Herbiziddusche.


Feuchtesensoren in Verbindung mit Bodenkarten regeln automatisch die notwendige Arbeitstiefe von Grubbern: So flach wie möglich, so tief wie nötig. Andere Feuchtesensoren steuern bei der Futterernte automatisch die Häcksellänge.


Nahinfrarot-Sensoren gibt es schon heute an Gülletankern oder Häckslern. Die Technik lässt sich vielfältig zur Analyse nutzen. In Zukunft erkennen die Sensoren vielleicht direkt beim Roden den Zuckergehalt der Rüben, was Vorteile bei der Vermarktung bringen kann.


Ähnliche Sensoren ermitteln dann online auf dem Mähdrescher die Weizenqualität, z. B. den Proteingehalt: So können künftig auf größeren Schlägen Chargen getrennt nach ihrer Qualität transportiert und eingelagert werden, ebenfalls ein Plus bei der Vermarktung. Beim Abbunkern übergibt das System drahtlos die Chargeninformationen inklusive der Position an das Transportfahrzeug bzw. meldet das direkt an den Betriebscomputer.


Klopfsensoren kennen individuelle Frequenzen und Amplituden von Lagern in der Maschine. Bei entsprechender Datenbasis lässt sich nicht nur erkennen, dass ein Lager in Zukunft den Geist aufgibt, sondern auch wann. Die gezielte Reparatur verhindert teuere Stillstandzeiten, ohne Teile auf Verdacht viel zu früh auszutauschen. Per Telemetrie meldet die Maschine selbst der Werkstatt, welche Ersatzteile sie in Kürze brauchen wird.


Pflanzensensoren am Roboter: Standortgerechte Pflege ist auf standortbezogene Informationen angewiesen. Künftig sind kleine Roboter permanent im Bestand unterwegs und bonitieren mit ihren Sensoren Entwicklungsstadium, Feuchte, Nährstoffversorgung, Verunkrautung oder Krankheits- bzw. Schädlingsbefall. Die kleinen Pflanzenexperten funken ihre Erkenntnisse standortbezogen an den Hof-PC.


Mit diesen Daten lassen sich dann Düngerstreuer oder Spritze teilflächenspezifisch steuern. Durch Abgleich der Robotermail mit Computer-Wachstumsmodellen kann der Landwirt außerdem den künftigen Ertrag abschätzen und so die Wirtschaftlichkeit der folgenden Maßnahmen berechnen. Roboter und Wachstumsmodelle machen also im Grunde genommen nichts anderes als ein guter Pflanzenbauer – allerdings rund um die Uhr auf großen Flächen.


Weniger Fahrer überwachen mehr Maschinen


Bei allen Sensoren: Komplett fahrerlose Maschinen werden sich auch in Zukunft wohl nur in fest eingegrenzten Umgebungen bewegen, wie z. B. beim Spritzen in Obst- oder Reihenkulturen, beim Rasenmähen oder auch beim Füttern.


Vor allem bei Bodenbearbeitung oder Ernte kann nach wie vor viel Unerwartetes passieren. Auch künftig wird kein Computer vom Trecker steigen, um den Stein aus der Packerwalze zu fischen.


Aber muss jede Maschine auf dem Feld mit einem Fahrer besetzt sein? Um Arbeitskräfte zu sparen, denkt man aktuell über Trabanten-Systeme nach: Auf dem Feld arbeitet eine Maschine als „Master“ mit Fahrer und mehrere fahrerlose Maschinen folgen. Bei Störungen soll dann der Mensch eingreifen. Für den wird das dann bestimmt alles andere als langweilig: Wann fällt heute eine automatische Fütterung aus? Genau – immer wenn’s besonders hektisch ist!

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