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Auf neuen Wegen

Lesezeit: 11 Minuten

Marode Wirtschaftswege und angespannte Haushaltslage: Gemeindeverwaltung und Landwirte im rheinischen Nörvenich probieren neue Methoden bei der Wegesanierung.


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Viele Wege führen durch Nörvenich – vor allem Wirtschaftswege. Und diese rund 350 km unbefestigten und 80 km asphaltierten Wege der rheinischen Flächengemeinde mit ihren 14 Ortsteilen werden durch die sehr angespannte Haushaltslage zunehmend zum Problem. Denn klassische Reparaturmaßnahmen kommen an ihre Grenzen, und die Streckenabschnitte mit großen Schlaglöchern nehmen zu.


Durch unseren Beitrag „Ist Schotter der bessere Weg?“ (Heft 10/2014) ist Ratsmitglied und Landwirt Dr. Achim Siepen auf den Rückbau von Asphalt- straßen zu Schotterwegen aufmerksam geworden. Er hat mit der Gemeinde und den Landwirten diskutiert, ob diese Methode eine Lösung für die Probleme sein könnte.


Im Herbst 2015 wurden dazu erste Versuchsstrecken angelegt. Bei einem Ortstermin Ende Februar treffen wir Landwirt Siepen, Hans-Peter Knops, den Nörvenicher Ortslandwirt und den Leiter des zuständigen Bauamts Heinz-Willi Strack. Direkt an einer bearbeiteten Straße erläutern uns der Landwirt und Unternehmer Hans Josef Brock sowie der zuständige Ortsvorsteher Andreas Rataj die aktuellen Maßnahmen. Wie im Rheinland üblich, liegen die Höfe meist in den Ortsteilen. Die Felder sind über Asphaltwege und vielfach über einfache Schotterwege zu erreichen, bei denen teils nur die Fahrspuren befestigt sind. Der Zustand der Wege verschlechtert sich zunehmend. Die Gründe sind nach Erfahrungen von Bauamtsleiter Strack unterschiedlich. Die Asphaltwege früher Flurbereinigungen, vor allem der 60er- und 70er-Jahre, sind nicht für die aktuellen Belastungen ausgelegt. Sie sind selten breiter als 3 m.


Schäden durch Wasser:

Breite Maschinen drücken auf die schlecht befestigten Seiten der Wege, die Asphaltdecken brechen und Wasser dringt in den Wegekörper ein. Außerdem steigt der Lkw-Verkehr – Nörvenich ist Rübenanbaugebiet. Die schmalen, harten Lkw- Reifen, gepaart mit höheren Geschwindigkeiten, schädigen tief den Unterbau der Straßen. In den Kurven sorgen Lkw-Auflieger mit Dreiachs-Aggregaten zusätzlich für Schäden.


Zudem ist – teils aus Umweltschutzgründen – vielerorts die Bankettenpflege zurückgefahren worden. Läuft das Wasser nicht mehr zügig seitlich ab, ist ein beschädigter Weg noch stärker gefährdet – egal, ob Asphalt oder Schotter. Vor allem, wenn in der nassen Jahreszeit die Rübentransporte über die Wege rollen. Zu viel Wasser im Weg ist Gift für die Bindekräfte des Materials. Bei der Reparatur von Schotterwegen arbeiten die Nörvenicher Landwirte traditionell mit der Gemeindeverwaltung zusammen: Die Landwirte übernehmen die Arbeiten, die Gemeinde bezahlt das Material. Weil Nörvenich kein Wasserschutzgebiet ist, kann meist günstigeres, aber zertifiziertes RC-Material verwendet werden (Recycling-Material, gebrochener und gesiebter Bauschutt, Siebfraktion 16/45 oder gröber).


In Wasserschutzgebieten würde die Sache deutlich teurer: Während zertifiziertes RC-Material zwischen 8 und 9 €/t (frei Baustelle, also inklusive Transport) kostet, liegt der Preis für den hier ausschließlich erlaubten Natursteinschotter teils bis zu drei Mal höher.


Viele der Nörvenicher Schotterwege bestehen nur aus Fahrspuren. Durch Leitbleche am Kipper und anschließende Nacharbeit mit einem speziellen Wegehobel wird der Reparaturschotter genau in diesen Spuren verteilt. Das Material fährt sich dann durch den nachfolgenden Verkehr fest.


Ortslandwirt Knops fürchtet aber, dass dieses durchaus bewährte System zunehmend an seine Grenzen kommt: „Die Zahl der Landwirte pro Ortsteil nimmt ab, die Arbeit bleibt vielleicht an zwei, drei Betrieben hängen. Außerdem werden mehr und mehr Flächen von auswärtigen Praktikern bewirtschaftet. Stellt sich dann die Frage: Wer kümmert sich um welche Wege?“


Nur Kosmetik:

Achim Siepen hat noch ein weiteres Problem ausgemacht: Das oberflächige Aufbringen von Schotter ist bei tiefreichenden Schäden oft Kosmetik. Wenn die Schlaglöcher nicht aufgelockert werden, ist die Bindung zum neuen Material schlecht. Der Schotter arbeitet sich wieder aus den Löchern heraus, besonders wenn der Weg beim Befahren nass ist. Fällt dann noch der Abfuhrtermin der Rüben mit ergiebigem Regen zusammen, kann das den vorgeschädigten Weg endgültig ruinieren.


Bei Asphaltstraßen fällt die Eigenleistung der Landwirte weg. Will man hier mehr als nur Flickwerk mit Kaltasphalt abliefern, wird es richtig teuer. Der komplette Wegekörper muss mit dem Bagger neu aufgebaut werden. Zusammen mit einer neuen Schwarzdecke aus Trag- und Verschleißschicht steigen die Kosten schnell auf über 100000 € pro km. Zusammen mit der Gemeinde haben sich die örtlichen Landwirte deshalb dazu entschlossen, im Herbst 2015 zwei Wege mit der Fräsmethode zu sanieren. Im ersten Fall wurde ein 300 m langer Schotterweg bearbeitet, im zweiten ein stark beschädigter, 1 km langer Asphaltweg zum Schotterweg zurückgebaut. Bauamtsleiter Heinz-Willi Strack hatte sich vorab bei der benachbarten Gemeinde Erftstadt über deren Erfahrungen mit dem Verfahren erkundigt.


Bei beiden Straßen übernahm die Firma HeBro aus dem 25 km entfernten Weilerswist die Arbeiten (www.wegsanierung.eu). Die Landwirte Johannes Heck und Hans Josef Brock haben die Wegsanierung GbR vor zweieinhalb Jahren zusätzlich zu ihren Betrieben gegründet. An unserem Ortstermin hat Hans Josef Brock teilgenommen.


Auftakt in Nörvenich war der Schotterweg. Wichtige Grundvoraussetzung: Der alte Weg muss über die komplette Breite aus Schotter bzw. Gestein bestehen. „Sind nur die Fahrspuren befestigt und liegt dazwischen Mutterboden und Grasaufwuchs, funktioniert das Verfahren nicht direkt“, erklärt Unternehmer Brock. Denn die Fräse würde Boden mit den Steinen mischen, und die Tragfähigkeit des Weges verschlechtert sich sogar. Hier müsste der Streifen zwischen den beiden Fahrspuren zunächst mit dem Bagger entfernt werden.


Das Unternehmen beginnt jede Sanierungsmaßnahme mit der Bankettenfräse, denn der spätere Ablauf des Oberflächenwassers ist für die Haltbarkeit des Schotterwegs sehr wichtig. Die Fräse wirft das fein zerkleinerte Gras- Boden-Gemisch des Seitenstreifens auf die angrenzenden Flächen. Nach Erfahrung von Hans Josef Brock geht das durch die große Wurfweite und gleichmäßige Verteilung sogar bei stehenden Getreidebeständen oder auf Grünland.


Anschließend folgt die Wegepflege- Fräse. Sie bearbeitet den Weg ca. 10 cm tief, möglichst bis zum Grund der Schlaglöcher. Der Fahrer kann durch Rotordrehzahl und Fahrgeschwindigkeit den Effekt beeinflussen. Durch die relativ geringe Drehzahl sortiert die Fräse das Material: Die groben Bestandteile sollen nach unten. Sie sorgen für bessere Tragfähigkeit und lassen das Wasser ablaufen. Das feinere Material gehört nach oben. Zusammen mit einem ausgeprägten Dachprofil machen die feinen Bestandteile den Weg nach oben dicht und das meiste Wasser läuft zur Seite hin ab. Für den Abschluss sorgt der Plattenverdichter hinter der Fräse. Bei 2 m Arbeitsbreite lässt sich durch Hin- und Rückfahrt direkt das Dachprofil herstellen. Dabei arbeitet Hans Josef Brock mit einem größeren seitlichen Gefälle als bei üblichen Wegen.


Nach Abschluss der Maßnahme wurde der Weg über Winter gesperrt. Denn rollen bei nassem Wetter sofort nach dem Fräsen schwere Fahrzeuge darüber, kann der Weg schwer beschädigt werden. Er muss sich einige Zeit setzen und sollte erst bei eher trockener Witterung befahren werden. Achim Siepen weiß von einem gefrästen Weg in einem Nachbarort, der die Rübenabfuhr direkt nach der Sanierung nicht verkraftet hat. Deshalb haben die Nörvenicher lange gewartet, bis die Rüben in der Fabrik waren.


Besser im Sommer:

Generell empfiehlt Hans Josef Brock, die Maßnahmen eher in der trockenen Jahreszeit durchzuführen, z.B. nach der Getreideernte. Allerdings darf es nicht zu trocken sein, weil sich das Material dann kaum verdichten lässt. Bei einigen Sommerbaustellen haben sie deshalb schon abends mit Gülletankern Wasser zugefahren.


Die Testmaßnahme für die 300 Meter Schotterweg in Nörvenich dauerte etwa einen halben Tag. Weil kein zusätzliches Material zugefahren werden musste, reduzierten sich die kalkulierten Kosten von 3,50 €/lfd. m bei 3 m Wegebreite auf 2,60 €. Wenn Material fehlt, können die Kosten für eine ähnliche Maßnahme auch auf bis zu 5 €/m steigen (Preise jeweils inkl. Fräsen der Banketten).


Der Rückbau von Asphaltwegen ist aufwendiger. Zunächst ist eine Beurteilung des Ausgangsmaterials wichtig. Straßen aus den 60er- und 70er-Jahren enthalten teils Teer, so Bauamtsleiter Strack. Weil beim Fräsen der brüchigen Straßen auch feines Material entsteht, könnte der Schadstoff freigesetzt werden. Ein Rückbau von Teerstraßen zu Schotterwegen ist problematisch oder je nach zuständiger Wasserbehörde sogar verboten. Wenn das Material nicht als Sondermüll entsorgt wird, muss der sanierte Weg zumindest mit einer Asphaltschicht abgedeckt werden.


Der Testweg im Ortsteil Pingsheim stellte sich in puncto Teer als unbedenklich heraus. Vor der Sanierung hat der Unternehmer auch hier die Banketten abgetragen. Anschließend musste mit der Wegebaufräse schweres Geschütz ran: Die komplette Straße wurde 20 cm tief durch den Wolf gedreht.


Weil die meisten asphaltierten Wirtschaftswege kaum Unterbau haben, muss zusätzliches Material (0/45er RC-Schotter) aufgebracht werden. Die Menge richtet sich nach Unterbau und Beanspruchung des Weges. Wird er wie in Nörvenich vor allem im nassen Herbst mit schweren Fahrzeugen befahren (Rüben-, Mais- oder Kartoffelernte), ist mehr Material notwendig als z.B. in reinen Getreidebaugebieten. Das Problem für die Unternehmer: Vielen Wegen sieht man vorher nicht an, wie stark der Unterbau wirklich ist – das stellt sich oft erst beim Fräsen heraus. Deshalb vermerken die Wegebauer in den Angeboten immer optionale Schottermengen.


Im Schnitt rechnet Hans Josef Brock mit 450 bis 500 t/km bei 3 m Breite. In Pingsheim kamen sogar 550 t auf die 1 km-Teststrecke, weil hier kaum ein Unterbau vorhanden war. Die Hauptmenge des Schotters gehört in die Fahrspuren. Dazu fahren die Unternehmer nach dem Fräsgang mit dem Muldenkipper durch das lockere Material. Durch Leitbleche im Auslauf der Mulde fließt der Schotter in die Spuren des Kippers. Kurven- oder Kreuzungsbereiche brauchen zusätzliches Material.


Nach dem Verteilen des Schotters arbeitet die Fräse das neue Material bis auf 20 cm ein und legt die feineren Bestandteile oben ab. Eine Überfahrt mit der Wegepflegemaschine plus Plattenverdichter schließt sich an. Den Abschluss machen mehrere Überfahrten mit einem 14 t-Walzenzug.


Der Fahrer der Vibrowalze muss wissen, was er tut. Seine Arbeit ist entscheidend für die Haltbarkeit des Weges, haben die Unternehmer Heck und Brock festgestellt. Die erste Überfahrt läuft mit schwächeren Vibrationen, damit sich das Material nicht wieder entmischt und die feinen Bestandteile nach unten rieseln. Bei jeder weiteren Überfahrt kann der Fahrer die Intensität steigern. Durch die 2 m Breite der Walze bleibt das Dachprofil erhalten.


Die Kosten für den Rückbau lagen bei der Teststrecke im Bereich von 12 € pro lfd. m. Bei unserem Besuch Ende Februar ist der Weg noch gesperrt. Es fällt die ebene, gleichmäßig verdichtete Oberfläche auf. Durch den Einsatz des RC-Materials finden sich allerdings auch einige Scherben und Fliesenbruchstücke an der Oberfläche. Vor allem in Ortsnähe kann das bei Bürgern auf Unverständnis stoßen. Deshalb ist es sinnvoll, auffällige Fremdkörper zum Schluss abzusammeln. Wenn der Weg länger im Gebrauch ist, weht Boden an und zwischen den Fahrspuren wächst Gras. Dann fällt RC-Material kaum noch auf.


Und im Zweifel ist es besser, der Bevölkerung die Maßnahme und die damit verbundenen Einsparungen zu erklären. Ein für Landwirte nicht ganz unangenehmer Nebeneffekt: Die rückgebauten Schotterstraßen sind am Wochenende deutlich verkehrsberuhigt – Radfahrer sind lieber auf Asphalt unterwegs.


Wichtige Pflege:

Die Pflege der rückgebauten Wege bleibt wichtig. Vor allem müssen die Banketten regelmäßig abgefräst werden. Die Kosten dafür liegen bei ca. 25 ct pro lfd. m. Je nach Belastung kann auch eine tiefergehende Bearbeitung mit der Pflegefräse notwendig sein. Hans Josef Brock rechnet damit, dass diese Maßnahmen alle fünf bis zehn Jahre nötig sind.


Wie geht es weiter in Nörvenich? Sobald es die Witterung zulässt, will die Gemeinde die beiden Teststraßen öffnen. Bauamtsleiter Strack wird sich dann ansehen, wie sich deren Zustand entwickelt. Derweil sind weitere Maßnahmen geplant. Die Nörvenicher haben zwei Asphalt- und drei Schotterwege zum Fräsen ausgemacht. Parallel werden sie ihr bewährtes Verfahren auf den Wegen mit Fahrspuren fortsetzen.


Zusammen mit dem Bauamt entscheiden die Landwirte, welche Maßnahme zum jeweiligen Weg passt. Denn eines ist sicher: Für die klassische Sanierung von Asphaltstraßen mit neuer Schwarzdecke stehen kaum noch Mittel zur Verfügung. Die Haushaltslage bleibt auch in Nörvenich angespannt.Guido Höner

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