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Bestes Grünlandunter dem Meeresspiegel

Lesezeit: 11 Minuten

Wie führt man ertragreiches Grünland auf Polderböden, die bis zu 6 m unter Normalnull liegen? Welche Anforderungen stellen diese Standorte an die Technik? Fünf Teilnehmer von Jugend trifft Landtechnik waren in den Niederlanden unterwegs.


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Eine Motorjacht fährt fast in Augenhöhe vorbei, als wir uns die Grünlandflächen von Landwirt Minne Holtrop in Friesland ansehen. Seine Mähweiden liegen bis zu zwei Meter unter dem Level des benachbarten Kanals. Und der ganze Betrieb befindet sich sogar stattliche 3 bis 4 m unter dem Meeresspiegel! Das ist keine Seltenheit hier im Nordwesten der Niederlande.


Die Region ist für besonders gepflegte und ertragreiche Grünlandbestände bekannt. Wie machen die Bauern das und welche Besonderheiten bringt diese weltweit fast einzigartige Lage mit sich? Welche Maschinen setzen die Praktiker ein und welche Erträge erwirtschaften sie? Fünf Teilnehmer unserer Aktion Jugend trifft Landtechnik haben sich in Richtung Küste aufgemacht. Zusammen mit Fachleuten des Kuhn-Stand-orts im niederländischen Geldrop haben sie die großen Poldergebiete der Niederlande besucht und mit Praktikern vor Ort gesprochen. Dabei ging es vor allem um diese Besonderheiten:


  • Hoher Wasserstand und trotzdem Wassermangel in trockenen Sommern.
  • Schwere Böden mit geringer Tragfähigkeit bei Nässe.
  • Sinkende Humusgehalte, verklebender Boden, schwer zu bearbeiten.
  • Bodensackungen.
  • Konkurrenz Landwirtschaft und Natur- bzw. Hochwasserschutz.


Wichtige Polderflächen:

Rund 95% aller europäischen Polderflächen liegen in den Niederlanden. Hier machen die Neulandgebiete ca. 5% der Landesfläche aus. Polder sind Landflächen, die dem Meer abgetrotzt wurden und bis heute überwiegend landwirtschaftlich genutzt werden – was alles andere als einfach ist.


Weite Teile der Polder liegen 4 bis 5 m unter dem Meeresspiegel (NN), den Tiefenrekord hält der Prins-Alexander-Polder mit ganzen 6,7 m unter NN! Der ebenfalls von uns besuchte Betrieb der Familie Buter in Lutjewinkel befindet sich mit seinen 190 ha und 230 Kühen im Schnitt 6 m unter NN. Das Ganze geht nur durch ein ganz ausgefeiltes System zum Wassermanagement und durch riesige Pump- bzw. Schöpfwerke, die das Wasser schließlich nach „oben“ ins Meer fördern. Übrigens würden die Niederlande ihrem Namen auch ohne die Polder gerecht werden: Rund 1/4 der gesamten Fläche befindet sich unterhalb des Meeresspiegels, und gäbe es keinen Küstenschutz bzw. Deiche, stünde bei Hochwasser rund 1/3 unter Wasser. Auch die Städte Amsterdam und Rotterdam.


Die Landgewinnung begann bereits seit 1300, aber die größten Flächen befinden sich im Bereich der ehemaligen Zuiderzee, dem heutigen Ijsselmeer. Unter Federführung des Wasserbauingenieurs Cornelis Lely wurde die 5000 km2 große, flache Bucht mit dem 30 km langen Abschlussdeich von der Nordsee abgetrennt und Schritt für Schritt trockengelegt. So entstanden bis 1968 vier von fünf ursprünglich geplanten Polderflächen mit einer Gesamtgröße von 165000 ha. Je nach Lage und Alter der Polder werden zwischen 50 und 87% landwirtschaftlich genutzt. Und dem Ingenieur Lely hat man mit der Retortenstadt Lelystad ein Denkmal gesetzt. In Lelystad betreibt die Agrar-Fakultät der Uni Wageningen übrigens ihr Versuchsgut.


Bis heute dreht sich bei den Poldern alles ums Wasser – danach müssen sich auch die Landwirte richten. Alle Flächen sind dräniert. Die Dränagen führen das (Regen-)Wasser in kleinere Gräben ab (Sloten). Von dort wird es in höher liegende Kanäle gepumpt (Kanaal), die in Flüsse und schließlich ins Meer münden. Die Landwirte stehen in der Pflicht, die Gräben und Kanäle zu pflegen und den Bewuchs kurz zu halten. Dazu sind sie in der Waterschap organisiert. Regelmäßig gibt es in jedem Oktober Rundgänge, um den ordnungsgemäßen Zustand der Entwässerung zu prüfen. Wer seine Pflichten schleifen lässt, muss Strafen zahlen.


Auch die Flüsse liegen mittlerweile 2 bis 4 m höher als das umgebende Land: Durch das frühe Eindeichen haben die Gewässer die mitgeführten Sedimente innerhalb der engen Deichgrenzen abgelagert, die Deiche mussten mitwachsen.


Neben den Sturmfluten bedrohen Flusshochwasser das Land. Um die Gefahr etwas zu bannen, wurden entlang der Flüsse in den letzten Jahren Überflutungsgebiete – sogenannte Flutpolder – ausgewiesen. Davon sind oft sehr gute landwirtschaftliche Flächen betroffen.


Teils drückt auch das Wasser aus den hoch liegenden Kanälen auf die tiefer liegenden Flächen. Minne Holtrop zeigt uns einen Bereich, in dem Flusswasser wie bei einer Quelle austritt.


Trockenheit im Sommer:

Der hohe Wasserstand bedeutet nicht automatisch, dass es keine Probleme mit Trockenheit gäbe. Denn die süßwasserführende Schicht ist nicht besonders mächtig. Sinkt der Pegel bei Trockenheit oder durch Entnahme von Beregnungswasser, kann das unter dem Süßwasser liegende Brackwasser nach oben steigen. Es droht die Versalzung, denn Brackwasser enthält bis zu 1% Salz. Die Landwirte müssen also peinlich genau auf den passenden Grundwasserstand achten. Teils kann man durch das gezielte Umleiten von Wasser aus den Flüssen in die Gräben den Boden durch die Dränagestränge auf umgekehrten Weg versorgen. Ein Praktiker berichtet uns, dass es dafür spezielle Apps gibt, die frühzeitig vor drohender Trockenheit warnen.


Auch die Böden sind sehr speziell: Es sind Niedermoorlagen und Sedimentböden mit hohem Feinanteil. Vor allem in den Innenbereichen der Gebiete ist der Sandanteil sehr gering sowie der Ton- und Schluffanteil hoch.


Experten wie Herman Krebbers vom niederländischen Beratungsdienst Delphy schätzen, dass etwa die Hälfte der Polderböden beackert wird, die anderen Flächen sind Grünland. Teils werden die Grünlandflächen nach einigen Jahren gebrochen und für ein Jahr an einen Kartoffelanbauer oder für den Anbau von Blumenzwiebeln verpachtet. Hier arbeiten Viehhalter und Ackerbauern oft sehr gut zusammen. Für ein Jahr Kartoffelanbau erhalten die Bauern etwa 1700 €/ha Pacht. Beim Anbau von Tulpenzwiebeln liegt der Preis bei bis zu 3000 € – wegen der Ernteverfahren sind dann aber große Bodenschäden möglich. Manche Standorte bleiben reine Grünlandstandorte. Auf den sehr schweren Böden ist kaum Ackerbau möglich.


Durch den Wasserentzug senken sich die Polder. So fallen die Seeklei-Flächen im Ijsselmeer förmlich zusammen. Experten schätzen, dass sich das Land hier bis zum Jahr 2050 um weitere 70 cm absenkt. Durch den Wasserentzug und die Bearbeitung sinkt auch der Humusgehalt. Die Folge: Der Boden wird immer klebriger und noch schwerer zu bearbeiten. Teils versuchen die Betriebe, zumindest die geackerten Polderböden massiv aufzukalken, um die Struktur zu verbessern. Auch der Anbau von Zwischenfrüchten sowie weiter gestellte Fruchtfolgen werden populärer.


Grünland verarmt:

Selbst die Grün-landstandorte verarmen. Unter anderem auch, weil durch die strengen Nährstoffgesetze der Niederlande, die v.a. das Phosphat betreffen, nicht ausreichend gedüngt werden darf. Minne Holtrop plant seine Düngergaben deshalb zuerst nach dem P-Bedarf.


Durch die Sackungen werden die Flächen zunehmend uneben. Deshalb planieren die Polderbauern ihre Flächen in regelmäßigen Abständen – z.B. alle zehn Jahre. Oft entscheiden sich die Betriebe zu der Maßnahme, wenn sie die Fläche ohnehin für ein Jahr einem Kartoffel- oder Zwiebelanbauer überlassen.


Die laser- oder GPS-gesteuerten Planiergeräte der Lohnunternehmer schaffen eine Art dachförmiges Profil auf den Flächen, das zu den Gräben oder schmalen Grüppen (gefräste Rinnen) hin abfällt. So fließt ein Teil des Regenwassers oberflächig ab. Was oft sehr wichtig ist, denn die Dränagen sind auf einigen Polderflächen nicht mehr richtig intakt, wie Berater Herman Krebbers festgestellt hat. Vor allem die ungeleichmäßigen Sackungen der Flächen machen den Drainagen zu schaffen.


An einigen Stellen lassen sich die Wasserstände in den Dränagen und Gräben nur noch schwer aufeinander abstimmen. Dadurch vernässen diese Bereiche und es kommt zu weiteren Bodenverdichtungen beim Befahren. Der Strukturwandel lässt die Maschinengewichte steigen. Die Achslasten sind zwar auf 10 t begrenzt – kontrolliert wird das aber kaum. Auch können größere Betriebe oft nicht warten, bis die Flächen problemlos befahrbar sind.


Gutes Grünland:

Polderflächen sind optimale Grünlandstandorte und werden deshalb intensiv genutzt. Die von uns besuchten Landwirte schaffen im Jahr zwischen 5 bis 6 Schnitte. Sie legen sehr großen Wert auf optimale Bodenführung ihrer Mähwerke und schneiden nicht zu tief. Ein früher und kräftiger Wiederaustrieb der Gräser ist wichtig. Die Erträge bewegen sich zwischen 12 und 17 t TS/ha und Jahr.


Die häufigste Grasart ist Englisches Raigras (Deutsches Weidelgras). Dazu kommt zunehmend Italienisches Rai-gras. Die Betriebe versuchen auch, den Kleeanteil zu erhöhen, was allerdings nicht immer langfristig klappt.


Beim Mähen gibt es teils Probleme mit dem klebrigen Boden: Er schiebt sich vor dem Mähbalken oder an den Kufen von Scheibenmähern schnell auf. Deshalb entscheiden sich die Betriebe auf den Poldern gerne für Trommelmäher, die große Gleitteller und keinen durchgehenden Mähbalken haben.


Vor dem Betrieb der Familie Buter hatten die Teilnehmer von Jugend trifft Landtechnik die dichte Grasnarbe begutachtet. Welche Pflegemaßnahmen und Maschinen braucht es für solche Bestände, wollten sie wissen. Viel investieren die von uns befragten Profis nicht in die Frühjahrspflege. Die angepasste Nutzung und das unbedingte Vermeiden von Narbenschäden ist für sie Schlüssel zum Erfolg. Nur in letzter Zeit hat es in der Gegend von Minne Holtrop Mäuseprobleme gegeben, sodass er größere Flächen nachsäen musste. Wenn es Probleme mit unerwünschten Pflanzen gibt, dann vor allem mit Einjähriger Rispe und mit Quecke. Teils tritt auch Ampfer auf. Bei den Polderbetrieben, die ihre Flächen in Abständen an Ackerbauern verpachten, lassen sich Problemunkräuter besser bekämpfen.


Gülle nur bodennah:

Die Gülle wird ausschließlich bodennah ausgebracht – so verlangt es das Gesetz. Während sie auf den meisten Standorten zwingend mit Schlitzgeräten ausgebracht werden muss, sind auf Polderflächen auch Schleppschuhe noch erlaubt. Einige Praktiker finden das gut: „Das ganze Jahr wollen wir Narbenschäden mit allen Mitteln verhindern, um dann beim Ausbringen der Gülle alle 15 cm einen Schlitz zu machen – das gefällt mir überhaupt nicht!“, sagt einer.


Die schlechte Befahrbarkeit ist auch bei der Gülleausbringung ein wichtiges Thema. Ab dem 15. Februar darf Gülle gedüngt werden. Vor allem im Frühjahr lassen sich die meisten Flächen kaum mit einem Tanker befahren. Deshalb bieten viele Lohnunternehmer das Schlauchverfahren an: Leichte Traktoren ziehen nur einen Verteiler hinter sich her, die Gülle wird durch eine Schlauchleitung vom Container am Rand zum Verteiler gepumpt.


Der Weidegang der Kühe gehört zum Bild in den Poldern. Herman Krebbers schätzt, dass 60 bis 70% der Grasflächen in den Poldern beweidet werden. Molkereien wie FrieslandCampina fördern Weidegang mit einem Preisaufschlag. Für die Vergütung von 1 ct/l müssen die Kühe mindestens 120 Tage im Jahr raus. Doch richtig gut funktioniert das nur auf arrondierten Betrieben mit befestigten Treibwegen wie bei Minne Holtrop. Bei Familie Buter liegen 85 ha Grünland direkt am Hof, bei Holtrop 100 ha.


Frisches Gras im Stall:

Doch bei nassem Wetter sind auf den wenig tragfähigen Böden Narbenschäden vorprogrammiert. Immer mehr Praktiker entscheiden sich deshalb, bei kritischem Wetter die Kühe lieber im Stall zu lassen. Auch haben wachsende Betriebe Schwierigkeiten, den Weidegang ihrer Herden noch zu managen. Minne Holtrop will seine Tiere künftig nachts nicht mehr auf die Weide schicken. Sie bekommen dann im Stall frisches Gras. Dort erlebt eine schon lange bekannte Lösung Renaissance: der im Front angebaute Trommelmäher mit angehängtem Ladewagen. Im Polder wandern mittlerweile 10 bis 12% der gesamten Menge als Frischgras direkt auf den Futtertisch.


Minne Holtrop hat dazu in einen Ladewagen investiert, den er gleich mehrfach nutzen will: Neben dem Vorlegen des frischen Grases soll der Kurzschnittwagen bei der Grassilageernte laufen und gleichzeitig als Futterverteilwagen eingesetzt werden. Seit Mitte 2015 probiert er diese Nutzung aus: „Ich kann sogar oben auf das frische Gras eine Schicht Maissilage geben und das Ganze einigermaßen gemischt vorlegen – die Kühe mögen das.“ Der Wagen ist dazu mit Wiegezellen ausgestattet.


Die meiste Grassilage wird auch in den Poldergebieten per Feldhäcksler geerntet. Doch in einigen Gegenden gibt es wegen des sehr schweren Bodens nur wenig Maisanbau und damit auch kaum Häcksler. Hier ist der Ladewagen die Nummer eins. Die Praktiker setzen Wagen mit möglichst großer Bereifung ein, um den Boden zu schonen. In den Niederlanden gibt es kleine Firmen, die als Nachrüstung für Ladewagen mit Tandemachse Achtradfahrwerke anbieten. Neben Häcksler und Ladewagen hat die Ballensilage große Bedeutung. Sie passt vor allem auf die sehr schlecht befahrbaren Standorte. Einige Betriebe, die Wert auf sehr hohe Futterqualität legen, setzen gern auf diese Erntemethode.


So ähnlich die beiden Betriebe in ihrer Struktur auch sind. Beide setzen unterschiedliche Schwerpunkte: Familie Buter erreicht einen Herdenschnitt von 10000 l und baute bei unserem Besuch gerade einen neuen Stall. Minne Holtrop hat mit seiner Frau und einem Sohn einen Erlebnisbauernhof gegründet. Das Kuhkuscheln für Städter ist einer der wichtigsten Attraktionen der Holtrops. Die durchschnittliche Leistung liegt bei rund 8000 l, möglichst viel davon aus Gras, wie Minne Holtrop sagt. Ihn interessiert nicht in erster Linie die Leistung, sondern der Gewinn pro Kuh. Bei einer Remontierung von nur 20% scheinen die Kühe damit einverstanden zu sein.Guido Höner

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