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Digital: Netz als Engpass

Lesezeit: 7 Minuten

In loser Reihe stellen wir Betriebe vor, die sich mit der Digitalisierung beschäftigen. Familie Witte setzt an vielen Stellen auf moderne Technik. Noch bremst aber der limitierte Internetzugang die Entwicklung.


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Bei uns bestimmt das Netz, wie intensiv wir unseren Betrieb weiter digitalisieren“, sagt Patrick Witte. Mit dem Abschalten des ISDN-Netzes blieben dem Betrieb im westfälischen Rheda-Wiedenbrück, Kreis Gütersloh, zwei Kupferleitungen zum Telefonieren. Der Zugang zum Internet läuft nur per Mobilfunk, immerhin mit 4 G, aber mit begrenztem Datenvolumen. Diese Lösung ist ein Kompromiss. Gerade während der Coronakrise fiel die Verbindung zwischen 8 Uhr bis spät abends oft aus. Familie Witte hofft, dass sie 2021 Anschluss an das Glasfasernetz bekommt. Trotz dieser Bremse ist der Familienbetrieb in vielen Bereichen bereits sehr modern aufgestellt:


  • Die Fütterung der 120 Milchkühe und der Kälber übernimmt ein Fütterungsroboter von Wasserbauer. Auf den Spalten ist ein Roboter von Lely unterwegs. Außerdem setzt der Betrieb ein System zur Brunstüberwachung ein.
  • Familie Witte ist in der Putenmast aktiv: 10000 Kükenplätze und 10000 Mastplätze. In den Ställen sind unter anderem Klimacomputer im Einsatz. Der Betrieb nimmt an der Initiative Tierwohl teil.
  • Die Biogasanlage stammt aus dem Jahr 1999. Weil das EEG nach 20 Jahren ausläuft, arbeitet es auf Basis einer Nachfolgeauschreibung mit 500 kW für zwölf Stunden pro Tag.
  • Der Betrieb bewirtschaftet rund 70 ha Ackerland und 30 ha Grünland. Insgesamt verteilt sich die Fläche auf 36 Schläge, die durchschnittliche Größe ist 2,75 ha. Die Dokumentation läuft über die Ackerschlagkartei, die sich per PC und übers Handy nutzen lässt. Übers Smartphone ist eine Feldnavigation möglich, was unter anderem für die Azubis in den ersten Wochen hilfreich ist. Abgesehen vom Spurführungssystem setzen die Wittes aber bisher keine Smart-Farming-Lösungen auf dem Acker ein.
  • Der Betrieb verfügt über eine Brückenwaage. Der Speicher der Brückenwaage kann aus dem Betriebsbüro auslesen werden. Durch den internen Nummerncode (teils ausgelöst per Fernbedienung vom Schlepper aus), lassen sich die Wiegungen zuordnen.


Patrick Witte (28) ist staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt und hat zusätzlich eine abgeschlossene Ausbildung zum Elektriker, was ihm beim Umsetzen seiner Ideen zugutekommt. Er bewirtschaftet den Betrieb zusammen mit seinen Eltern Markus (50) und Annette (49). Ein Mitarbeiter, ein Azubi und ein, zwei Aushilfen unterstützen die Betriebsleiter.


Innerhalb des Betriebes läuft ein großer Teil der Kommunikation über WhatsApp. Dort haben sie mehrere Gruppen eingerichtet: Gesamter Betrieb, Strohbergekette, Besamen, Biogas-Substraterfassung oder auch Maschinen-Arbeiten. Denn der Betrieb arbeitet teils mit dem Nachbarn zusammen. Wittes übernehmen dort die Gülleausbringung, der Nachbar den Pflanzenschutz.


Die geleisteten Arbeiten halten sie dann in der WhatsApp-Gruppe fest und übertragen die Daten später in die Buchführung. Ein vollautomatisches System ist Patrick Witte noch zu aufwendig, und die WhatsApp-Lösung ist allemal besser als ein Notizbuch.


Überwachung verbessert


Im gesamten Betrieb wollen Wittes Schritt für Schritt die Überwachung und Steuerungslösungen verbessern. Alle Informationen sollen möglichst im Betriebsbüro zusammenlaufen. „Wir hoffen, dass wir so eine Menge Wege zum Nachgucken einsparen können“, sagt Patrick Witte. In den letzten Jahren haben sie deshalb Leerrohre unter dem Hof verlegt. Ziel ist ein hofinternes LAN-Netz über Glasfaserleitungen.


Digitale Systeme gibt es mittlerweile viele auf dem Betrieb, und die meisten funktionieren auch ordentlich, nur eben für sich allein und nicht vernetzt. Das erschwert den kompletten Überblick. Aber alle jetzt abschalten und auf einen Schlag in neue, kompatible Lösungen zu investieren, wäre den Wittes zu teuer. Sie wollen ihre Systeme lieber Schritt für Schritt verknüpfen.


Wichtig sind den Wittes rechtzeitige Warnungen aus den sensiblen Bereichen des Betriebes. Bisher sind dafür zwei zentrale Alarmsysteme im Einsatz, eines auf dem Stammbetrieb und ein zweites auf einem gepachteten Betrieb.


Die Alarmcomputer vom Beckumer Hersteller Alcona haben jeweils acht Eingänge, an denen man Sensoren oder auch die Alarmkontakte anderer Anlagen anschließen kann, wie z.B. des Lüftungscomputers oder des Notstromaggregats.


Der Alarmcomputer hat eine Mobilfunkkarte, eine externe Antenne und eine unabhängige Stromversorgung. Für die Alarme lassen sich relativ einfach direkt am Display des Rechners mehrere Mobilfunknummern inklusive der Wahlreihenfolge als auch SMS-Texte programmieren.


Nach anfänglichen Problemen durch Schwankungen im Mobilfunknetz (der Service konnte den Computer entsprechend darauf einstellen) funktioniert das System seit zwei Jahren gut. Einen Nachteil sieht Patrick Witte trotzdem: „Ich bekomme zwar eine Meldung aufs Handy, daraus geht aber nicht hervor, wie groß das Problem wirklich ist. Muss ich also am Wochenende sofort von der Party nach Hause oder hat die Sache noch Zeit“ Deshalb möchte der Praktiker die Überwachung weiter verbessern.


Sichere Kameras


Geplant ist ein Kamerasystem, das u.a. die Hofeinfahrt, die Brückenwaage oder den Abkalbestall abdeckt. Zwar gibt es drahtlose Systeme, doch die sind dem jungen Landwirt nicht sicher genug, unter anderem auch vor unberechtigtem Zugriff von außen. Deshalb bevorzugt er ein kabelgebundenes System, eventuell später mit zentralem, gut geschütztem Zugang über das Internet – wenn es die Datenrate irgendwann zulässt.


Die Biogasanlage überwacht er über einen VNC-Viewer. Diese Software zeigt den Bildschirminhalt des Anlagencomputers z.B. auf dem Smartphone an. Das System funktioniert über das WLAN des Betriebes.


Über den VNC-Viewer bekommt er die nötigen Informationen über Füllstände oder Gasmengen. Außerdem kann der Praktiker auch viele Anlagenfunktionen fernsteuern (Pumpen, Leistung des Kraftwerks). Trotzdem ist die Lösung nicht immer komfortabel. Es fehlt die Möglichkeit, auch von außerhalb des Betriebsnetzwerkes auf die Anlage zugreifen zu können.


Cloud bisher eingeschränkt


Im Büro versuchen die Wittes so digital wie möglich zu arbeiten. Die Buchführung läuft über das System DATEV. Bei der digitalen Ablage der Dokumente setzt der Betrieb auf das Flexkontor. Die Daten werden automatisch sowohl auf einer Festplatte (NAS-Server) als auch in einer Cloud gespeichert. Die Festplatte ist so aufgestellt, dass man sie im Notfall schnell aus dem Büro herausbekommt.


Patrick Witte fände eine reine, zertifizierte Cloudlösung eigentlich besser (z.B. über top farmplan). Doch bei der schlechten Internetanbindung bietet sich das bisher nicht an: „Wenn das Mobilfunknetz mal wieder überlastet ist, müssen wir trotzdem Zugriff auf unsere Unterlagen haben.“


Alle Betriebs-E-Mails laufen im selben Outlook-Account ein. Hier haben Patrick und seine Eltern vollen Zugriff, auch mobil. Somit sind alle drei Verantwortlichen des Betriebs auf dem gleichen Informationsstand.


Der Roboter füttert


Der neueste Automatisierungs- bzw. Digitalisierungsschritt ist der Fütterungsroboter, der seit Herbst 2019 im Einsatz ist. Vorher hatte der Betrieb einen 15 m³-Mischwagen, der etwas zu klein war und deshalb zweimal befüllt werden musste. Ein größerer Wagen hätte wieder nicht zu den Leistungsgruppen und dem Jungvieh gepasst. Die Familie entschied sich deshalb für einen Roboter-Mischwagen mit Lithium-Ionen-Akku von Wasserbauer aus Österreich. Weil die Anlage im frühen Serienstadium ist und teils auf dem Betrieb weiterentwickelt wird, waren die Konditionen für diesen Schritt wirtschaftlich interessant. Gemolken wird übrigens in einem Karussell, ein Melkroboter ist derzeit nicht geplant.


Die Fütterung arbeitet mit einem autonom fahrenden Mischwagen, der 3 m³, bzw. 700 kg TMR fasst. Künftig soll das System auch mit einer Fräse Silage entnehmen können. Bisher muss der Betrieb aber noch zwei Annahmen per Teleskoplader mit Gras und Maissilage befüllen, aus denen sich der Roboter dann selbstständig bedient. Wenn die Fräse verfügbar ist, nimmt der Hersteller die Annahmen zurück. In zwei weiteren Bunkerzellen mit Auflösewalzen lagern Stroh und Luzerne, eine weitere Förderanlage für Zuckerrübenschnitzel haben die Wittes selbst gebaut.


Der Futtermischroboter ist am Tag bis zu 19-mal auf Tour, auf mehreren Futtergängen. Damit er nicht vom Weg abkommt, haben die Techniker kleine Magnetstäbe mit 4 mm Durchmesser in den Beton eingelassen, was wirklich einfach war. Durch die geschlossenen Seiten arbeitet der Roboter gleichzeitig auch als Anschieber.


Nach einigen Updates, die auch durch Corona bedingt etwas Zeit in Anspruch genommen haben, funktioniert die Fütterung ordentlich. Die Tiere haben sich schnell an den neuen Kollegen der Familie gewöhnt. Patrick Witte schätzt, dass er heute etwa eine Dreiviertelstunde benötigt. Vor dem Roboter dauerte das 2,5 bis 3 Stunden. Manchmal werden die Effekte der Digitalisierung doch sichtbar – selbst ohne schnelles Internet.


guido.hoener@topagrar.com

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