Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Digital? Nur, wenn es sich rechnet!

Lesezeit: 10 Minuten

Für unsere Reportage haben wir drei Landwirte in Niedersachsen besucht, die seit Jahren erfolgreich zusammenarbeiten. Sie nutzen digitale Lösungen zum Management und auf dem Feld – aber mit Augenmaß.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Wenn man wissen will, wie man in der Landwirtschaft kooperiert, sollte man Ulrich Behrens, Ernst Lütje und Jochen Gaus treffen. Denn die drei Landwirte aus dem Landkreis Gifhorn in Niedersachsen arbeiten seit Jahren besonders intensiv zusammen.


Es dauert schon eine Zeit, bis man verstanden hat, wie welches Unternehmen in dem Verbund aufgestellt ist. Der Grundstein für die Gemeinschaft wurde bereits in den 80er Jahren gelegt. Damals waren fünf Familien dabei. „Wir haben hier Böden von 18 bis 55 Punkten, im Schnitt mit 40 bis 45. Dazu ist es sehr trocken. Die Betriebe hier mussten sich schon immer anpassen und die Kosten niedrig halten“, fasst Jochen Gaus die damaligen Gründe zusammen. Bis heute ist das Modell von Betriebsgemeinschaften in der Region nicht selten.


Von der ursprünglichen Gemeinschaft blieben die Familien Gaus und Lütje übrig. Der dritte Teilhaber, die Familie Behrens, kam im Jahr 2004 dazu.


Drei Gesellschaften


Im Wesentlichen gibt es heute drei Einzelgesellschaften:


  • Die Gaus-Lütje GbR seit 1992. Hier arbeiten heute Jochen Gaus und Ernst Lütje im Kartoffelanbau und vor allem der Direktvermarktung zusammen.
  • Die Ohnhorst GbR seit 2004: Diese Gesellschaft ist eine Bewirtschaftungsgesellschaft aller drei Teilhaber. Sie setzt die gemeinschaftlichen Maschinen ein und tritt nach innen – sowie in geringerem Maße – auch nach außen als Lohnunternehmen auf. Ein- und Verkauf von Betriebsmitteln, Lagerung plus Vermarktung von Getreide sowie die PV-Anlage laufen ebenfalls über diese Gesellschaft.
  • Die Ährenwert GbR: Seit 2011 bündelt diese GbR alle Flächen der drei Familien. Die 600 ha werden komplett gemeinschaftlich bewirtschaftet. Die Schläge sind im Schnitt 6 ha groß. Neuestes Projekt der Ährenwert GbR sind übrigens 4 ha Süßkartoffeln.


Neben der Gemeinschaft haben die Betriebsleiter weitere Erwerbszweige, die sie selbst führen. So mästet Ernst Lütje Schweine und Jochen Gaus ist in der Ferkelaufzucht aktiv.


Die einzelnen Gesellschaften beschäftigen auch Mitarbeiter und Azubis. Bei Ährenwert arbeitet ein Mitarbeiter. Bei der Gaus-Lütje GbR sind es 7,5 AK plus Aushilfen. Insgesamt bietet die Gemeinschaft der Betriebe vier Ausbildungsplätze.


Ein wichtiger Vorteil der Gemeinschaft zeigt sich im Maschinenbestand: Die fünf John Deere 6155R haben die Praktiker im Paket gekauft. Alle haben die gleiche Ausstattung. Das ist nicht nur beim Aushandeln des Preises ein Vorteil. Keiner der Mitarbeiter muss sich in unterschiedliche Bedienkonzepte einfuchsen. Die Maschinen sollen gleichmäßig ausgelastet und möglichst mit 5000 Stunden umgesetzt werden.


Zwei weitere Traktoren (John Deere 8400R und 6250R) für die schwere Bodenbearbeitung und die Bestellung teilt sich die Ährenwert GbR überdies mit dem Rittergut Martinsbüttel. Der Besitzer Phillip von Lucke ist quasi das vierte Mitglied der Maschinengemeinschaft. Auch die 6 m-Väderstad Rapid läuft zu 50% auf dem Rittergut, ein weiterer Grubber zu 42% der Einsätze.


Wie kommen sich drei engagierte Betriebsleiter nicht in die Quere? Das haben die drei Landwirte, die sich schon aus Kindertagen kennen, durch eine konsequente Aufgabenteilung gelöst. Jeder verantwortet den Betriebsteil, der ihm am besten liegt.


Ulrich Behrens kümmert sich um den Ackerbau mit Düngung sowie Pflanzenschutz. Außerdem gehören Ein- und Verkauf zu seinen Aufgabenbereichen. Ernst Lütje ist für alles rund um die Kartoffel zuständig. Das Büro inklusive der Buchführung und der Aufbereitung von Daten liegt in der Verantwortung von Jochen Gaus. Diese drei Aufgabengebiete haben sich nach den Neigungen der Landwirte fast automatisch ergeben. „Weil wir so unterschiedlich sind, ergänzen wir uns gut“, fasst Ernst Lütje zusammen. Alle drei geben aber auch zu, dass sie nicht immer einer Meinung sind.


Digitale Hilfen im Betrieb


Der gemeinschaftliche Betrieb setzt an verschiedenen Stellen digitale Lösungen ein, über die wir im weiteren Verlauf des Besuchs diskutiert haben:


  • Dokumentationen und Abrechnung aller Arbeiten über den Agrarmonitor des Anbieters betriko.
  • GPS-Technik zum Lenken und Schalten auf dem Acker – aber keine Applikationskarten.
  • Das Programm raindancer zum Managen der zwölf Beregnungsanlagen.
  • Systeme von NLB und top farmplan im Büro.
  • WhatsApp zur Einsatzplanung und für die schnelle Kommunikation innerhalb der unterschiedlichen Betriebsteile.


Ganz wichtig ist allen drei Landwirten, dass die Systeme möglichst einfach einzusetzen sind. „Auch die Lehrlinge sollen schnell mit den jeweiligen Anwendungen klarkommen,“ findet Ernst Lütje. Teils hat der Betrieb zusammen mit den unterschiedlichen Anbietern sogar eigene Ideen in die Entwicklung eingebracht. Vertrauen ist zwar gut. Damit es aber langfristig rundläuft, ist den drei Teilhabern wichtig, dass alle Prozesse genau dokumentiert werden. Das übernimmt der Agrarmonitor.


Das System kommt ursprünglich aus dem Lohnunternehmerbereich, eignet sich aber auch gut für Betriebe mit höherem Orgabedarf. Die Software ist in allen Gesellschaften 2014 im Einsatz und ersetzt die ungeliebten Notizzettel. Sie erfasst alle Arbeits- und Maschinenzeiten. Dazu sind auf den Traktoren oder im Stall Tablets im Einsatz. Die Mitarbeiter können sich aber auch per Handy einloggen.


Weil die Mitarbeiter zudem in anderen Unternehmensteilen tätig sind, ist die genaue Erfassung wichtig. Natürlich dokumentieren die drei Chefs ihre Einsatzzeiten genauso. Die Abrechnung der gemeinschaftlichen Maschinen intern und mit dem Rittergut ist über das System kein Problem. Es kann auch Rechnungen generieren.


In dem System sind alle Maschinen hinterlegt. Beginnt der Fahrer eine Tätigkeit mit der Zugmaschine, legt er einen Auftrag an und tippt ein, mit welchem Gespann er unterwegs ist. Auch Angaben z.B. zum ausgebrachten Mittel sind möglich. Mittlerweile ist auch eine automatische Erkennung von Maschine und Gerät möglich. Ährenwert hält diese Option für den Betrieb aber nicht unbedingt für notwendig.


Nach Abschluss der Arbeit schließt der Fahrer den Auftrag, unter anderem mit der Angabe der bearbeiteten Fläche.


Das GPS der Tablets dient dabei nur der Nachvollziehbarkeit des Auftrags (Kontrolle des Spurverlaufs). Da bisher nicht alle Daten automatisch generiert werden können, muss der Fahrer nach beenden eines Schlags zumindest die bearbeitete Fläche und evtl. auch die tatsächlichen Ausbringmengen eintragen. Das System erinnert nach Verlassend des Schlags daran. Das Ganze geht aber fix mit nur wenigen Klicks.


Es gibt zwar weitere Ausbaustufen, die z.B. Daten vom Traktor nutzen, aber den Betriebsleitern reicht derzeit das Basisangebot aus.


Direkt in die Schlagkartei


Aus den Daten lässt sich die Schlagkartei pflegen. Sie erlauben außerdem eine genaue Auswertung der Maschinenkosten aus verschiedenen Blickwinkeln. Nach jedem Arbeitswechsel dokumentiert der Fahrer die Stunden und tankt auf. Aus der Literangabe und den Betriebsstunden lassen sich recht genau Durchschnittsverbräuche für die Arbeiten errechnen. Auch hier gibt es mittlerweile eine Weiterentwicklung, bei der die Verbrauchsdaten vom Schlepper automatisch ans System geliefert werden. Das ist eine interessante Möglichkeit, findet Jochen Gaus. Er hat sich tief in das Programm eingearbeitet: „Wir können mit dem System eine genaue Deckungsbeitragsrechnung für die Schläge und jede Kultur durchführen.“


Ein weiterer Vorteil des Agrarmonitors ist die Dispo für die Mitarbeiter im Ackerbau, die Ulrich Behrens übernimmt: „Ich kann die Schläge, die Reihenfolge der Bearbeitung, die Maschinen und die Mittel vorgeben. Außerdem sind Notizen möglich.“ Der Datenabgleich läuft per Mobilfunk.


Vor einiger Zeit hat der Betrieb auch Strichcodes an Kartoffelkisten für Rückverfolgbarkeit eingesetzt, die sich per Bluetooth-Scanner auslesen ließen. In der Ernte hat sich das aber als viel zu umständlich herausgestellt. Heute hängen wieder gut lesbare Zettel an den Kisten – nicht alles, was möglich ist, ist auch praktisch.


Alle Traktoren sind für die automatische Spurführung vorbereitet. Der Betrieb setzt zwei John Deere-Antennen mit RTK und drei weitere mit dem kostenlosen, aber weniger genauen SF1-Korrektursignal ein.


Alle Antennen nehmen die Niedersachsen nachts und teils auch in den Arbeitspausen ab – sie haben schlechte Erfahrungen mit Diebstählen gemacht.


Lenken und Schalten


Die Vorteile des automatischen Lenkens sind heute keine Frage mehr: „Nachdem wir 2012 auf automatisches Lenken umgestellt hatten, ist uns aufgefallen, dass wir über Jahre 80 ha gegrubbert haben, die es gar nicht gibt.“


Das Pflanzen der Kartoffeln, das Rübendrillen und die Getreideaussaat laufen heute komplett mit RTK-Genauigkeit. Der Rauch-Streuer und die CHD-Spritze nutzen das GPS zur Teilbreitenschaltung. Derzeit arbeitet der Betrieb auch daran, sich künftig nur noch auf festen Fahrgassen zu bewegen.


Applikationskarten sind aber noch kein aktuelles Thema für die Betriebsleiter. Dabei haben sie schon 2008 erste Erfahrungen mit Ertragskarten und Bodenscans per EM38 gemacht. Doch damals fehlten praxisgerechte Programme, um die Daten weiter aufzubereiten und zu nutzen. Man entschloss sich zu einem Schnitt und noch etwas abzuwarten.


Ulrich Behrens schätzt, dass sie in drei bis fünf Jahren in die teilflächenspezifische Wirtschaftsweise einsteigen werden. Zuerst müssen die Systeme seiner Ansicht nach noch deutlich anwenderfreundlicher werden und einen betriebswirtschaftlich Effekt bringen.


Manchmal hakt es noch an recht simplen Stellen. Die beiden RTK-Signale waren an zwei unterschiedlichen Referenzstationen angemeldet, was den Betriebsleitern erst nicht bekannt war. Plötzlich gab es einem Unterschied von bis zu einem Meter, als die gleiche Position angefahren werden sollte. Mittlerweile arbeiten beide Antennen mit derselben Station.


Und regelmäßig gibt es Probleme, wenn einzelne Geräte oder die Traktoren Isobus-Updates bekommen und plötzlich ganze Funktionen nicht mehr zu finden sind.


Beregnung planen


Sehr positive Erfahrungen mit digitalen Lösungen hat die Ährenwert GbR mit der Planung der Beregnung gemacht. Der Betrieb ist Mitglied in zwei Beregnungsverbänden. Zehn Einzugregner und zwei selbstfahrende Maschinen sind im Einsatz. Auf 16 ha Kartoffelfläche liegen außerdem Tropfschläuche.


Seit 2018 nutzt der Betrieb das Managementprogramm raindancer. Vorher waren in der Saison ständig zwei Teams mit je zwei Leuten unterwegs, um die Maschinen im Einsatz zu halten. Durch das Programm können sie heute so planen, dass es zwei Mitarbeiter schaffen.


Die Betriebsleiter schätzen die Effizienzsteigerung auf rund 30%. Außerdem lässt sich die Planung so optimieren, dass ein Umstellen nachts und am Wochenende seltener notwendig ist.


Den Beregnungsplan erstellt Jochen Gaus im Büro. Daraus geht hervor, wann welche Maschine wo eingesetzt wird. Er nutzt dazu auch die Wetterdaten der Station des Verbandes. Diese ist allerdings nicht direkt in das Programm integriert – sie ist eher eine Entscheidungshilfe. Über eine App lässt sich die Planung per Handy abrufen. Um den Überblick zu behalten, erstellt das System außerdem eine Bedeckungskarte und dokumentiert Fläche, Menge und Zeitpunkt. Die GPS-Sektorensteuerung des Anbieters für die Kanonen setzt der Betrieb bereits auf einer der selbstfahrenden Maschinen ein.


Die Orga des Ährenwert-Büros ist ein Schwerpunkt von Jochen Gaus – aber eigentlich sind es drei Büros, denn jeder Betriebsleiter hat sein eigenes. Damit alle Gesellschafter jederzeit Einblick haben, setzt der Betrieb zum Archivieren aller Dokumente auf den Cloud-basierten Aktenschrank von top farmplan (der Anbieter gehört wie top agrar zum Landwirtschaftsverlag). Wichtig ist Jochen Gaus, dass die Belege nur einmal erfasst werden müssen und sich dann einfach weiterverarbeiten lassen.


Belege in der Cloud


Bisher erfasst der Betrieb alle Belege mit der Buchführungssoftware von NLB, die aber nur auf lokalen Datenträgern speichert. Von dort gehen sie zum Steuerberater und werden schließlich in der Cloud von top farmplan abgelegt. Künftig – wenn die Schnittstellen zuverlässig funktionieren – will Jochen Gaus das System so umstellen, dass top farmplan den Anfang macht und alle Dokumente auch für den Steuerberater über die Cloud zugänglich sind, je nach zugeteilter Berechtigung.


Trotz aller Datenprogramme und Tabletts: Die Kommunikation innerhalb des Betriebes wickeln die drei Betriebsleiter per WhatsApp ab. Dazu gibt es passend zu den unterschiedlichen Aufgabengebieten jeweils Gruppen: Kartoffeln, Greenteam (Ackerbau), Azubis, Betriebsleiter usw. Über diese Gruppen verschicken die Chefs jeden Abend Aufgabenlisten für den nächsten Tag. Ernst Lütje hat sich dazu eine sehr einfache Lösung einfallen lassen: „Ich tippe die Listen am PC und mache einfach ein Foto vom Ausdruck. Das ist vielleicht nicht sehr elegant, aber für mich der schnellste Weg.“ Es muss also nicht immer ein komplett ausgefeiltes System sein. Es passt zu Strategie von Ährenwert: Gerne digital, aber nur wenn es einfach und wirtschaftlich ist.


guido.hoener@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.