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Leichter, genauer, fahrerlos?

Lesezeit: 8 Minuten

Ein Sechsmann-Unternehmen aus den Niederlanden meint es ernst und will mit Robotern ackern. Wir haben uns das Konzept erklären lassen.


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Sieht so die Zukunft auf dem Acker aus? Eine kompakte Raupe zieht einen Standardgrubber Bahn für Bahn übers Feld. Präzise und ohne Fahrer an Bord.


„Wir glauben, dass die klassische Landtechnik bei uns in Europa an ihre Grenzen stößt: Straßenabmessungen, Gewichte, Achslasten. Außerdem wird es immer schwieriger werden, Fahrer zu finden“, sagt Philipp Kamps. Er ist verantwortlich fürs Marketing beim niederländischen Start-Up AgXeed, das gerade am zweiten Prototypen des Roboters arbeitet.


Hinter dem Start-Up stehen keine Studenten, die sich nach dem Examen mit einer fixen Idee selbstständig gemacht haben. Vielmehr wollen es gestandene Landtechniker noch einmal wissen: Die heute sechs Mitglieder des Teams verfügen über reichlich Erfahrung in der Branche, unter anderem bei Lely, Lemken, John Deere oder Agco. Sie sind Überzeugungstäter und glauben, dass smarte Technik die mitteleuropäischen Familienbetriebe in Zukunft wettbewerbsfähig halten kann.


Ihr Unternehmen finanziert sich bisher zu 10% aus Eigenkapital, 30% stammen aus Fördermitteln und 60% von privaten Investoren. Das sind aktuell keine Großunternehmen und keine Firmen aus der Landtechnik – das ist Philipp Kamps und den anderen wichtig.


Roboter und Software


AgXeed möchte nicht nur den Roboter aufs Feld bringen, sondern auch die Peripherie um ihn herum, wie z.B. eine intelligente Einsatzplanung.


Kann eine junge Firma mit sechs Leuten eine ganze Branche aufrollen? Und das, wo schon große Landtechnik-Mittelständler bei der Elektronik an ihre Grenzen stoßen?


Die Macher von AgXeed verstehen sich eher als Architekten – sie entwickeln die Ideen, Konzepte und Pläne. Beim Umsetzen arbeiten sie mit spezialisierten Firmen zusammen. Das sind unter anderem namhafte Unternehmen aus dem Automobilbereich und auch Spezialisten in der Robotik.


Der AgBot genannte Roboter ist die erste sichtbare Säule des Konzepts. Sein Einsatzspektrum soll sich im Bereich eines aktuellen 150 bis 200 PS-Radtraktors bewegen. Damit positioniert sich das Unternehmen bewusst zwischen den Kleinrobotern, die in Schwärmen arbeiten, und autonomen Großtraktoren, die z.B. von CNH vorgestellt wurden.


Die Gründer setzten sich feste Grenzen bei ihrem Fahrzeug: Es soll leicht und kompakt sein. Das aktuelle Modell wiegt 6 t. Das nächste soll noch etwas leichter sein, Ziel ist ein Gewicht zwischen 4,5 und 5 t. Die Entwickler haben sich beim Bodendruck eine Obergrenze von 0,15 kg/cm2 leer und inklusive der Anbaugeräte von 0,5 kg/cm2 vorgenommen.


Die Länge ist auf 2,55 m limitiert – das hat einen besonderen Grund, der beim Straßentransport zur Geltung kommt. Denn hier denken die Macher an eine integrierte Lösung: Der AgBot steht dann quer zur Fahrtrichtung, die Arbeitsgeräte sind über den Roboter hochgeschwenkt. Über eine Deichsel an der einen und Transporträder an der anderen Seite kann der AgBot jetzt von einem Traktor zum nächsten Feld gezogen werden. Ein Tieflader ist nicht notwendig. Durch das Hochschwenken lassen sich so auch starre Anbaugeräte mit mehr als 3 m Arbeitsbreite transportieren.


Bisher existiert die Lösung nur als Zeichnung. Doch ein schnelles und unkompliziertes Umsetzen von Feld zu Feld wird existenziell für den möglichen Erfolg des Projekts sein.


Mit Diesel und Strom


Der AgXeed-Roboter ähnelt etwas der Studie, die John Deere auf der letzten Agritechnica gezeigt hat – allerdings als vollelektrisches Konzept mit einer Batterie. Der AgBot hat dagegen bewusst einen 115 kW (156 PS) Vierzylinder-Diesel von Deutz. Der Diesel soll deutlich längere Einsatzzeiten ermöglichen als ein Akku.


Der komplette Antriebsstrang hinter dem Triebwerk arbeitet elektrisch – bis auf die Hydraulikpumpe, die direkt angeflanscht ist. Die Entwickler versprechen sich von der dieselelektrischen Lösung eine höhere Effizienz als bei mechanischen oder hydraulischen Antriebssträngen. In der Praxis arbeitet die Maschine mit 0,1 bis 15 km/h. Die Raupenlaufwerke sind speziell auf dieses Fahrzeug abgestimmt.


Der Prototyp hat klassische Dreipunkt-​Kraftheber. Laut Hersteller sollen sie im Heck bis zu 8 und vorne bis zu 3 t stemmen. Die passende „Schnittstelle“ zu Standard-Anbaugeräten ist den Machern von AgXeed sehr wichtig. So können spätere Kunden die vorhandenen Geräte weiter einsetzen.


Auch die Zapfwelle dreht sich elektrisch (bis 100 kW/136 PS nutzbare Leistung). Das System ist so aufgebaut, dass der Roboter auch Antriebe bis zu dieser Leistung direkt auf einem Anbaugerät mit Strom versorgen kann. So laufen in den Niederlanden gerade Tests mit einer elektrischen Spatenmaschine. Dabei muss das Konzept beweisen, ob es mit einer mechanischen Zapfwelle mithalten kann. ▶


Modularer Aufbau


Die gesamte Maschine ist modular aufgebaut. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen möchten die Entwickler offen sein für andere Antriebsformen (Wechselakku, Wasserstoff-​Brennstoffzelle) und Fahrwerkskonzepte (schmale, breite Raupen, Radfahrwerke). Die Spur der Fahrzeuge lässt sich stufenlos bis 3,20 m verstellen.


Neben dem kompletten AgBot wollen die Gründer außerdem anderen Firmen Antriebsmodule anbieten, die diese dann für selbstfahrende Maschinen nutzen (z.B. Pressen oder Roder). Und über das Modulkonzept sollen sich Reparaturen anders organisieren lassen. Durch Schnellverschlüsse und Steckverbindungen soll auch der Landwirt bei einem Defekt die Baugruppe einfach gegen ein Austauschmodul auswechseln können. Die eigentliche Reparatur des Moduls läuft dann an einem anderen Ort.


Ein Lidar überwacht die Umgebung. Das funktioniert in etwa wie ein Radar, allerdings mit Laserstrahlen. Das Lidar kann optisch Geschwindigkeiten und Abstände messen. Nähern sich Hindernisse oder Menschen bzw. Tiere, fährt der Roboter zunächst langsamer und kommt dann zum Stillstand. Eine LED-Leiste im oberen Bereich zeigt nach dem Ampelsystem die Sicherheitslage rund um die Maschine an.


Auf dem Feld muss der Landwirt den Roboter per Fernbedienung einmalig aktivieren und das Gerät einsetzen. Über die Bedieneinheit lassen sich aber auch die Einstellungen, die vorher am Online-​Planungs-Programm gemacht wurden, auf die aktuellen Gegebenheiten anpassen, also z.B. die Bearbeitungstiefe.


Auftrag über die Cloud


Über das cloudbasierte Portal läuft die komplette Einsatzplanung. Dazu müssen Feldgrenzen und Hindernisse zunächst einmal sehr genau erfasst werden. Nach den Ideen von AgXeed könnte das ein vom Unternehmen zertifizierter Dienstleister übernehmen.


Das Portal bietet eine optimierte Spurplanung an – also in welchem Muster sollte die Maschine übers Feld fahren, um möglichst effizient zu sein? Umdrehen und das Ackern des Vorgewendes sind inklusiv. Über das Portal kann der Nutzer auch die Arbeit des Roboters verfolgen oder Updates übertragen.


Über die Cloud erhält der AgBot seinen Arbeitsauftrag bzw. Task mit allen wichtigen Daten. Bei der Arbeit navigiert das Fahrzeug dann auch ohne Verbindung mit der Cloud über ein RTK-​Lenksystem. Voraussetzung dafür ist ein stabiles Mobile-RTK-Signal. Das könnte bei derzeitiger Netzabdeckung in Deutschland anspruchsvoll sein. Deshalb soll künftig auch das Korrektursignal per Satellit kommen.


Eine permanente Verbindung zur Cloud ist notwendig, wenn während der Arbeit auf den Roboter zugegriffen werden soll, z.B., um per Kamera das Arbeitsergebnis zu kontrollieren.


Wenn in einem Feld mehrere Roboter arbeiten sollen, ohne sich dabei in die Quere zu kommen, gibt es zwei Ideen: Entweder plant die Software den Einsatz des Schwarms komplett vorab und schickt jedem Roboter einen individuellen Arbeitsauftrag. Oder die Koordination läuft online während der Arbeit über die Cloud. Das wäre auch der Fall, wenn parallel ein Schlepper mit Fahrer auf dem Acker im Einsatz ist. Der würde dann spezielle Stellen bearbeiten, wie z.B. Lagergetreide oder Wildschäden. Oder der Roboter arbeitet vor (Pflügen oder Saatbettbereitung) und der Schlepper mit dem Fahrer an Bord übernimmt die anspruchsvollere Arbeit, wie z.B. das Säen.


Der Standardschlepper könnte über das Portal ebenfalls weitgehend autonom fahren. Das will AgXeed über die Isobus-Funktion TIM lösen (Gerät steuert Traktor).


Eingreifen per Kamera


Bei der Arbeit orientiert sich das System nur an den vorher eingemessenen Feldgrenzen und Hindernissen. Wenn ein unerwartetes Hindernis (z.B. ein zwischenzeitlich abgekippter Misthaufen) auftritt, stoppt der AgBot. Er erkennt das Hinderniss zwar, kann ihm aber nicht aktiv ausweichen. Dann wird der „Operator“ von der Maschine alarmiert. Er greift dann – abhängig vom Vorfall – kameragesteuert oder vor Ort ein. Wenn sich ein Hindernis wieder entfernt, z.B. ein neugieriger Spaziergänger, setzt der Roboter seine Arbeit fort, sobald „die Luft rein ist“.


Seine Arbeitsqualität kann die Maschine nicht selbst bewerten. Philipp Kamps benennt deshalb als nächsten Entwicklungsschritt: Eine intelligente Kamerasoftware mit Bilderkennung.


Die Ziele von AgXeed sind ehrgeizig. Schon im nächsten Jahr wollen die Gründer zehn Vorserienmodelle auf den Acker bringen und mit ihrer Plattform online sein. Dazu suchen sie derzeit aufgeschlossene Testbetriebe – auch in Deutschland. Ebenfalls arbeitet das Team an einem Vermarktungskonzept. Dabei können sie sich z.B. die Zusammenarbeit mit einem Serviceunternehmen vorstellen, das die Geräte bei Landwirten einsetzt.


Unter dem Strich ist das Ganze ein spannendes Projekt – wenn auch mit einer ganzen Reihe offener Fragen, wie z.B. Straßentransport, Netzabdeckung und aktives Erkennen der Arbeitsqualität. Dazu kommt natürlich auch die Frage nach dem Preis – schließlich arbeitet der AgBot vollautomatisch. Dafür hat er aber kein aufwendiges Getriebe, keine Kabine oder eine Federung.


Es bleibt also noch was zu tun, obwohl das kleine Start-Up in knapp zwei Jahren beachtliches auf die Beine gestellt hat. Sobald die Maschinen auf deutschen Feldern bei Landwirten unterwegs sind, werden wir den AgBot wieder besuchen…


guido.hoener@topagrar.com

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