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Diese Herausforderungen sieht John Deere in der Landwirtschaft

Welche Herausforderungen sieht John Deere aktuell in der weltweiten Landwirtschaft – und wie könnten mögliche Lösungen aussehen? Wir sprachen mit Markwart von Pentz und Alejandro Sáyago.

Lesezeit: 9 Minuten

Welche Herausforderungen sieht John Deere aktuell in der weltweiten Landwirtschaft – und wie könnten mögliche Lösungen aussehen? Wir haben darüber mit Markwart von Pentz, dem weltweiten Chef für den Bereich Landwirtschaft und mit Alejandro Sáyago, Geschäftsführer John Deere Walldorf GmbH, diskutiert.

top agrar: Sie sagen, dass die Landwirtschaft vor einem riesigen Umbruch steht. Was sind Ihrer Ansicht die drei größten Herausforderungen?

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Alejandro Sáyago: Das ist erstens der weitere Anstieg der Weltbevölkerung. Wir müssen mehr Lebensmittel produzieren. Zweitens wird die Nachhaltigkeit immer wichtiger. Uns steht weniger Fläche zur Verfügung. Wir müssen Wasser, Dünger, Pflanzenschutzmittel einsparen. Letztlich müssen wir mehr mit weniger Ressourcen produzieren. Drittens steigen die gesetzlichen Anforderungen und Auflagen weltweit – aber auch weltweit unterschiedlich. Überall fehlt Planungssicherheit. Denn letztlich müssen auch die Farmer profitabel arbeiten können.

Markwart von Pentz: Ich glaube auch, dass die Nachhaltigkeit immer wichtiger wird. Mehr mit weniger produzieren. Dabei müssen wir die kritischen Bürger mitnehmen. Das geht, in dem wir mehr Transparenz schaffen und so das Vertrauen zurückgewinnen. Eine weitere, sehr wichtige Herausforderung ist der Klimawandel. Auch hier gilt die Landwirtschaft manchen als Problemverursacher. Dabei können Landwirte zur Lösung beitragen. Ich denke da an das CO2-Farming, als das Binden von CO2 im Boden. Es liegt in unseren Händen, das mehr in den Mittelpunkt zu stellen.

Mehr mit weniger Input erzeugen. Welche Ideen hat Ihr Unternehmen dazu?

Alejandro Sáyago: Wir glauben, dass die Digitalisierung ein Schlüssel ist. Die Technik ermöglicht es, dass wir uns künftig um jede einzelne Pflanze auf einem großen Feld kümmern können. Die Pflanze bekommt auf den Punkt genau, was sie gerade braucht. Fast so wie eine Blume im Topf auf der Fensterbank.

Wir nennen das Plant-Management: Alle Informationen zur Sorte, Saattiefe, dem Boden, der Wasserversorgung, dem aktuellen Zustand usw. sind gespeichert.

Markwart von Pentz: Die agronomische Optimierung wird immer präziser. Es fing an mit der Schlagkartei für jedes Feld. Applikationskarten haben heute oft eine Auflösung von 15 x 15 m. Technisch können wir aktuell 30 x 30 cm betrachten. Und künftig wollen wir jede Pflanze quasi individuell mit dem Löffel füttern.

Bis dahin ist es aber noch eine weite Reise, denn Sie müssen sich mit einer unglaublichen Vielzahl von Variablen auseinandersetzen. Ich vergleiche das Ganze oft mit einem Puzzle, das sich nach und nach zusammenfügt. Das erste Teil ist die Maschinen-Optimierung. Durch das GPS-Lenksystem konnten wir Überlappungen und Doppelbehandlungen verhindern. Dann kommt die Job-Optimierung. Mit der See-and-Spray-Technologie lassen sich bspw. Unkräuter gezielt treffen und ein Großteil der Mittel einsparen. Oder Sie platzieren Depotdünger auf den Zentimeter genau neben der Pflanze.

Der dritte Schritt ist die Agronomie. Kamerasysteme und andere Sensoren erkennen den Zustand der Pflanze. Eine Software wertet die Daten aus und entscheidet, was zu tun ist. Aber wie gesagt, wir stehen erst am Anfang der Entwicklung.

Glauben Sie an eine vollautomatische Landwirtschaft?

Alejandro Sáyago: Bis dahin wird es noch sehr lange dauern. Wichtig finde ich die Unterscheidung in Automation und Autonomie.

Bei der Automation ist weiter ein Fahrer an Bord. Aber die Maschine optimiert sich in einigen Bereichen selbst. Ein gutes Beispiel ist ein Mähdrescher, der sich sogar vorausschauend automatisch einstellt.

Autonome Maschinen machen alles selbst. Sie stellen sich autonom ein, reagieren auf Umgebung und Arbeitsergebnis und optimieren sich – Pflanze für Pflanze. Sie agieren eigentlich wie ein guter Fahrer.

Bei einfachen Arbeiten funktioniert das schon. Aber bis Landmaschinen wirklich autonom unterwegs sind, wird es noch dauern. Doch aktuell treibt die Automobilindustrie die Entwicklung, Sensoren und Software werden günstiger

Markwart von Pentz: Von der Automation kann der Kunde schon heute profitieren. Schaut man sich die Kosten pro t Weizen an, entfallen auf die Arbeit 10%, auf den Maschineneinsatz 10 bis 15%, aber auf die Betriebsmittel 60 bis 70%. Das heißt, durch exaktere Arbeit lassen sich direkt Kosten sparen.

Oder der Mähdrusch: Um richtig fit zu sein, braucht ein Mähdrescherfahrer sieben Jahr. Wir wissen, dass deshalb im Schnitt nur 60 bis 65 % der installierten Leistung abgerufen werden. Durch automatische Einstellsysteme erreichen wir mit derselben Maschine 75 bis 85%.

Aber wie kann die Praxis kurzfristig profitieren? Ein Landwirt tauscht ja nicht seinen Maschinenpark ein, sobald neue Sensoren auf den Markt kommen.

Alejandro Sáyago: Wir werden vermehrt die Nachrüstung von Maschinen anbieten. Das wird für John Deere künftig ein wichtiges Geschäftsfeld sein. Durch maßgeschneiderte Lösungen können die Landwirte vorhandene Maschinen mit Telemetrie-, GPS- oder Sensor-Technik auf den Stand der Technik bringen.

Uns ist klar, dass sich die Praktiker nicht andauernd neue Hardware leisten können. Aber wenn sie z.B. eine intelligente Kamera zum Erkennen von Bruchkorn auf einem vorhandenen Mähdrescher einfach installieren können, profitieren sie auch so vom technischen Fortschritt.

Wir wollen die Maschinen viel länger über ihren Lebenszyklus begleiten. Beim Landwirt oder beim Gebrauchtmaschinengeschäft.

Markwart von Pentz: In Osteuropa geht diese Entwicklung übrigens sehr schnell. Hier fehlt es viel öfter an gut ausgebildeten Fahrern als z.B. in Deutschland. Je besser die Maschinen sich selbst einstellen kann, desto höher ist ihre Auslastung.

Wir haben die Druschleistung verglichen: Mit sehr guten Fahrern und mit automatischer Einstellung. Beide waren zunächst gleichauf. Doch die Aufmerksamkeit der Fahrer ließ nach einiger Zeit nach, die Leistung der Automatik blieb konstant.

Viele der Systeme sind sehr komplex und beratungsintensiv. Wie wollen Sie den Handel fit machen für diese Entwicklung?

Alejandro Sáyago: Wir haben eine Art Roadmap für unsere Vertriebspartner entwickelt und wollen so die Kompetenzen im Handel ausbauen.

Die Landwirte werden immer professioneller – das erwarten sie auch von ihren Ansprechpartnern. Der Handel muss auch im digitalen Bereich fit sein. Zudem ist agronomischer Verstand gefragt.

Die Geschäftsmodelle ändern sich. Die Maschinen sind nur ein Teil des Ganzen. Künftig ist es z.B. denkbar, dass wir nicht einzelne Maschinen anbieten, sondern die Arbeitserledigung. Generell wollen die Kunden wissen, wie hoch die Kosten der Maschine über die gesamte Laufzeit ist. Der Vertriebspartner muss sich aktiv um Spezialisten bemühen. Er muss attraktiv für diese Experten ein und bereit sein, hier zu investieren.

Markwart von Pentz: Wir glauben, dass nur große Vertriebspartner diesen Anforderungen gerecht werden. Kleine Unternehmen können keine Ingenieure für die Präzisionslandwirtschaft beschäftigen. Unsere Händlerstrategie setzt auf große, kompetente Unternehmen. Wir sind davon überzeugt, dass das zum Wohl des Kunden ist. Kritiker werfen uns vor, dass dadurch die Niederlassung vor der Tür verschwinden wird. Wir wissen aber, dass die Kunden nur eine bestimmte Entfernung zur nächsten Werkstatt tolerieren. Deshalb betonen wir, dass wir in der Fläche bleiben.

Zurück zur technischen Entwicklung. Was sind Ihre nächsten Schritte?

Alejandro Sáyago: Landwirtschaftliche Betriebsleiter müssen Entscheidungen treffen – taktisch längerfristig und Tag für Tag: Sorten, Aufwandmengen, Einsatzzeitpunkte usw.

Wir wollen digitale Entscheidungshilfen entwickeln. Dokumentationssysteme sollen dazu möglichst viele Informationen sammeln. Auch mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) sollen aus den Daten Zusammenhänge herausgearbeitet werden: Was ist die Diagnose, was ist jetzt zu tun. Natürlich bleiben Erfahrung und auch Fortune des Betriebsleiters noch sehr lange wichtig.

Markwart von Pentz: Daten allein haben keinen Wert. Sie landen viel zu oft noch auf dem Datenfriedhof. Wir wollen Daten intelligent zu Informationen aufbereiten. Sie liefern Vorschläge für die nächsten Maßnahmen. Der Landwirt kann sie annehmen oder sich anders entscheiden. Aber je teffsicherer die Algorithmen, desto wertvoller werden die Entscheidungshilfen für den Betriebsleiter.

Alejandro Sáyago: Die Strategien der Landwirte sind unterschiedlich. Der Eine strebt eine Rekordernte an, agiert aggressiv und setzt bei seinen Maßnahmen das Maximum ein. Das ist riskant. Spielt das Wetter mit, hat er maximalen Profit. Wenn nicht, drohen hohe Verluste. Der Andere setzt auf eine robuste Ernte und geht sparsam mit seinem Input um. Er ist mit der sicheren Ernte zu frieden und strebt keinen Rekord an. Welcher von beiden hat Recht?

Die neuen Systeme können beiden Farmern helfen, ihre Strategie zu verfolgen und die Maßnahmen mit hoher Präzision zu verfolgen. EU-Landwirte orientieren sich häufig noch am Ertrag in t/ha. Mit der Digitalisierung ist es aber besser möglich, den Verdienst pro Hektar und damit die Nachhaltigkeit mehr in den Fokus zu nehmen.

Ihre Maschinen sammeln Daten, Ihre Software leitet daraus Entscheidungen ab. Macht das die Landwirte nicht abhängig von John Deere?

Markwart von Pentz: Wir stellen ganz klar fest: Die Daten gehören dem Kunden und bleiben beim Kunden! John Deere strebt keine Insellösung an. Das haben wir unter anderem mit DataConnect bewiesen. Das ist eine Initiative, die Cloud-to-Cloud-Schnittstellen zum Ziel hat. Bereits jetzt haben sich Claas, CNH und 365farmnet beteiligt, weitere sollen dazu kommen. Durch DataConnect können die Landwirte über eine Benutzeroberfläche eines der Hersteller die Maschinendaten aller anderen beteiligten Firmen abrufen.

Unser Operations Center ist offen für Apps anderer Anbieter. Wir erlauben den Firmen also, ihre Programme auf unseren Systemen laufen zu lassen. So wie beim Handy oder PC auch Programme unterschiedler Unternehmen funktionieren. Wir verstehen uns also quasi als App-Store.

Weltweit sind die Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft so unterschiedlich – selbst wir als großes Unternehmen könnten gar nicht diese Vielzahl von verschiedenen Anwendungen entwickeln. Wenn wir das System geschlossen halten, würde das letztlich den technischen Fortschritt bremsen. Das kann nicht unser Interesse sein.

Alejandro Sáyago: Der Landwirt entscheidet, mit wem er welche Daten teilt. Und wenn er das nicht mehr möchte, kann er seine Entscheidung jederzeit wieder rückgängig machen. Wenn aber viele Landwirte die Telemetriedaten ihrer John Deere-Maschinen mit uns teilen, lernen wir viel schneller, was nicht so funktioniert, wie es soll. Wenn eine Maschine bspw. in Brasilien mehrere tausend Stunden im Jahr im Einsatz ist, erkennen wir das Problem eher als früher und können reagieren.

Wenn wir Sensordaten von vielen Mähdreschern auswerten können, lässt sich die Software gezielter verbessern. Letztendlich haben dann alle etwas davon, wenn Daten geteilt werden. Aber noch einmal: Wir haben mit Kunden zu tun. Die entscheiden bewusst, was mit ihren Daten geschieht. Das ist anders als bei Google und Co. Vor allem bei den jüngeren Kunden wächst das Bewusstsein: Das Teilen von Daten hilft allen, die Technik zu verbessern – und damit Antworten zu finden auf die wachsenden Herausforderungen.

Herr Sáyago, Herr von Pentz, wir danken für dieses Gespräch.

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