top agrar: Fliegl ist aus einem landwirtschaftlichen Betrieb entstanden und wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Wie viel der ursprünglichen DNA steckt noch in dem Unternehmen?
Josef Fliegl sen.: Ich war Landwirt, das hat alles geprägt. Bis heute habe ich Interesse, praxisnahe Lösungen zu schaffen. Ich verstehe die Herausforderungen der Landwirte, spreche mit ihnen, bin bei der Arbeit in der Praxis dabei.
Unser oberstes Gebot ist es, das Ohr direkt beim Kunden zu haben. Nur so verstehen wir ihre Bedürfnisse und können neue Ideen entwickeln, die wir letztlich in praxisreife Maschinen und Geräte umsetzen. Die Landwirtschaft ist bei uns tief verwurzelt – nicht nur bei mir, auch bei meinen Kindern und Mitarbeitern. Viele kommen direkt vom Betrieb oder haben enge Berührungspunkte. Deshalb ist die Landwirtschaft bis heute ein starker Teil unserer Unternehmens-DNA.
Mittlerweile sind im Familienbetrieb drei Generationen im operativen Geschäft involviert. Wie schaffen Sie es, die verschiedenen Interessen zusammenzubringen?
Angelika Fliegl: Jeder von uns ist für seinen Bereich verantwortlich – sei es im Nutzfahrzeugbereich, Bau- und Kommunaltechnik, Agrartechnik, Agro-Center oder Grünlandtechnik. Jeder bringt seine volle Arbeitskraft und Expertise ein und trifft eigenständig Entscheidungen.
Trotz dieser individuellen Verantwortung arbeiten wir als Team zusammen und nutzen die Synergien in Entwicklung, Produktion, Materialbeschaffung und Vertrieb. Das ermöglicht es uns, ohne große Bürokratie das gleiche Ziel zu verfolgen: die Gruppe und unsere Marke zu stärken und so immer wieder neue und innovative Produkte für unsere Kunden zu schaffen.
Zur Fliegl-Gruppe gehören heute sieben Bereiche. Was versprechen Sie sich von dieser Strategie?
Josef Fliegl jun.: Wir wissen, dass nicht alle Bereiche immer die gleiche Konjunktur haben – sei es im Bereich Biogas, Bau oder z. B. der Gülletechnik.
Durch unser breites Produktsortiment können wir unsere Produktionskapazitäten gezielt verteilen und so auch in weniger guten Zeiten stabil bleiben. Unsere Vertriebspartner wissen, dass sie einen starken Partner an ihrer Seite haben, was letztlich auch ihren Kunden zugutekommt.
Welche Sparte ist derzeit die umsatzstärkste in der Gruppe, welche ist die wichtigste?
Angelika Fliegl: Natürlich ist für jeden von uns der Bereich, in dem er tätig ist, der wichtigste. Der Agrarbereich ist mit einem Umsatz von 253 Mio. € der umsatzstärkste.
Mit der Übernahme der Silage- und Ladewagen von Claas kam Fliegl-Grünlandtechnik hinzu. Was bewegte Fliegl, in dieses Segment einzusteigen?
Josef Fliegl jun.: Diese Entscheidung haben wir uns sehr gut überlegt. In Gesprächen mit Claas haben wir festgestellt, dass diese Fahrzeugart gut in unsere Produktionsprozesse integriert werden kann. Damit konnten wir Fliegl zu einem Full-Liner in der Transporttechnik ausbauen, was für uns ein sehr großer Schritt nach vorne bedeutet.
Neben der Grünlandtechnik wird es nach der Übernahme der Hoflader von Kaweco nun auch Lader von Fliegl geben. Was sind hier Ihre Pläne?
Angelika Fliegl: Wir wollen in diesem Jahr mit der Produktion des 2,5 t-Modells beginnen. Der Markt wird uns zeigen, welche Typen in Zukunft gefragt sein werden. Unser Anbaugerätesortiment umfasst bereits sehr viele Produkte für Hoflader. Dazu bieten wir jetzt auch die passende Motorisierung an.
Viele große Hersteller verfolgen das Ziel eines Longliners. Fliegl scheint auf dem besten Weg dahin. Wie reagieren die Händler darauf?
Josef Fliegl jun.: Unsere Kernkompetenzen liegen in der Transporttechnik für Landwirtschaft und Straßenverkehr – also in der Logistik. Zusätzlich bieten wir Anbaugeräte und Zubehör für den Einsatz auf dem Hof, wobei der Hoflader eine ideale Ergänzung zu unserem Sortiment darstellt. Für unsere Händler bedeutet dies, dass sie eine riesige Produktpalette mit einem kompetenten Ansprechpartner abdecken können, was die Zusammenarbeit noch wertvoller macht.
Derzeit stecken viele Landtechnikkonzerne und Firmen in der Krise. Wie stark ist Fliegl von der konjunkturellen Schwäche in Deutschland betroffen und wie geht es jetzt weiter?
Josef Fliegl jun.: Bereits im letzten Jahr haben wir in enger Zusammenarbeit mit unseren Vertriebspartnern die Lagerbestände kontrolliert und Überlieferungen vermieden. So konnten wir auf veränderte Marktbedingungen reagieren und gezielt neue Produkte einführen, die schon längere Zeit in der Pipeline waren. Wir bieten unseren Vertriebspartnern nun eine erweiterte Produktpalette, darunter neue Typen von Dungstreuern, Kippern, Abschiebewagen, Hakenliftanhängern, Transportfahrzeugen, Güllefässern, bodennaher Gülleausbringung und neuen Anbaugeräten. Ein Bereich, der schon lange besteht, aber in letzter Zeit noch weiter ausgebaut wurde, sind die Agrar Trucks & Trailer. Hier haben wir auf die veränderten Marktanforderungen reagiert. Für 2025 rechnen wir insgesamt mit einem Rekordjahr im Agrarbereich.
Was sind Ihre Pläne für die nächsten 50 Jahre?
Angelika Fliegl: Es ist schwer, 50 Jahre in die Zukunft zu blicken. Aber eines steht fest: Unsere Flexibilität und Kundennähe wollen wir auch in den kommenden Jahrzehnten erhalten. Unsere Marktpräsenz in Deutschland, Europa und weltweit wollen wir weiter ausbauen. Dabei ist entscheidend, geografische Standortnachteile wie Zollbarrieren und bürokratische Hürden im Auge zu behalten. Wir sehen dies als grundlegende Voraussetzung, die Unternehmensgruppe auch in der nächsten Generation erfolgreich weiterzuführen.