Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Precision Farming in der Praxis

Mit Applikationskarten digital Düngen und Säen auf den Punkt

Felder nach Satellit in Ertragszonen aufteilen und danach Bodenproben ziehen, düngen und Bestandsdichten steuern: Dienstleister und Landwirte diskutieren über Applikationskarten.

Lesezeit: 9 Minuten


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.


Schnell gelesen

  • Mit Landwirten, dem Maschinenring Steinfurt-Bentheim und einem Anbieter von Agrarsoftware haben wir über die Digitalisierung von Bodenproben diskutiert.
  • Ertragspotenzialkarten sind die ­Grundlage des Systems. Sie basieren auf Satellitenbildern, die einen Zeitraum von sieben Jahren berücksichtigen.
  • Die Software gliedert den Acker in fünf Ertragszonen. Zur Probenahme hat sich die Unterteilung in drei Zonen bewährt.
  • Der Maschinenring setzt u. a. ein Gerät ein, das ohne anzuhalten Bodenproben ziehen kann.
  • Die Ergebnisse sind u. a. Grundlage der Düngebedarfsplanung bzw. von Applikationskarten zum Düngen und Säen.



Der Stolz des Maschinenrings Steinfurt-Bentheim ist ein neuer blauer Anhänger hinter einem geländegängigen Pickup: Der Speedprob vom Hersteller Nietfeld kann während der Fahrt (8 bis 12 km/h) Bodenproben ziehen und sammeln. Es dauert jeweils nur 8 bis 10 Sekunden, in denen das Gerät einsticht und die Lanze in einen Sammelbehälter entleert. So ist auch eine Mischprobe aus z. B. 16 Einstichen innerhalb weniger Minuten fertig. An Bord des Trailers gibt es ein Magazin, das 15 unterschiedliche Bodenproben aufnehmen kann.

Der Speedprob ist Teil einer Dienstleistung des Maschinenrings zur Optimierung der Grunddüngung. Wie lässt sich das System in der Praxis umsetzen und welche Erfahrungen haben die Landwirte damit gemacht? Und wofür kann man die digitalen Karten zusätzlich nutzen? Darüber haben wir bei einem Ortstermin auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Ostbevern, Kreis Warendorf, diskutiert. Mit dabei waren:

  • Andreas Pohlmann aus Ostbevern ist Schweinehalter und Lohnunternehmer. Der Praktiker beschäftigt sich schon seit Längerem mit dem Thema Applikationskarten (top agrar 1/2019).
  • Michael Welp, Landwirt aus Saerbeck, hat seit einem Jahr Erfahrungen mit Applika­tionskarten bei der Maisaussaat.
  • Hendrik Uhlenbrock ist Prokurist der NLF GmbH. Das ist die Dienstleistungstochter des Maschinenrings Steinfurt-Bentheim.
  • Markus Ahmann ist mit dem Fahrzeug im praktischen Einsatz unterwegs.
  • Heiner Billmann arbeitet im Vertrieb NetFarming, einem Unternehmen der Agravis Raiffeisen AG. NetFarming ist der Partner des Maschinenrings und erstellt die Applikationskarten. Dazu kommt die Betreuung der Landwirte im Thema teilflächenspezifische Bewirtschaftung. Natürlich gibt es auch andere Anbieter in diesem Bereich, der generelle Ablauf ist meist ähnlich.

Karten entstehen aus Satellitenbildern

Detaillierte Karten sind die Grundlage des ganzen Verfahrens. Zum Einstieg legen die Dienstleister die Schlagkontur als digitale Karte an. Dazu lässt sich auch die Geometrie aus dem digitalen Flächenantrag übernehmen.

Während sich die Pioniere der teilflächenspezifischen Düngung bzw. Aussaat ihre Applikationskarten unter anderem auf Basis von Bodenschätzungskarten oft noch in mühsamer Kleinarbeit selbst zusammenbauten, läuft das Ganze heute mit den hochauflösenden Spektralaufnahmen der Sentinel-2-Satelliten.

„Wir erstellen anhand der Bilder zunächst Ertragspotenzialkarten. Um die jährlichen Schwankungen z. B. durch die Witterung auszugleichen, blicken wir dafür derzeit sieben Jahre zurück. Der Satellit erkennt in einem Raster von 10 x 10 m Aufwuchs- bzw. Biomasseunterschiede“, erklärt Heiner Billmann. Natürlich hat auch die Bodenart einen großen Einfluss auf die Einteilung, sie ist aber nicht allein entscheidend. Wasserversorgung, Verdichtungen und besonders die Versorgung mit Nährstoffen wirken sich aus. Deshalb sind die rückblickenden Biomassedaten der Felder eine umfassendere Grundlage.

Die Software unterteilt den Schlag in fünf Ertragszonen, die farblich kodiert sind. Rot steht für den Bereich Hochertrag, die weiteren Zonen gehen über Gelb, Grün und Hellblau zu Blau (Zone mit niedrigstem Ertrag). Das kann z. B. eine Spanne von 70 bis 130 % relativer Ertrag sein. Nach Erfahrungen der Praktiker reichen die fünf Zonen aus, um die Heterogenität der Flächen gut wiederzugeben.

Auch wenn der Computer die Karten weitgehend automatisch erstellt, bleibt der Faktor Mensch wichtig. Bevor sie genutzt werden, schauen sich die Landwirte die Karten deshalb gemeinsam mit einem Berater an, der sich z. B. bei der örtlichen Genossenschaft darauf spezialisiert hat. So lassen sich Besonderheiten berücksichtigen, die der Satellit nicht unterscheiden konnte – beispielsweise stillgelegte Streifen, die wieder in Kultur genommen werden sollen.

Die fertigen Karten sind über ein Internetportal abrufbar. Sie stehen für unterschiedliche Anwendungen zur Verfügung, u.a. für die gezielte Bodenprobenahme mit dem Speedprob. Die Aktivierung der sogenannten Management-Zonenkarte kostet derzeit beim Anbieter NetFarming einmalig 6 €/ha.

Routen zur Probenahme vorab planen

Bei der Bodenbeprobung hat es sich nach Erfahrung unserer Ansprechpartner bewährt, mit drei Ertragszonen zu arbeiten: hoch, mittel, niedrig. Die Einstichorte für die Probenahme werden vorab am Rechner getrennt für die Zonen festgelegt und zu Fahrlinien zusammengefasst. Je nach Flächengröße machen der Speedprob oder andere Probenahmegeräte in diesen Bereichen jeweils 15 bis 20 Einstiche bis 30 cm Tiefe. Aus den Einzelproben stellt Markus Ahmann in einem Eimer eine Mischprobe her (400 bis 500 g), die er dann ins Labor schickt.

Weil der Speedprob auf Grünland nur 10 bis 20 cm tief sticht, braucht Ahmann hier 20 bis 30 Proben, bis er genug Bodenmaterial fürs Labor zusammenhat. Um möglichst Fehlerquellen auszuschließen, kennzeichnet der die Proben einfach mit dem Schlagnamen und Farbe der Ertragszonen „rot“, „grün“ und „blau“.

Auf dem Feld navigiert Markus Ahmann per GPS-Laptop und folgt so den Linien. Der Computer zeichnet die Probeorte auf und speichert sie. Beim nächsten Probetermin in drei bis sechs Jahren kann der Mitarbeiter der NLF die Proben am exakt gleichen Ort ziehen. Das erlaubt später auch eine Aussage zur Entwicklung der Nährstoffversorgung.

Die Linienplanung kostet 9 € pro Probe. Die Daten gelangen im Shape-Format per E-Mail zur NLF und Markus Ahmann überträgt sie in den Bordlaptop seines Pickups. Pro Mischprobe berechnet die NLF derzeit je nach Einsatzmenge bis fünf Proben 28 €, ab sechs bis 14 Proben 26 € und ab 15 Proben 25 € inklusive der Lufa-Analyse und Bewertung. Dazu kommt die Anfahrt mit 90 Cent/km.

„Wir versuchen natürlich, mehrere benachbarte Betriebe zusammenzufassen, um Anfahrtskosten zu sparen und die Auslastung des Gespanns zu erhöhen“, sagt Hendrik Uhlenbrock. Vorab klärt der Maschinenring mit den Flächeneigentümern, ob die Flächen aktuell überhaupt befahrbar sind.

Der Pickup selbst ist bisher mit einem Probenehmer ausgestattet, der im Stand arbeitet. Das Gerät kann allerdings auch Nmin-Proben ziehen. Wenn es mit dem bisherigen „MultiProb“ gut klappt, sind vier bis fünf Mischproben in der Stunde möglich. Mit dem 2021 angeschafften SpeedProb wollen die Steinfurter sechs bis acht erreichen.

Lufa-Probeergebnisse werden zu Nährstoffkarten

Die Lufa-Ergebnisse im CSV-Format sind die Grundlage der Nährstoffkarten. Sie enthalten die Informationen zur Phosphat-, Kalium- und Magnesiumversorgung sowie zum pH-Wert in den üblichen Versorgungsstufen A bis E. Für die Düngung erstellt der Dienstleister Applikationskarten im ISO-XML-Format passend zur Düngerart. Der Dünger- oder Kalkstreuer arbeitet die Karte dann über die Isobus-Funktion „Variable Rate“ ab.

„Der Kunde kann sich die Daten in unserem Portal herunterladen oder wir verschicken bei Bedarf auch einen USB-Stick“, erklärt Heiner Billmann von NetFarming. Das kann auch direkt an den Lohnunternehmer sein, wenn dieser wie bei Michael Welp die teilflächenspezifischen Arbeiten übernimmt.

Karten für Düngung und Saat nutzen

Landwirt und Lohnunternehmer Andreas Pohlmann nutzt die Download-Möglichkeit. Allerdings speichert auch er die Daten auf einen Stick und überträgt sie so. Das Isobus-Terminal seines Schleppers wäre zwar in der Lage, die Applikationskarten online zu empfangen. Allerdings würde das Freischalten der Funktion 600 bis 900 € pro Jahr kosten, schätzt der Praktiker. Ohnehin hat er meist ein Tablet mit an Bord und gelangt bei Bedarf auch darüber an die notwendigen Daten. Ein weiterer Weg zum Austausch wäre eine „Datendrehscheibe“ wie z. B. der agrirouter.

Andreas Pohlmann nutzt die Applikationskarten zudem beim Ausbringen von Gülle und der Saat von Mais. Dafür ist das Güllefass mit einer automatischen Regelung der Ausbringmenge ausgestattet. Die Elektronik steuert dabei einen Dreiwegehahn als Bypass an.

Nach Analyse der Inhaltsstoffe legt der Praktiker den „Leitnährstoff“ fest und bringt danach den Wirtschaftsdünger teilflächenspezifisch aus. Dabei sind die in den Applikationskarten hinterlegten Mengen aber nicht „in Stein gemeißelt“. Wenn z. B. bei einem Kunden die Menge der vorhandenen Gülle geringer ausfällt als ursprünglich geplant, kann der Unternehmer kurz vor dem Ausbringen auf dem Acker die Werte für die Zonen am Isobus-Terminal nach oben oder unten anpassen.

Mittelfristig könnte er sich vorstellen, die Inhaltsstoffe per NIRS-Technik zu analysieren. Der Landwirt ist hier gut informiert, denn die FH Osnabrück macht dazu Versuche auf seinem Betrieb. Andreas Pohlmann hat festgestellt, dass die Ergebnisse beim homogenen Gärrest schon genau sind, bei verschiedenen Güllen aber noch Abweichungen zu den Laborergebnissen zeigen. Darüber hinaus sind die Preise für diese Technik bei ihm noch nicht wirtschaftlich, ist der Praktiker überzeugt.

5 bis 10 % Mehrertrag dank Applikationskarten

Bei der Maisaussaat nutzt der Andreas Pohlmann schon seit 2016 die Ertragspotenzialkarten. Je nach Jahr hat er per Brückenwaage einen Mehrertrag von 5 bis 10 % durch die standortgerechte Pflanzenzahl ermittelt: „Wenn ich auch die Gülle teilflächenspezifisch ausgebracht habe, kommen noch einmal 5 % dazu.“ Meist weichen Güllemenge und Pflanzenzahl pro ha kaum vom Standard ab – die digitale Technik verteilt sie nur anders.

Michael Welp hat 2021 die ersten 6 ha Mais vom Lohnunternehmer mit dem System bestellen lassen. Die Applikationskarte für die Maisaussaat hat die örtliche Genossenschaft für den Landwirt erstellt und dafür 5 €/ha berechnet. Die Pflanzenzahl variierte auf den stark wechselnden 15 bis 20er-Böden zwischen sieben und elf Körnern pro m². Der Landwirt hat einen Mehrertrag von 8 t im Vergleich zum guten Maisjahr 2017 festgestellt (58 zu 50 t). Aber fast noch deutlicher war, dass sich die Bestände sehr einheitlich entwickelt haben.

Das bestätigt auch Andreas Pohlmann: „2017 ist hier in der Region nach einem Sturm viel Mais ins Lager gegangen – die mit standortgerechter Saatmenge gesäten Bestände sind dagegen meist stehengeblieben.“

Weil Getreidebestände sich durch die Bestockung noch stark wandeln können, ist hier die standortgerechte Aussaat nur ein begrenzter Hebel. Allerdings tastet sich Andreas Pohlmann auch an dieses Thema heran und hat Roggen so bestellt. Hier geht es ihm aber vor allem darum, die Bestände möglichst schnell dicht zu bekommen, um den Unkrautdruck zu reduzieren.

Hendrik Uhlenbrock sieht in der standortgerechten Nährstoffausbringung einen eindeutigen Wachstumsmarkt – nicht zuletzt durch die schärfere Düngergesetzgebung und die steigenden Düngerpreise. „Die Nährstoffe müssen gezielter an die Stellen im Boden, wo sie am besten nützen.“ Dass die Nachfrage der Praxis steigt, macht er auch daran fest, dass die Genossenschaften in der Nachbarschaft mittlerweile Kalkstreuer besitzen, die Applikationskarten abarbeiten können.

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.