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Theodor Leeb über Entwicklungstrends in der Pflanzenschutztechnik

Automatische Teilbreitenschaltung, Pulsweitenmodulation, variable Ausbringmengen per Applikationskarte: An welchen Innovationen arbeiten die Hersteller von Pflanzenschutzgeräten, Herr Leeb?

Lesezeit: 7 Minuten

Zur Person: Theodor Leeb

Nach der Ausbildung zum Landmaschinenmechaniker und dem Maschinenbaustudium übernahm Theodor Leeb den ­elterlichen Landmaschinenbetrieb und weitete das Programm auf den Sondermaschinenbau aus. Seit seiner Jugend ist Leeb (55) mit der Familie Horsch befreundet und begann 1994 erste Entwicklungsaufträge zu übernehmen. Im Jahr 1999 entstand gemeinsam die Idee, einen 8 m³-Selbstfahrer zu bauen, der als Prototyp 2001 fahrbereit war. Doch ­wegen des schnellen Wachstums in der Bodenbearbeitung legte Horsch das Projekt zunächst auf Eis.



Theodor Leeb entschied sich, die Maschinen selbst zu verkaufen, was sich ­als Erfolg herausstellte. Im Jahr 2008 wechselte Leeb vom zugekauften Inuma-Gestänge auf eine eigene Entwicklung, 2009 weitete er das Programm dann auf angehängte Feldspritzen aus.



Um auch international erfolgreich zu sein, gründete Leeb zusammen mit Horsch 2011 die „Horsch Leeb Application Systems GmbH“. So ließen sich Sy­nergien im Vertrieb und Service nutzen. Theodor Leeb ist geschäftsführender Gesellschafter und beschäftigt 350 Mitarbeiter in Landau an der Isar.

Technisch geht vieles – aber ist es auch sinnvoll?

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Die automatische Teilbreitenschaltung ist in der Praxis angekommen. Wie viele Maschine rüsten Sie damit aus?

Leeb: Bei uns verlässt keine Spritze ohne Section Control das Werk. 70 % arbeiten mit Bord-GPS, 30 % verarbeiten die Positionsangabe des Traktors – Tendenz steigend.

Wie sinnvoll ist dabei die ­Einzel­düsenschaltung?

Leeb: Jede einzelne Düse individuell anzusteuern ist aufwendig. Wir fassen unsere standardmäßigen pneumatischen Düsenstöcke zu Teilbreiten zusammen, bei 36 m-Arbeitsbreite sind bis zu 42 Teilbreiten möglich. Ein noch feineres Raster ist meiner Ansicht nach nicht notwendig. Zumindest wenn man nur simpel ein- und ausschalten möchte.

Sie meinen die zusätzlichen Möglichkeiten einer Pulsweiten-Modulation (PWM), bei der ein elektrisches Ventil rasend schnell die Ausbringmenge der Düse durch die pulsierende Öffnungsdauer variiert?

Leeb: Richtig. Da bekomme ich die Einzeldüsenschaltung quasi mitgeliefert. Aber die PWM bzw. Precision­Spray, wie das System bei uns im Hause heißt, bietet weitaus mehr. Sie verdreifacht die Range einer Düse – also für die meisten Einsätze würde eine einzige Düse reichen. Meist lassen sich Düsen mit doppeltem Kaliber einsetzen, das senkt die Verstopfungsgefahr. Das ist besonders interessant für uns, wenn wir mit 25 cm-Düsenabstand arbeiten und kleine Kaliber im Einsatz haben. Vorteile gibt es auch bei stark wechselnden Ausbringgeschwindigkeiten.

Das kann doch auch eine automatische Düsenschaltung. Wo liegen deren Nachteile?

Leeb: Sie brauchen dort bis zu vier Düsen, die zusammenpassen. Der Fahrer muss entscheiden, wie die Düsen beim Wechsel schalten, denn der Übergang ist schwarzweiß, nicht fließend: Sind dann kurz beide aktiv oder beide aus? PWM ist derzeit noch teurer, doch der Preis sinkt. Großbetriebe fragen verstärkt nach PWM, und auch die Düsenanbieter stellen sich sehr dynamisch darauf ein.

Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie, um noch präziser zu arbeiten?

Leeb: PrecisionSpray ermöglicht variable Ausbringmengen in kleinem ­Raster. Bei Kurvenfahrten lassen sich die Mengen vom kurveninneren zum kurvenäußeren Gestängeende korrigieren. PWM ist auch für die Bandspritzung interessant.

Bandspritzung ist ein interessanter Trend. Wo liegen die Herausforderungen zurzeit?

Leeb: Durch Bandspritzung lassen sich bis zu 60 % der Mittel sparen. Dafür muss die Düse exakt über der Reihe laufen, was in der Praxis nicht automatisch hinhaut. Wir machen aktuell deshalb Versuche mit einer Reihen­kamera aus der Hacktechnik. Damit steuern wir die Achsschenkellenkung der Spritze an.

Und auch die Düse muss passen: Sie braucht einen engen Abstrahlwinkel mit möglichst rechteckiger Verteilung. Eine interessante Idee ist übrigens, durch PWM auf der Reihe und zwischen den Reihen mit unterschiedlichen Ausbringmengen zu arbeiten.

Ist die variable Ausbringmenge ein weiterer Trend?

Leeb: Stimmt. Bei der Düngung oder beim Halmverkürzen gibt es Möglichkeiten, mit Applikationskarten zu ­arbeiten. Ansätze wie Xarvio von BASF schaffen auf Basis von Satellitendaten über Bestandsdichte und Wetterprognosen Anhaltspunkte für den Krankheitsdruck. Ich schätze aber, dass bislang maximal 5 % unserer Kunden nach Karte spritzen und dann vor allem bei der Düngung.

Welche Schritte sind noch nötig?

Leeb: Wir brauchen noch viel mehr Erfahrungen. Auf was beziehen sich die aktuellen Aufwandmengen – welche Bestandsdichte, Boden, Witterung usw.? Wie weit kann ich wirklich ­mit der Wirkstoffmenge runter, bis es zu einem Befall kommt? Was ist mit ­den Resistenzen? Es ist Bewegung in der Diskussion. Auch die Mittelhersteller wollen vor dem Hintergrund des Green Deals die Aufwandmengen ­weiter senken.

Ermöglichen es Kameras mit intelligenter Bilderkennung beim so genannten Spot-Spraying irgendwann einmal quasi auf den Punkt zu spritzen?

Leeb: Viele arbeiten daran, wir seit drei Jahren mit einem französischen Anbieter. Grün auf Braun – also ­Unkrautnester auf dem Boden zu erkennen, ist relativ einfach. Aber einzelne Unkräuter beim Spritzen im ­Bestand zu unterscheiden und gezielt auszuschalten – das ist dann doch noch ein weiter Weg.

Und wir müssen uns die Frage stellen, wie groß das Potenzial wirklich ist. Wenn ich in Rüben oder Mais gezielt arbeite, also auf ein Bodenherbizid verzichte, und das Unkraut aber vielleicht später aufläuft, habe ich wenig erreicht. Ich denke, hier gibt es allenfalls bei der zweiten Behandlung Einsparungen durch Spot-Spraying.

Wo könnte es denn klappen?

Leeb: Wir müssen auch über das Thema Schadschwellen nachdenken, das heißt, welche oder wie viele Unkräuter sind im Zusammenhang ­der Fruchtfolgen tolerierbar? Ein Beispiel wäre auch bei der letzten Fungizidbehandlung ein Mittel gegen Disteln gezielt einzudosieren, wenn diese von der Kamera erkannt werden. Aber ­bisher gibt es keine Systeme, die das unter Feldbedingungen gut können. Das Problem bei der Direkteinspeisung sind u. a. die Verzögerungen, bis das Mittel wirklich in der passenden Konzentration an der richtigen Düse ankommt.

Es gibt Ansätze, dazu die Spritze ­­mit mehreren Flüssigkeitskreisläufen auszustatten.

Leeb: Das stimmt. Aber diese Lösungen sind sehr aufwendig und beschränken sich auf Spezialanwendungen. Nicht alles, was technisch möglich ist, rechnet sich aktuell. Wir verfolgen hier einen pragmatischeren Ansatz.

Die schlechte Planbarkeit der Mengen ist ein weiterer Kritikpunkt beim ­Kameraeinsatz.

Leeb: Wenn Sie mit Kameras oder anderen Sensoren direkt an der Spritze arbeiten, wissen Sie nie, wie viel Mittel sie brauchen werden. So ­etwas wird nur in Kombination mit einer funktionierenden Direkteinspeisung gehen. Durch Drohnen- oder Satellitenbilder kann ich den Einsatz vorab besser planen. Ich denke, beide Ansätze – offline und online – werden ihre Berechtigung haben.

Auch eine möglichst präzise Gestängeführung ist ein Ansatz für exakteres Ausbringen der Mittel.

Leeb: Je geringer der Zielflächenabstand, desto geringer die Windangriffsfläche. Wir statten die Gestänge deshalb mit bis zu sechs Ultraschallsensoren aus und bieten auch 25 cm-­Düsenabstand an. Wichtig ist es, die Informationen der Sensoren richtig zu verrechnen, damit das Gestänge nicht plötzlich in eine Fehlstelle eintaucht.

Arbeiten Sie auch an leichteren ­Gestängen, z. B. aus Carbon?

Leeb: Ein leichteres Gestänge lässt sich nicht einfacher führen, denn die Trägheit der Masse spielt eine wichtige Rolle. Bei den äußeren 3 m-Elementen setzen wir aber Alu ein. Das teure ­Carbon ist zwar sehr leicht. Aber Sie brauchen aufwendige Klappbeschläge und beschädigte Bauteile lassen sich nicht reparieren. Deshalb setzen wir lieber auf hochwertige Stähle und ­simulieren die Belastungen auf einem Vibrationsprüfstand. Auf einigen Betrieben in Osteuropa oder Südamerika erreichen manche Selbstfahrer Auslastungen von über 50.000 ha pro Jahr. Von diesen Erfahrungen profitieren die Kunden auf dem EU-Markt.

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