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topplus Plastik in der Landwirtschaft

Weniger Müll mit neuen Folien und Recycling

In der Landwirtschaft fallen jedes Jahr Tausende Tonnen Folien an. Es gibt viele neue Ansätze, wie Folien nachhaltiger hergestellt, wiederverwendet oder recycelt werden können.

Lesezeit: 10 Minuten

Kunststoffe sind aus der Landwirtschaft nicht wegzudenken. Über 65.000 t Folien und Netze werden jährlich gebraucht – nicht nur für die Ernte von Grünfutter, sondern auch im Gemüsebau.

Berichte über Mikroplastik in der Natur und die Produktion der Kunststoffe aus fossilen Ressourcen haben Kunststoffe zwar in Verruf gebracht – auch in der Landwirtschaft. Aber die Agrarbranche arbeitet seit Jahren an Lösungen. Dazu gehören:

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  • Wiederverwertung von Folien,
  • neue Folienkonzepte,
  • Biokunststoffe.

Die Wiederverwertung

„Die beste Maßnahme, um den Kunststoffeintrag in die Umwelt zu vermeiden, ist eine effektive, flächendeckende Sammlung der Folien kurzfristig nach der Nutzung und eine nachgelagerte Verwertung als Werkstoff“, sagt Jan Bauer, Prokurist bei RIGK, dem Systembetreiber der Initiative ERDE (Erntekunststoffe Recycling Deutschland).

Die Initiative „ERDE“ engagiert sich seit 2012 für die Rücknahme gebrauchter Agrarfolien. Unterzeichner der freiwilligen Selbstverpflichtung sind neben der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) und den teilnehmenden Herstellern auch der Deutsche Raiffeisenverband, der Bundesverband Agrarhandel sowie der Bundesverband Lohnunternehmen.

Im Jahr 2019 sammelte ERDE etwa 20500 t Folien ein, die wiederverwertet wurden. Jährlich gibt es mehr als 450 Sammeltermine für den Bereich der Silo- und Stretchfolien und Ballennetze bundesweit und zusätzlich über 1200 mobile Sammlungen direkt bei den Landwirten.

Dabei gilt: Je sauberer die Folie an den Sammelstellen abgegeben wird, desto effizienter sind die Folgeprozesse Transport und Verwertung.

Während die herkömmliche Entsorgung bzw. energetische Verwertung je nach Region 150 bis 200 €/t kostet, sind bei der Rückgabe über das ERDE-System nur die Hälfte der Kosten fällig.

In 2019 wurden nach Angaben des IK knapp 40% der anfallenden Silo- und Stretchfolien von ERDE gesammelt und recycelt. Zukünftig sollen auch Spargelfolien, Garne und Mulchfolien in den Kreislauf integriert werden.

Einsatz von Regranulaten

Typische Aufbereitungsschritte beim Recycling sind das Zerkleinern, Reinigen, Wiederaufschmelzen und Granulieren. Daraus lassen sich dann, wenn die Abfälle sortenrein eingesammelt werden, neue Folien oder – bei Mischabfällen – andere Gegenstände produzieren wie z.B. Tragetaschen, Müllsäcke oder Parkbänke, Zaunpfosten etc. Ist keine andere Verwendung mehr möglich, bleibt nur die Verbrennung zur energetischen Nutzung.

Bei den typischen Agrarfolien vor allem im Silofolienbereich kommen verschiedene Varianten von Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP) zum Einsatz, z.B. HDPE oder LDPE. HD steht für High Density und wird bei dickeren Folien eingesetzt. LD für Low Density und kommt bei vielen Silofolien zum Ensatz.

Die Hersteller verwenden dabei meist bei jedem Produkt nur einen Rohstoff. „Das ist mit Blick auf das Recycling ein großer Vorteil“, sagt Heiko Weber, Geschäftsführer des Recyclingunternehmens AFA Nord aus Hohenwestedt (Schleswig-Holstein). Hierfür müssen Silage- und Stretchfolien getrennt erfasst werden. Das gleiche gilt für Garne und Netze: Garne werden in der Regel aus PP hergestellt, Netze aus HDPE.

Inzwischen befinden sich auch Wickelfolien für die Ballensilage aus recyceltem Polyethylen in der Einführungsphase, wie z.B. das Produkt „Trioloop“ des Herstellers Trioplast. Mit Trioblack hat Trioplast eine Silofolie mit 96% Recyclat-Anteil auf dem Markt. Die Stretchfolie „Sustane“ von bpi besteht zu 30% aus Recyclaten. Auch der Hersteller RKW setzt verschiedene Anteile von Regranulaten aus dem Recycling in Agrarfolien ein.

Neue Folienkonzepte

Doch auch bei der konventionellen Folienherstellung bleibt die Entwicklung nicht stehen. So gibt es immer dünnere Folien mit gleicher Leistungsfähigkeit. Dazu tragen neue Rohstoffe, aber auch neue Herstellungsverfahren z.B. bei der Extrusion bei.

„Eine dünnere, aber unverändert leistungsfähige Folie schont die Ressourcen, benötigt weniger Verpackungsmaterial und senkt die Material- und Transportkosten“, bestätigt Marion Link, Marketingleiterin der Agri-Sparte von RKW. Ein Beispiel ist die Folienkombination von RKW aus einer Unterziehfolie mit 20 µm und einer Silagefolie mit 80 µm. Übliche Dicken sind heute dagegen 40 µm für Unterziehfolien und zwischen 120 µm und 200 µm bei Silofolien.

Auch ist die Größe der Silos und die Menge sowie Dichte im Ballen z.T. deutlich gewachsen. „Das Ergebnis ist eine beträchtliche Reduzierung des Folienverbrauchs je kg Futter“, sagt Michael Hövel vom Folienhersteller bpi agriculture aus Belgien.

Auch der Hersteller Tama aus Münster bietet Netze mit bis zu 30% und Garne mit bis zu 25% Materialersparnis bei gleichen Leistungsdaten an.

Eine Alternative, um den Folieneinsatz zu reduzieren, stammt aus den Niederlanden: Anstelle von Silofolien verwenden einige Betriebe eine schwere Polyethylen-Plane, die einer Lkw-Plane ähnelt. Ein selbstfahrendes Trägersystem mit einer Rolle, auf die die Plane gewickelt ist, lässt sich dank beweglicher Räder neben dem Silo vor- und zurück sowie von einem Silo zum nächsten fahren.

Zum Aufrollen – z.B. zum Füttern im Winter oder zum Einsilieren weiterer Silageschichten – wird das Ende der Plane mit mehreren Gurten an der Rolle befestigt. Diese wird hydraulisch angetrieben und wickelt die Plane allmählich auf. In weniger als einer halben Stunde sollen sich damit Silos mit ca. 60 m Länge von einer Person auf- und abdecken lassen.

Das System lässt sich in der Ernte zur Seite fahren, damit die Lade- oder Häckselwagen durch das Silo hindurch fahren können. Die Plane kann der Landwirt nach Herstellerangaben rund zehn Jahre verwenden. Allerdings kostet das System je nach Silobreite und -länge sowie je nach Ausstattung zwischen 50.000 und 60.000 €.

Biologisch abbaubare Folien

Der einfachste Weg der Müllentsorgung wäre es, wenn sich die Folien quasi in Luft auflösen könnten. Soweit ist die Forschung leider noch nicht, dennoch können biologisch abbaubare Kunststoffe in verschiedenen Anwendungen sinnvoll sein, z.B. als Mulchfolie zum Unterdrücken von Unkraut. Sie müssen nach Gebrauch nicht mehr abgefahren werden, sondern lassen sich unterpflügen. Ebenso gibt es kompostierbare Pflanz- und Anzuchttöpfe, Bindegarne oder Samenbänder im Gemüseanbau sowie Wuchshülsen, die junge Bäume im Wald vor Verbiss schützen.

„Biologisch abbaubar bedeutet, dass Bodenlebewesen sie verstoffwechseln können“, erklärt Dr. Bettina Fink, die beim Netzwerk C.A.R.M.E.N. aus dem bayerischen Straubing für die stoffliche Nutzung zuständig ist. Das bedeutet nicht, dass die Folien automatisch nur auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Zwar ist der Hauptrohstoff bei Mulchfolien Mais- oder Kartoffelstärke. Aber auch petrochemisch hergestellte Kunststoffe können biologisch abbaubar sein.

Damit Landwirte nachweisen können, dass das Unterpflügen unbedenklich ist, gibt es ein Zertifikat nach der DIN EN 17033 „Biologisch abbaubar im Boden“.

Beim Einsatz sind verschiedene Aspekte zu beachten. „Die Folie soll ja über einen bestimmten Zeitraum das Unkraut unterdrücken. Die Haltbarkeit hängt stark von Umweltfaktoren wie Niederschlag, Temperatur, Sonneneinstrahlung und Bodenbeschaffenheit ab“, sagt Fink.

Die Folien sind 1,5 bis zweimal so teuer wie konventionelle. „Die Kosten relativieren sich aber, wenn man die geringeren Arbeits- und Entsorgungskosten gegenrechnet“, erklärt sie.

Doch die biologische Abbaubarkeit ist keine Pauschallösung. „Abbaubare biobasierte Kunststoffe empfehlen wir nur dort, wo es einen wirklichen Zusatznutzen gibt, z.B. als Mulchfolie in der Landwirtschaft. Ansonsten sehen wir den Einsatz von abbaubaren Biokunststoffen eher kritisch, da eine Mehrfachnutzung immer sinnvoller ist“, sagt Dr. Lisa Mundzeck vom Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) an der Hochschule Hannover.

Silofolie zum Sprühen

Weniger Arbeitskosten verspricht das Technologie- und Förderzentrum (TFZ) mit einer aufsprühbaren Silofolie auf Basis von Naturkautschuk. Weitere Bestandteile sind Geliermittel wie Alginat, Füllstoffe wie Zellulosefasern und Zusatzstoffe wie Calciumsulfat und Natriumbenzoat. Glycerin wird als Weichmacher für mehr Elastizität zugegeben. Das aufgespritzte Material härtet auf dem Silo aus.

Bei praxisnahen Silierversuchen mit Freigärhaufen und dem neuartigen Abdeckmaterial stellten die Wissenschaftler erst nach acht Monaten kleine Risse im Material fest. Laut Futtermittelanalysen der Silage ist die Gärqualität gut. „Jedoch muss das Abdeckmaterial nach derzeitiger Sachlage zum Beispiel in Biogasanlagen oder in Kompostwerken verwertet werden“, sagt Projektleiter Dr. Edgar Remmele vom TFZ.

Eher für Biogasanlagen

Zwar sind alle Bestandteile des Silageabdeckmaterials bis auf den Naturkautschuk bereits als Einzelfuttermittel oder Zusatzstoff zugelassen, allerdings nicht in der Mischung. Daher sieht das TFZ die vorrangige Anwendung der Sprühfolie bei Biogasanlagen, die in der Regel sehr hohe Silagemieten anlegen. Denn diese Art der Abdeckung würde weniger Personaleinsatz und mehr Sicherheit bedeuten. Nach Untersuchungen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft beeinträchtigt das neuartige Abdeckmaterial den Gasbildungsprozess nicht.

Der importierte Naturkautschuk kann eventuell künftig z.B. durch Kautschuk aus kaukasischem Löwenzahn aus regionalem Anbau ersetzt werden.

Festzuhalten bleibt, dass die Agrarbranche schon länger an vielen Schrauben dreht, um den Plastikeintrag in die Natur zu reduzieren. Doch hierbei gibt es auch Grenzen, erläutert Franz-Josef Lichte, Geschäftsführer des Folienherstellers Trioplast und Vorsitzender von ERDE-Recycling Deutschland: „So sehr wir eine Verschiebung hin zum Einsatz von mehr recycelten Rohstoffen, stärkenoptimierten Produkten und Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen brauchen: Es darf niemals einen Kompromiss bei der Futterqualität geben.“

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Biokunststoffe: Biogen oder biologisch abbaubar

Agrarfolien oder Vliese bestehen häufig aus Polyethylen (PE) oder aus Polypropylen (PP). Beide Kunststoffe werden üblicherweise „petrochemisch“, also aus Nebenprodukten von Erdöl oder Erdgas, hergestellt.

Biobasierte Kunststoffe

Doch Kunststoffe lassen sich auch aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen und werden dann als biobasierte Kunststoffe oder „Biokunststoffe“ bezeichnet. „Bio“ bezieht sich hierbei auf die biogene Herkunft der verwendeten Rohstoffe. Sie lassen sich aus einer Vielzahl pflanzlicher Rohstoffe herstellen. Dafür nutzen die Hersteller meist natürlich vorkommende Polymere wie Stärke und Cellulose oder auch kleinere Moleküle, wie Zucker oder Fettsäuren als Ausgangsbasis für die Produktion.

Hierbei lassen sich zwei Optionen unterscheiden:

  • Drop-In-Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, die chemisch identisch sind mit ihren petrochemischen Gegenstücken. Beispiele hierfür sind Bio-PE (Polyethylen) oder Bio-PET (Polyethylenterephthalat) auf Basis von Zuckerrrohmelasse. Großer Vorteil: Sowohl in der Folienherstellung als auch beim Recycling können die gleichen Verfahren verwendet werden.



  • Daneben gibt es chemisch neuartige biobasierte Kunststoffe wie Polylactid (PLA) auf Basis von Milchsäure. Sie können zusätzliche Eigenschaften wie biologischen Abbaubarkeit besitzen.

Der Anteil von Biokunststoffen am weltweiten Kunststoffmarkt beträgt ungefähr 2%. Die weltweite Produktion könnte sich laut Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) aus Hannover auf 4,4 Mio. t im Jahr 2023 verdoppeln. Im Vergleich zur jährlichen Produktionskapazität konventioneller Kunststoffe von 335 Mio. t erscheint der Anteil an Biokunststoffen aber wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Das geringe Wachstum liegt nach Brancheninfos an tiefen Ölpreisen, einer erst langsam anlaufenden politischen Unterstützung und einem begrenzten Marktzugang.

Nicht per se besser

Zudem gelten Biokunststoffe nicht per se als die bessere Alternative. Das Umweltbundesamt bescheinigt ihnen keine bessere Ökobilanzen als fossilbasierte Kunststoffe. „Wir konzentrieren uns auf bei der Biokunststoffproduktion auf Reststoffe, weil sie nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Das ist auf Dauer nachhaltiger“, sagt Dr. Thomas Gröner, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung beim Folienhersteller RKW aus Frankenthal (Rheinland-Pfalz). Dazu gehört z.B. Tallöl, das bei der Papierproduktion anfällt. Daraus stellen die Vorlieferanten von RKW Bio-PE her.

Auch die Forschung arbeitet an einer Optimierung sowie an der verstärkten Nutzung von Reststoffen wie Obstkerne, Gemüse- und Nussschalen, Kaffeesatz, Getreide- und Rapsstroh, Hanf- oder Flachsstaub oder Ernterückstände bei Kartoffel oder Zuckerrübe.

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