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topplus Indirekte Pflicht für Bauern

Faire Lieferketten: Unternehmen in der Pflicht

Was bedeutet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) für Landwirte und Direktvermarkter?

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in "HOFdirekt".

Weltweit schuften Millionen Menschen unter ausbeuterischen Bedingungen in Textilfabriken, Steinbrüchen oder auf Plantagen für unsere T-Shirts, unsere Schokolade, unseren Kaffee oder unsere Mobiltelefone. Auch hierzulande läuft nicht alles gut. Die Corona-Pandemie förderte beispielsweise Missstände bei der Unterbringung und den Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in der Schlacht und Zerlegebranche zutage.

Um solche Missstände zu verhindern, brachte der Bundestag das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, LkSG) auf den Weg. Es trat am 1. Januar 2023 in Kraft. Ziel ist, den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt in globalen Lieferketten zu verbessern.

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Auch Unternehmen in Deutschland müssen dafür sorgen, dass grundlegende Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten eingehalten werden. Seit diesem Jahr sind Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern in der Pflicht. „Was hat das mit mir zu tun?“, fragt sich der einzelne Landwirt und Direktvermarkter mit eigenem Hofladen. Das LkSG hat die Unternehmen kalt erwischt. „Es ist seit einem Jahr in Kraft, und trotzdem sind vielen Unternehmen die Anforderungen, die das Gesetz an sie stellt, noch immer unklar“, kommentiert Axel Finkenwirth vom Deutschen Bauernverband (DBV).

Landwirt nicht betroffen, aber …

„Landwirte und Direktvermarkter betrifft das LkSG erstmal weniger bis gar nicht. Es sei denn, sie beschäftigen mehr als 1.000 Mitarbeiter“, ordnet Agrarökonom Maximilian Waltmann ein. Er ist Geschäftsführer der AFC Management Consulting GmbH in Bonn. Die Strategieberatung unterstützt Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für Lebensmittel bei der Erfüllung der Anforderungen des LkSG.

Der Knackpunkt für die Landwirte sind die Lieferbeziehungen mit Großunternehmen. Ein Landwirt, der Kartoffeln, Eier, Milch, Käse, Joghurt, Äpfel oder Spargel direkt an den Handel oder große Unternehmen liefert und über Lieferanten- und Sondervereinbarungen sowie einen Verhaltenskodex („Code of Conduct“) zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette angehalten wird, ist Teil des LkSG-Karussells. Die Sorgfaltspflichten erstrecken sich nämlich über die gesamte Kette vom Rohstoff über die Verarbeitung bis zum fertigen Produkt und Verkauf.

Vorgaben sind längst da

Einige große Unternehmen und Genossenschaften haben das Thema Nachhaltigkeit, Umweltschutz und soziale Verantwortung längst auf der Agenda stehen. Beispielsweise hat das Deutsche Milchkontor (DMK) mit seinen rund 6.600 Mitarbeitern seit 2016 ein Programm zur Förderung verantwortungsvoller und nachhaltiger Milcherzeugung aufgesetzt. Mit dem LkSG werden nun wie bei anderen großen Genossenschaften wie Agravis, Molkereien wie Müller, Gropper, Ammerland oder Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) wie Dr. Oetker, Edeka, Aldi und Nestlé zusätzlich Lieferanten- und Verhaltenskodizes implementiert bzw. bereits bestehende angepasst. Über diesen „Code of Conduct“ für Lieferanten und Geschäftspartner sind auch ihre Betriebsmittel- und Rohstofflieferanten sowie Mitarbeiter dazu verpflichtet, Menschenrechte und Umweltstandards in den Lieferketten einzuhalten.

Im Falle der DMK-Landwirte verpflichten sie sich über die Satzung mit der für alle verbindlich geltenden Milchlieferordnung zur Einhaltung des LkSG. Ebenso werden bei der Agravis Raiffeisen AG (Agravis) Sorgfaltspflichten für die direkte Zulieferbeziehung groß geschrieben, wie ein Sprecher erklärt. Auch Vertreter der Fleischbranche haben fürs LkSG abgeliefert. Beispielsweise haben die Tönnies Unternehmensgruppe, die Vion Food Group und die Paul Wesjohann & Co. GmbH-Gruppe (u. a. Wiesenhof, Brüterei Weser-Ems, Mega ierernährung) Grundsatzerklärungen abgegeben und Prozesse etabliert, um menschenrechts- und umweltbezogene Risiken entlang der Lieferketten im eigenen Geschäftsbereich und bei den Lieferanten zu analysieren.

Indirekt in der Pflicht

„Auf diese Weise werden auch Landwirte und Direktvermarkter zwangsläufig in die Pflicht genommen, obwohl sie nicht direkt vom LkSG betroffen sind“, sagt Berater Waltmann. Er kritisiert, dass einzelne große vorgelagerte Stakeholder ihre Pflichten nach unten weg delegieren. Der AFC-Strategieberater skizziert das Vorgehen so: Der LEH und die großen Unternehmen müssen ihre Sorgfaltspflichten erfüllen, da sie direkt vom Gesetz betroffen sind. Sie verpflichten die kleinen und mittelständischen Unternehmen einschließlich der Landwirte durch Zusatzvereinbarungen und andere bindende Dokumente, ihre sozialen und ökologischen Risiken entlang ihrer Wertschöpfungskette zu identifizieren.

Zusätzlich müssen sie Maßnahmen zur Verbesserung eventueller Risiken etwa beim Mitarbeiterschutz ergreifen, diese Informationen ihren Abnehmern zur Verfügung stellen und ggf. auch berichten.

Nachhaltigkeit wird erfasst

Für die erforderliche Risikoanalyse der Lieferanten sowie des eigenen Geschäftsbereichs arbeiten beispielsweise die Agravis und das DMK mit dem Ratingunternehmen Ecovadis zusammen. Der unabhängige Dienstleister bewertet weltweit Branchen und Unternehmen hinsichtlich der Nachhaltigkeit. Zu den Kunden gehören u. a. auch Coca-Cola, Ferrero und Nestlé. Erfasst wird das Ganze in einem jährlichen Bericht der Firmen, die direkt betroffen sind und an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhr (BAFA) berichten müssen. Dies ist auch für die Kontrolle und Sanktionen zuständig. Bei Verstößen sind Zwangsgelder bis zu 50.000 € und Bußgelder bis zu 800.000 € möglich. Großen Unternehmen mit mehr als 400 Mio. € Umsatz drohen Strafen bis zu 2 % des Jahresumsatzes bzw. sie können für drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Es gibt zwar keine Erfolgs-, aber eine Bemühenspflicht. Im Zweifel muss das Unternehmen nachweisen, dass es sich um die Umsetzung des LkSG gekümmert hat.

Die betroffenen Unternehmen müssen über eine Beschwerdestelle verfügen. Sowohl eigene Mitarbeiter als auch Mitarbeiter der Zulieferunternehmen oder Kunden und Verbraucher sollen das Unternehmen auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken oder Verletzungen hinweisen können, die im eigenen Geschäftsbereich und in der Lieferkette auftreten. „Und damit ist das LkSG auch auf dem Acker und den landwirtschaftlichen Betrieben angekommen“, kommentiert Maximilian Waltmann. Beispielsweise ist damit selbstverständlich, dass Arbeitgeber ihren Saisonarbeitskräften Wasser und Sonnenschutz bereitstellen, ihnen angemessene Unterkünfte ohne Wuchermieten bieten, ihnen den Mindestlohn zahlen und sie krankenversichern.

Das Bürokratiemonster lauert

Auf die Landwirte rollen damit noch mehr Dokumentations- und Berichtspflichten zu. „Sie müssen mit Präventiv und Abhilfemaßnahmen rechnen sowie mit Vor-Ort-Überprüfungen“, berichtet Axel Finkenwirth vom DBV. Der Verband fordert, die Bürokratie einzudämmen.

Beispielsweise sollen gewisse Standards, die hierzulande selbstverständlich sind, gar nicht erst bei den einzelnen Landwirten bzw. Unternehmen der Lieferkette in Deutschland/EU abgefragt werden. Dazu gehören die Punkte: Kinderarbeit, Gewährleistung von Landrechten und Vereinigungsfreiheit. Der DBV hält es stattdessen für unbürokratischer und gerade für kleinere Unternehmen entlastender, das Vorliegen der Standards durch eine nationale Risikoanalyse nachzuweisen.

Eine andere Möglichkeit gegen die Bürokratieflut erhofft sich der DBV durch die Anerkennung von Zertifikaten. Der Verband geht davon aus, dass die Unternehmen des LEH, des Agrar- und Futtermittelhandels sowie der Ernährungswirtschaft zunächst die Zertifizierungssysteme ausbauen werden. Bestehende Systeme wie „QS“ und „IFS“ sollen dabei als Absicherung für den Handel dienen. Maximilian Waltmann sieht obendrein Genossenschaften wie etwa im Molkerei- sowie im Obst- und Gemüsesektor in der Pflicht, Landwirte und Mitglieder bei den Forderungen des LkSG „nicht im Regen stehen zu lassen“. Ein möglicher Weg sind in seinen Augen Schulungen, Audits und Weiterbildungen, um den Gedanken der Nachhaltigkeit auf Betriebsebene zu stärken.

Strengere Auflagen erwartet

Auch auf EU-Ebene kommt ein Lieferkettengesetz. Am Mittwoch, 24. April 2024, gab das Parlament endgültig grünes Licht für neue Vorschriften, die Unternehmen dazu verpflichten, gegen negative Folgen ihrer Tätigkeit für Menschenrechte und Umwelt vorzugehen. Nach Inkrafttreten muss Deutschland dann sein LkSG innerhalb der nächsten zwei Jahre entsprechend überarbeiten. „Spätestens mit Blick auf die europäische Richtlinie kann das Lieferkettengesetz für Unternehmen aller Stufen eine Chance bieten, sich einen strategischen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Denn wer sich nicht kümmert, wird am Ende gnadenlos ausgelistet“, zieht AFC-Berater Waltmann sein Fazit. Allerdings: „Alle geforderten Aktivitäten müssen für die Betroffenen verhältnismäßig sein und die entsprechenden Forderungen eine gegenseitige Akzeptanz erfahren.“ Ziel muss sein, dass die Anforderungen des LkSG langfristig umgesetzt werden und den gewünschten Mehrwert dort bringen, wo Umwelt- und menschenrechtliche Verstöße entstehen.

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