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Anteilskäufe bald unter behördlicher Kontrolle?

Lesezeit: 6 Minuten

Immer mehr Nicht-Landwirte kaufen Agrarflächen, oft über den Einstieg als Gesellschafter einer GbR, GmbH oder AG. Ob man diese Anteilskäufe genehmigungspflichtig machen kann, haben Prof. Dr. Lehmann und Prof. Dr. Schmidt-De Caluwe untersucht.


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Warum muss das Grundstückverkehrsrecht auf den Erwerb von Unternehmensanteilen ausgeweitet werden?


Lehmann: Land- und forstwirtschaftliche Flächen wechseln immer häufiger über den Verkauf von Gesellschaftsanteilen den Eigentümer. Das unterliegt bislang keiner Genehmigung und Kontrolle nach dem Grundstückverkehrsgesetz und lädt fast dazu ein, dieses zu umgehen.


Ist der Gesetzgeber befugt, diesen Bereich gesetzlich zu regeln?


Schmidt-De Caluwe: Nur wenn die Regelung mit den Grundrechten zur Eigentums- und Berufsfreiheit des Grundgesetzes und auch mit den Grundfreiheiten des EU-Rechts vereinbar ist. Das lässt sich aber sicherstellen.


Gibt es dafür Beispiele aus anderen Ländern?


Lehmann: In Österreich ist der Verkauf von Gesellschaftsanteilen in den meisten Bundesländern genehmigungspflichtig, wenn davon auch land- und forstwirtschaftliche Flächen betroffen sind. In Frankreich und in der Schweiz gibt es ähnliche Regelungen.


Was ist dort gesetzlich geregelt?


Lehmann: In der Regel gibt es eine Genehmigungspflicht, sobald Anteile an einer Gesellschaft zusammen mit land- und forstwirtschaftlichen Flächen veräußert werden. Der Verkauf ist aber erst dann genehmigungspflichtig, wenn eine bestimmte Flächengröße überschritten wird und der Erwerber einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft bekommt.


Welche staatliche Ebene müsste das in Deutschland machen?


Schmidt-De Caluwe: Die Länder, weil es im Kern um das landwirtschaftliche Grundstückverkehrsrecht geht. Dieses fällt seit der Föderalismusreform von 2006 in die Zuständigkeit der Länder.


Wie läßt sich die Genehmigungspflicht von Anteilskäufen begründen?


Schmidt-De Caluwe: Mit den gleichen Argumenten, mit denen wir auch das aktuelle Gesetz begründen. Es geht darum, die Agrarstruktur zu sichern und entwicklungsfähige landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten, die im ländlichen Raum für eine intakte Sozialstruktur und eine nachhaltige Bewirtschaftung sorgen. Wenn ein Verkauf von Gesellschaftsanteilen faktisch die gleichen Auswirkungen hat wie ein direkter Flächenerwerb, dann gehen von diesem Verkauf auch vergleichbare Gefahren aus.


Wenn die Politik darüber hinaus mit einem solchen Gesetz auch den Trend zu immer größeren Agrarunternehmen unterbinden will, wäre das aber mehr als die bisherige Gefahrenabwehr. Dann ginge es um die Gestaltung eines zukünftigen Agrarstrukturrechts.


Welche agrarstrukturellen und bodenpolitischen Ziele müsste der Gesetzgeber vorgeben?


Schmidt-De Caluwe: Die Politik müsste ein agrarstrukturelles Leitbild entwerfen, das auf die nachhaltige Sicherung einer vielfältigen Agrarstruktur abzielt und der eigenbetriebenen Landwirtschaft einen Vorrang einräumt. Ein solches Leitbild bedingt eine breite Streuung des Bodeneigentums, die räumliche Verbundenheit mit der Region und einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Boden. Maßnahmen, die eine regionale Konzentration am Bodenmarkt verhindern, wären damit gerechtfertigt. Daraus ließe sich auch ein privilegierter Flächenzugang für Junglandwirte bei Gründung bzw. Übernahme eines Betriebes ableiten.


Wie konkret müssen die Ziele definiert werden?


Schmidt-De Caluwe: Sie müssen so konkret sein, dass sie rechtlich handhabbar werden. Man könnte z. B. konkrete Betriebsgrößen definieren. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wird man diese aber kaum pauschal für ganz Deutschland festlegen können. Die jeweiligen agrarstrukturellen Ziele sind immer auch abhängig von der regionalen Agrarstruktur und der aktuellen Marktsituation. Das muss abgewogen werden, damit keine unwirtschaft-lichen Betriebsstrukturen geschützt werden.


Lassen sich alle Gesellschaftsformen gleichermaßen unter Genehmigungsvorbehalt stellen?


Lehmann: Das sollte der Gesetzgeber anstreben. Wenn einzelne Gesellschaftsformen befreit werden, lädt das zur Umgehung der Genehmigungspflicht ein. Deshalb wollen wir auch europäische und andere Unternehmensformen erfassen.


Börsenorientierte Unternehmen wollen Sie davon ausnehmen. Warum?


Lehmann: Bei börsennotierten Unternehmen werden Anteile in Sekundenschnelle veräußert. Es ist daher unmöglich, vorher eine Genehmigung einzuholen. Damit würde man den Börsenhandel der Gesellschaft unterbinden. Deshalb muss es hier eine Ausnahme geben. Sollte das von den Unternehmen als Schlupfloch genutzt werden, um der Genehmigungspflicht zu entgehen, könnte man dies ggf. über die Börsenzulassung verhindern.


Welche Erwerbsformen sollten genehmigungspflichtig werden?


Lehmann: Grundsätzlich alle, ganz gleich ob es sich um einen Kauf, eine Schenkung oder um eine Fusion (Verschmelzung) von zwei Unternehmen handelt. Ausnahmen muss es z. B. für den Übergang von Gesellschaftsanteilen im Zuge der Erbfolge geben.


Muss der Gesetzgeber auch Mindestgrenzen für den Flächen- und Beteiligungsumfang definieren?


Lehmann: Unbedingt. Erstens darf es nicht passieren, dass ein großes Unternehmen beim Anteilskauf nur deswegen genehmigungspflichtig wird, weil zu seinem Vermögen zufällig auch einige Hektar land- oder forstwirtschaftliche Flächen zählen. Und zweitens sollte die Prüfung von Mini-Beteiligungen vermieden werden, weil das die Abläufe unnötig bürokratisiert und verlängert. In den meisten unserer Nachbarstaaten sind auch nur Mehrheitsbeteiligungen genehmigungspflichtig.


Was wären sinnvolle Grenzen?


Lehmann: Grenzen zu definieren, ist Aufgabe des Gesetzgebers.


Was passiert, wenn ein Anteilskauf nicht genehmigt wird?


Lehmann: In Österreich muss der Kauf rückabgewickelt werden. Der Verkäufer bekommt seinen Anteil zurück. Das führt mitunter zu großen Problemen, wenn die neue Gesellschaft schon Beschlüsse gefasst hat, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen, z. B. eine Dividende ausgezahlt hat. Deshalb verhängt man in Frankreich stattdessen Bußgelder, wenn es zu ungenehmigten Veräußerungen von Anteilen gekommen ist und streicht diesen Gesellschaften auch staatliche Subventionen, z. B. für die Landwirtschaft.


Welche Schlüsse ziehen Sie daraus für Deutschland?


Lehmann: Wir sollten auch beim Anteilserwerb auf die Instrumente und Abläufe setzen, die sich beim Grundstückverkehrsgesetz bewährt haben. Und wir sollten Bußgelder für nicht genehmigte Anteilskäufe festlegen.


Wie ein Bußgeld wirkt, hängt maßgeblich von dessen Höhe ab.


Lehmann: Der Bußgeldkatalog für Ordnungswidrigkeiten kann voll angewendet werden. Das kann zu Bußgeldern in Millionenhöhe führen. Der Gesetzgeber sollte die Spielräume ausnutzen.


Wie können die Behörden nicht genehmigte Anteilskäufe aufspüren?


Lehmann: Das ist tatsächlich ein Problem. Ich bin sicher, dass die Informationen über veränderte Gesellschafterstrukturen früher oder später vor Ort bekannt werden, so wie das auch beim Grundstückverkehr der Fall ist. Wer also Anteilsverkäufe nicht meldet, läuft Gefahr, erwischt zu werden. Dann wird ggf. ein saftiges Bußgeld fällig. Dennoch: Eine vollständige Transparenz wird es nicht geben. Da hilft uns auch kein eigenständiges Register für Gesellschaften mit land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksbeteiligungen. Das wäre viel zu aufwendig und brächte auch nicht die notwendige Klarheit, weil sich letztlich hinter den angegebenen Gesellschaftern wieder andere Personen oder Gesellschaften verstecken könnten. Letztlich sind die Behörden auf die Zuarbeit der Bauern und Bürger und auf abschreckende Bußgelder angewiesen.


Wann verjährt eine nicht genehmigte Anteilsübernahme?


Lehmann: Derzeit gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Laufende Ermittlungsverfahren setzen diese Frist natürlich aus. Ich halte das für einen angemessenen Zeitraum.


Vielen Dank für das Gespräch! Dr. Ludger Schulze Pals

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