Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Aus Gras Pellets und Biogas erzeugen

Lesezeit: 6 Minuten

Wissenschaftler der Uni­versität Kassel haben einen Weg gefunden, wie man aus Naturschutzgras Pellets und gleichzeitig Biogas erzeugen kann. Die ersten Praxis­ergebnisse sind durchweg positiv.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Biogas wird nach wie vor fast überwiegend aus Mais und Getreide erzeugt. Zwischenfrüchte oder Gras spielen ­eine untergeordnete Rolle. Dabei steht der Maisanbau immer stärker in der Kritik – und das nicht nur aus ökologischen Gesichtspunkten, sondern auch weil er mit der Nahrungsmittelproduktion um die ohnehin knappen Flächen konkurriert.


Ansätze zur Lösung des Konflikts gibt es einige. Einer erscheint dabei besonders viel versprechend: der Einsatz von Gras – vor allem wenn es von geschützten Flächen stammt. Schließlich fällt es Jahr für Jahr in großen Mengen an und ist für die herkömmliche Landwirtschaft wegen des niedrigen Futterwertes von geringem Interesse. Konflikte sind somit ausgeschlossen.


Das Problem. Der Einsatz von Gras in Biogasanlagen ist kaum rentabel, da die Gaserträge aufgrund hoher Lignin- und Fasergehalte selbst bei langen Verweilzeiten äußerst gering sind. Wird es als Heu verbrannt, bereiten die hohen Mineralgehalte Schwierigkeiten. So schießen zum einen die Emissionen im Abgas teils über die gesetzlichen Höchstgrenzen hinaus. Zum anderen kann es zur Korrosion und Verschlackung in der Heizung kommen.


Die Lösung. An einem Ausweg aus dem Dilemma arbeiten derzeit Wissenschaftler im EU-Projekt „PROGRASS“. Sie haben ein technisches Konzept entwickelt, dass vor der Praxisreife steht: die so genannte integrierte Festbrennstoff- und Biogasproduktion aus Biomasse (IFBB-System). Der Clou: Die Biomasse wird mit Wasser besprüht (vermaischt) und abgepresst. Dabei entstehen ein leicht vergärbarer Saft für die Biogasproduktion und ein mineralstoffarmer Presskuchen für die Verbrennung.


Die Technik. Der Prototyp wurde in zwei Container eingebaut, die auf einem Lkw-Auflieger montiert und transportiert werden. Die Biomasse wird dem System in Form von Silage über ein Förderband zugeführt und in einem Vorratsbehälter zwischengelagert (Lagerkapazität: etwa ein Tag).


Zwei Förderschnecken transportieren die Silage kontinuierlich und computergesteuert aus dem Behälter in eine so genannte Maische. Dort wird die Biomasse auf einem langsam laufenden Förderband mit 30 °C warmem Wasser 30 Minuten lang beregnet. Die hierfür benötigte Wärme stammt aus der Abwärme der Biogasnutzung.


Eine Schneckenpresse entwässert nach dem Maischen die Silage. Der Presskuchen wird in Boxen gesammelt und getrocknet. Der Presssaft fließt in den zweiten Container, in dem sich die Biogasanlage befindet. Dort speichert ein Tank zunächst den Saft und beschickt nach Bedarf die drei Fermenter.


Den Kern der Fermenter bilden die Festbettreaktoren (1,35 m³ Volumen), die mit Rindergülle oder Gärrest angeimpft werden. Die drei Reaktoren laufen parallel. Pumpen versorgen sie mit Presssaft aus dem Vorratsbehälter.


Das Biogas wird verbrannt, die Wärme zu 100 % im Prototyp verwendet. Der Gärrest kann als Dünger verwendet werden. Aus dem getrockneten Presskuchen lassen sich z. B. Pellets herstellen.


Die entscheidende Frage des Projektes ist allerdings: Wie verteilen sich die Mineralstoffe aus der Silage beim Abpressen auf den Presskuchen und den Presssaft? Denn bei der Verbrennung der Pellets stören Mineralstoffe (Chlor, Kalium, Stickstoff, Schwefel). Idealerweise verbleiben sie daher im Saft und die in der Vergärung störenden Faserstoffe sowie Lignin in den Pellets.


Keine Emissions-Probleme. Die Experten haben daher auch die Massenflüsse der Mineralien untersucht. Sie stellten fest, dass sich die leicht löslichen Stoffe wie Kalium und Chlor gut in den Presssaft auswaschen lassen: Chlor zu rund 84 %, Kalium zu 79 % und Stickstoff zu etwa 33 %. Der Gehalt an Schwefel wird um ca. 47 % reduziert, was zu weniger Problemen mit Korrosion und Schwefeldioxid-Emissionen beim Verbrennen führt.


Gute Brennstoffeigenschaften. Die Ergebnisse zeigen außerdem: Die Brennstoffeigenschaften der Pellets sind im Vergleich mit denen aus unbehandelter Biomasse deutlich besser. Durch das Abpressen mit der Schneckenpresse kann der Trockensubstanzgehalt der Silage von 30 % auf 50 % erhöht werden, weshalb Energie zum Trocknen des Brennstoffs für die Pelletproduktion eingespart wird. Der Brennwert liegt bei rund 18,5 Megajoule pro Kilogramm Trockenmasse, die Ascheerweichungstemperatur bei rund 1 200 °C. Probleme mit der so genannten Verschlackung sind somit fast ausgeschlossen.


Aus dem Presssaft lässt sich gut Biogas erzeugen. In den Versuchsfermentern konnte er innerhalb von 14 Tagen vergoren werden – mit Methanausbeuten von 350 bis 400 l Methan pro Kilogramm organische Trockensubstanz (kg/oTS). Zum Vergleich: Maissilage kommt auf einen Ertrag von etwa 340 l Methan pro kg oTS und Ganzpflanzensilage auf 100 bis 200 l Methan pro kg oTS.


Konzept für Großanlage. Um die Erkenntnisse aus der Arbeit mit dem Prototypen in die praktische Anwendung zu übertragen, wurde ein Konzept für eine kommerziell nutzbare IFBB-Anlage entwickelt. Sie enthält sämtliche Anlagenbestandteile – von der Biomassekonservierung bis zur Pelletproduktion. Sie kann außerdem an eine bestehende Biogasanlage angedockt werden. Für die Praxis-Anlage wurden sowohl Energie- als auch CO2-Bilanzen erstellt und eine ökonomische Betrachtung vorgenommen. Die Ergebnisse:


  • Die Ertragserwartungen an das Naturschutzgrünland sind grundsätzlich sehr gering und schwanken darüber hinaus in Abhängigkeit der regionalen geologischen und klimatischen Bedingungen. Bei einem Ertrag von 3,5 t Trockenmasse können ca. 2,5 t Pellets je Hektar produziert werden.
  • Für die Trocknung des Presskuchens vor der Pelletierung wird die bei der Verstromung des Biogases anfallende Wärme verwendet. Diese reicht jedoch nicht aus, sodass zusätzliche Wärme benötigt wird, die beispielsweise durch die Verbrennung von ca. 15 % der erzeugten Pellets bereitgestellt werden könnte.
  • Der im BHKW produzierte Strom entspricht bei dem Prototypen in etwa dem internen Bedarf, der sich im Wesentlichen aus den Verbrauchern Schneckenpresse, Pelletpresse und Trocknungsgebläse zusammensetzt. Überschüsse werden ins Netz gespeist.
  • Unter Berücksichtigung aller Energieströme können mit dem IFBB-System ca. 50 % des im Grünland enthaltenen Bruttoertrages in die Nutzenergien Wärme und Strom überführt werden. Kombiniert man das IFBB-System mit einer existierenden landwirtschaftlichen Biogasanlage, die gerade in Grünland dominierten und strukturschwachen Regionen wenige Abwärmenutzer findet, kann dieser Wert auf knapp 60 % gesteigert werden. Bei herkömmlichen Biogasanlagen läge die Effizienz des spät geernteten Materials nur bei rund 30 %.
  • Das IFBB-System spart etwa 3 t CO2-Äquivalent pro Hektar ein. Bei herkömmlichen Biogasanlagen würden unter denselben Voraussetzungen geringere Werte erzielt. -ro–

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.