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AutoFOM liegt im Schnitt 1 % daneben

Lesezeit: 6 Minuten

Das Max-Rubner-Institut in Kulmbach hat die Schätzformeln für die Klassifizierung von Schweinen überarbeitet. top agrar diskutiert die Folgen mit Versuchs­leiter Prof. Dr. Wolfgang Branscheid.


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top agrar: Um die Schätzformeln für die Schweine-Klassifizierung zu korrigieren, haben Sie einen aufwändigen Klassifizierungs- und Zerlegeversuch durchgeführt. Was sind die Ergebnisse?


Branscheid: Die aktuellen Schätzformeln unterschätzen den Muskelfleischanteil deutlich. Das gilt besonders für die AutoFOM-Geräte, aber auch für handgeführte Sonden. Das AutoFOM unterschätzt den MFA im Schnitt um mehr als 1 %, im Bauch sogar um 5 %.


Auch die Teilstückgewichte sind verzerrt. Bei einzelnen Herkünften beträgt die Abweichung vom mittleren Gewicht mehr als 10 %. Die von uns auf Basis der Feinzerlegung neu entwickelten Formeln bereinigen diese Verzerrungen. Außerdem vermindern sie die Spanne zwischen extremen Genetiken.


top agrar: Haben die Schweinemäster durch diese Fehlschätzung in den letzten Jahren bares Geld verloren?


Branscheid: Nein, denn die Schlachtbetriebe haben bereits seit geraumer Zeit bemerkt, dass die alten Formeln nicht mehr passen. Sie haben darauf reagiert und ihre Abrechnungsmasken entsprechend angepasst. Unter dem Strich hat die „grüne Seite“ durch die Fehlschätzung kein Geld verloren. Denn die Geldmenge, die sich für die in Deutschland gehandelten Schweine insgesamt verteilen lässt, ändert sich ja nicht, sie wird nur etwas anders verteilt.


Vermutlich wird sich durch die neuen Formeln die Rangierung zwischen den verschiedenen Genetiken etwas verändern. Die Details zeigen sich aber erst, wenn die neuen Formeln in Kraft sind und die Schlachtunternehmen darauf mit entsprechenden Maskenänderungen reagieren.


top agrar: Welche Schweinetypen werden durch die Formeländerung verlieren und welche werden gewinnen?


Branscheid: Schweine mit hohem und mittlerem Muskelfleischanteil werden mit den neuen, überarbeiteten Formeln künftig vermutlich nicht mehr so stark unterschätzt. Sie profitieren von der Formeländerung.


In puncto Schlachtgewicht lassen sich Gewinner und Verlierer dagegen nicht so deutlich ausmachen. Schwere Schweine weisen aber tendenziell eine höhere Fettabdeckung auf. Fleischärmere Herkünfte sollten daher künftig früher verkauft werden als fleischreiche Typen. Denn jeder Millimeter Speck wird nach der Formeländerung noch härter bestraft, als jeder zusätzliche Millimeter Fleisch belohnt wird.


top agrar: Wann werden die neuen FOM-Formeln zum Einsatz kommen?


Branscheid: Die berechneten Schätzfor-meln müssen von uns zunächst in einem Feldversuch in drei Schlachthöfen auf Herz und Nieren überprüft werden. Das dauert vermutlich bis Mitte August. Anschließend stellen wir den Bericht an die EU-Kommission fertig. Denn die Kommission muss der Formeländerung zustimmen.


Wir hoffen, dass spätestens Anfang nächsten Jahres mit der Änderung der Handelsklassen-Verordnung begonnen werden kann. Hier müssen die neuen Formeln für die alten Klassifizierungsgeräte aufgenommen werden. Das gleiche gilt für die von uns getesteten neuen Klassifizierungsgeräte AutoFOM III und CSB-Image-Meater sowie die dazugehörigen neuen Schätzformeln. Außerdem muss die Physikalisch-technische Bundesanstalt (PTB) die Bauart-Zulassungen für die Geräte ändern bzw. erneuern. Das ganze Prozedere kann sich daher bis zum Frühsommer 2011 hinziehen.


top agrar: Können die neuen Schätzformeln auch für die Klassifizierung von Ebern angewendet werden?


Branscheid: Unsere Untersuchungen zeigen, dass die neuen Schätzformeln sowohl für Sauen als auch für Börge einsetzbar sind. Auf Eber sind die Formeln nach bisherigem Wissen hingegen nicht übertragbar. Denn die Zerlegeversuche haben gezeigt, dass es deutliche Unterschiede im Körperbau gibt. Das Vorderviertel macht bei Ebern z. B. einen höheren Anteil am Gesamt-Schlachtkörper aus als bei weiblichen Schlachtschweinen. Gleichzeitig ist der Schinkenanteil bei Ebern geringer als bei Sauschweinen.


top agrar: Wann werden eigene Schätzformeln für Eber vorliegen?


Branscheid: Wir werden noch in diesem Jahr rund 60 Eber im Computertomografen analysieren, um unsere Vermutungen zu untermauern. Wir raten jedoch davon ab, mit den dabei ermittelten Formeln Tiere aus der Ebermast zu klassifizieren, ge­schweige denn zu bezahlen. Denn wir können zurzeit keine verlässlichen Schätzformeln für die Ebervermarktung entwickeln, da wir das ideale Endgewicht nicht kennen.


top agrar: Bis jetzt sind bei AutoFOM nur Schätzformeln für den Muskelfleischanteil bekannt. Wann folgen die neuen Formeln für die Teilstückbewertung?


Branscheid: Die Schätzformeln liegen teilweise schon vor. Die Werte müssen von uns aber noch einmal abgeglichen werden. Denn wir wollen nicht, dass zwischen altem AutoFOM I und neuem ­AutoFOM III große Abweichungen bei den Ergebnissen auftreten. Beide Geräte müssen sehr genau in der Schätzgenauigkeit und im Schätzverhalten der Teilstücke übereinstimmen. Die letzten Untersuchungen dazu werden wir voraussichtlich Ende Juni abschließen.


top agrar: Das AutoFOM III-Gerät lieferte bei Ihren Untersuchungen wesentlich genauere Schätzwerte. Wird es das in die Jahre gekommene AutoFOM I bald komplett ablösen?


Branscheid: Die Elektronik des AutoFOM I stammt aus den 90er-Jahren. Seitdem hat die Technik Quantensprünge vollzogen. Heute können die Rechner in kürzerer Zeit sehr viel größere Datenmengen verarbeiten. Dadurch kommen wir in den neuen Schätzformeln auch mit einem zusammengefassten Speck- und einem Fleischmaß aus, wo früher mit insgesamt 124 Maßen jongliert werden musste. Und trotzdem erreichen wir eine Schätzgenauigkeit, die weit über die des AutoFOM I hinausgeht.


Das Interesse der Schlachtindustrie an den neuen AutoFOM III-Geräten ist daher groß. Ich gehe davon aus, dass die neuen Klassifizierungsgeräte zum Einsatz kommen, sobald die neuen Schätzformeln rechtskräftig sind.


top agrar: Und welche Chancen räumen Sie dem neuen Videobild-Analysegerät „CSB-Image-Meater“ ein?


Branscheid: Das neu konstruierte AutoFOM III er-fasst mit einem statistischen Bestimmtheitsmaß von 0,75 (maximal sind 1,0 möglich) rund drei Viertel der Wahrheit. Und das AutoFOM I weist nach unseren Berechnungen ein Bestimmtheitsmaß von 0,64 auf. Beim CSB-Image-Meater beträgt das Bestimmtheitsmaß hingegen nur 0,5. Damit schätzt es den Muskelfleischanteil nicht genauer als das Zweipunktverfahren und sollte in Deutschland daher nur unter besonderen Bedingungen zum Einsatz kommen.


Anders in Frankreich. Hier hat man sich darauf geeinigt, das CSB-Image-Meater als Standard-Gerät einzusetzen. Das funktioniert, wenn man nur einen Gerätetyp benutzt und man keine Verzerrung gegenüber anderen Schätzverfahren berücksichtigen muss. Vorteil hierbei ist, dass bei einem plötzlichen Ausfall der Geräte zügig auf das einfache Zweipunktverfahren umgestellt werden kann, bei dem die Speck- und Fleischdicke per Schiebelehre gemessen werden.


top agrar: Herr Branscheid, wir danken für das Gespräch!


Das Interview führte top agrar-Redakteur Henning Lehnert.

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