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Betriebs-Check: Wo Prüfer Probleme sehen

Lesezeit: 10 Minuten

Sachverständige stellen bei den vorgeschriebenen Kontrollen auf vielen Biogasanlagen Mängel fest. Welche sind das und wie lassen sie sich beheben?


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Drei Viertel aller Biogasanlagen haben Mängel. Das zeigt die jüngste Auswertung der Kommission für Anlagensicherheit (KAS) im Bundesumweltministerium. Danach haben im Jahr 2011 Sachverständige 336 Biogas- anlagen nach den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) geprüft. Mängel hatten sowohl neue als auch ältere Anlagen.


Richtig interpretieren:

„Auf den ersten Blick haben Biogasanlagen unverhältnismäßig viele Mängel. Aber diese Zahlen muss man richtig interpretieren“, fordert Josef Ziegler, Sachverständiger von der Arbeitsgemeinschaft „Biogas Safety First“ aus Schwandorf und Sprecher des Arbeitskreises Sicherheit im Fachverband Biogas.


Denn die Prüfkriterien sind nicht speziell für Biogasanlagen gemacht, sondern ursprünglich für Industriebetriebe. Doch auch wenn man über die absolute Zahl streiten kann – erhebliche Mängel kommen bei Biogasanlagen seit Jahren häufig vor. Im folgenden erläutern wir, wie ein Betriebs-Check in der Praxis aussieht und welche Mängel die Prüfer häufig feststellen.


Bei der Prüfung geht Ziegler nach seiner 15-seitigen Checkliste vor. „Wir prüfen die Anlage auf Basis der Betriebssicherheitsverordnung möglichst umfassend, da bei vielen Anlagen sonst keine andere Sicherheitsprüfung gesetzlich vorgeschrieben ist“, erklärt der Sachverständige, der weiß, dass jeder Betreiber einer Anlage irgendwann betriebsblind wird.


Anlage komplett prüfen:

Seiner Meinung nach braucht jede Biogasanlage ein umfassendes Sicherheitskonzept. „Aus unserer Sicht bringt es nichts, beispielsweise nur ausgewiesene Ex-Zonen zu prüfen, ob es darin Zündquellen oder Gasaustritt gibt“, erklärt er. Denn selbst aus dem Rohstoff z. B. kann Gas entweichen. Daher muss der Betreiber den gesamten Prozess und alle Bauteile der Anlage gleichermaßen in sein Sicherheitskonzept einbeziehen.


Ziegler hält auch von der Praxis nicht viel, dass einige Biogasanlagenhersteller nach der Inbetriebnahme eine „befähigte Person“ (wie es im Fachjargon heißt) gleich mitbringen, die die Prüfzertifkate ausstellt. Denn dabei besteht immer die Gefahr, dass das eine oder andere Auge zugedrückt wird. „Es geht ja nicht nur um eine Unterschrift unter einem Dokument, sondern darum, ob die Anlage funktioniert und sicher ist“, macht er deutlich.


Gefahren analysieren

: Jede Prüfung beginnt zunächst im Büro. Hier nimmt er sich zunächst den Genehmigungsbescheid vor und prüft, ob es spezielle Auflagen gibt und ob diese umgesetzt sind. Dann kontrolliert er den Ex-Zonenplan (also die Übersicht mit den explosionsgefährdeten Bereichen), das vorgeschriebene Ex-Schutz-Dokument und die Gefährdungsbeurteilung. Diese ist für Ziegler das wichtigste Dokument überhaupt. „Denn der Betreiber muss darin genau aufführen, in welchen Bereichen Gefahren für ihn, die Mitarbeiter und die Umwelt auftreten können“, zählt er auf.


Das bedeutet, dass er sich mit der gesamten Anlage und deren Funktionen auseinandergesetzt hat – sowohl für den Normalbetrieb, aber auch für die In- und Außerbetriebnahme und vorhersehbare Störungen. Wie die Schadensstatistik der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forst und Gartenbau (früher: Berufsgenossenschaft) zeigt, passieren die meisten Unfälle nicht im Normalbetrieb, sondern bei Reparaturen und Revisionen.


Wichtige Punkte, die eine Gefährdungsbeurteilung u.a. abdecken sollte:


  • Welche Anlagenkomponenten weisen welche spezielle Gefahren auf und wie wird diesen begegnet?
  • Welche gefährlichen Betriebsmittel gibt es, wie sind Betriebsleiter und Mitarbeiter abgesichert?
  • Welche Gefahren können von drehenden Teilen (z. B. Annahmedosierer) und hoch gelegenen Arbeitsplätzen (Wartungsplattformen für Behälterdurchbrüche) ausgehen?
  • Was ist beim Einstieg in den Behälter zur Reinigung oder Reparatur zu beachten?
  • Welche Gefahren drohen bei Unwetter wie Sturm, Hochwasser oder starkem Frost?
  • Wie sieht der Brandschutz aus?
  • Wie werden Handwerker schriftlich unterwiesen, die Reparaturarbeiten wie Schweißen, Löten oder Flexen durchführen?


„Jeder Betreiber sollte sich einmal die Zeit nehmen und anhand der Gefährdungsbeurteilung alle Aspekte in Bezug auf Anlagen- und Betriebssicherheit zum Schutz für ihn und die Mitarbeiter durchdenken und dies schriftlich festhalten“, fordert Ziegler.


Hersteller in der Pflicht:

Als nächstes nimmt er sich die Herstellerdokumentation vor. Der Anlagenerrichter oder Generalunternehmer weist damit nach, dass er die Anlage entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen errichtet hat. Dazu gehört u.a. eine umfassen-de Bedienungsanleitung. „Darin sollte auch stehen, welche Bereiche der Anlage gefährlich sind und wie sich der Betreiber zu verhalten hat – von der Substrateinführtechnik über das BHKW bis zur Gülleentnahme“, macht Ziegler deutlich.


Beispielsweise sollten hier auch Gegenmaßnahmen im Falle von Störungen beschrieben sein, was z. B. beim Auftreten von Schaum zu tun ist oder welche Bauteile bei einem Gasalarm anspringen. Anhand der detaillierten Betriebsanleitung kann der Betreiber dann die für ihn wichtigen Punkte für seine Gefährdungsbeurteilung herausziehen. „Dabei es egal, ob es sich um eine Megawatt-Anlage oder eine kleine Güllebehandlungsanlage handelt, sie alle können davon betroffen sein“, tritt Ziegler dem Argument entgegen, dass das ja nur für größere Anlagen wichtig sei.


Zu der Herstellerdokumentation gehören auch Detailzeichnungen zu sicherheitsrelevanten Bauteilen (z. B. ein Schnitt durch den Kondensatschacht, zur Gasüberdrucksicherung oder zur Gasspeicherbefestigung). Ein Rohrleitungs- und Instrumentenfließbild mit Darstellung aller Mess- und Regeleinrichtungen wäre auch empfehlenswert, ist aber längst nicht bei allen Herstellern Usus. „Wenn schon kein Fließbild vorhanden ist, dann sollten zumindest die sicherheitsrelevanten Überwachungsfunktionen und ihre Folgehandlungen schriftlich nachvollzogen werden können“, so Ziegler.


Prüfberichte fehlen oft:

Oft glaubt der Betreiber, dass er mit dem Erhalt der Herstellerdokumentation allen Pflichten bereits nachgekommen ist. Denn diese kann durchaus fünf bis zehn Ordner umfassen. Aber da beginnt erst die Arbeit. Denn er muss die Inhalte kontrollieren und zu einer Betreiberdokumentation ausweiten. So stehen auch Prüfberichte zu unterschiedlichen Bauteilen auf Zieglers Checkliste. Gerade bei diesen beiden Punkten stellen Prüfer laut KAS-Erfahrungsbericht sehr viele Mängel fest. Beispiele aus dem Bericht:


  • Prüfprotokolle bzw. Prüfbescheinigungen fehlten oder waren zu alt (u.a. zur Dichtheit des gesamten Gassystems oder zu den elektrischen Installationen in den ausgewiesenen Ex-Zonen),
  • Unterlagen des Anlagenherstellers fehlten (z.B. über die fachgerechte Installation des Schaltschranks oder über die elektrische Anlage),
  • Prüf- und Dokumentationsunterlagen des Anlagenherstellers wie Konformitätserklärungen, Materialgütenachweise, Betriebsanleitung und - anweisungen, Wartungsanleitungen, Dichtheitsprüfungen oder Prüflisten für Sensoren waren nicht vorhanden,
  • Aufstellungs- und Rohrleitungspläne, Verfahrensfließbilder und Funktionsbeschreibungen der Biogasanlage lagen nicht vor, waren nicht vollständig oder nicht aktuell,
  • Betriebsanweisungen für Inbetriebnahme, Betrieb, Wartung und Störung sowie Außerbetriebnahme lagen nicht vor oder waren nicht aktuell,
  • Notstromkonzept, Sicherheitskonzepte, Alarm- und Gefahrenplan fehlten,
  • eine Prüfung vor Inbetriebnahme nach Betriebssicherheits-Verordnung oder nach Wasserrecht lag nicht vor.


Sicherheitsordner anlegen!

Damit wichtige notwendige Unterlagen nicht übersehen werden, empfiehlt Ziegler einen eigenen Sicherheitsordner anzulegen. Darin müssen nicht alle Unterlagen im Original abgeheftet sein, aber zumindest die Gefährdungsbeurteilung, das Explosionsschutzdokument, Sicherheitsdatenblätter, Betriebsanweisungen, Alarm- und Feuerwehrplan, Ex-Zonenplan, notwendigen Prüfberichte, Fließbilder usw. Falls die einzelnen Dokumente zu umfangreich sind, sollte in dem Sicherheitsordner zumindest ein Hinweis stehen, wo die Unterlagen zu finden sind. „Wichtig ist, dass der Betreiber so einen Ordner vor der Inbetriebnahme anlegt“, rät der Sachverständige.


Dabei sollte ihm der Anlagenhersteller helfen. Inzwischen gibt es aber auch freie Berater, die bei der Dokumentation bis hin zur Gefährdungsbeurteilung zur Seite stehen.


Kontrollgang planen:

Ein weiterer Punkt, der laut KAS-Bericht bemängelt wird, sind fehlende Wartungspläne. „Die Pläne müssen die täglichen, wöchentlichen, monatlichen oder jährlichen sicherheitsrelevanten Tätigkeiten umfassen“, meint Ziegler. Aber die Pläne allein nützen im Alltag nicht viel. Für wichtig hält Ziegler einen täglichen festgelegten Rundgang über die Anlage, den jeder Betriebsleiter oder Mitarbeiter dokumentieren sollte. Denn wenn sich Geräusche, Gerüche, Vibrationen etc. verändern, sind das wichtige Anzeichen, mit denen sich mögliche Störungen schon im Vorfeld entdecken lassen.


Der Wartungsplan muss aber nicht nur Aufgaben enthalten, die man selbst durchführen kann (wie das Fetten der Seildurchführungen der Tauchmotorrührwerke), sondern auch diejenigen, für die Wartungspersonal beauftragt werden muss. Dazu gehört u.a. das regelmäßige Kalibrieren der Gassensoren.


Check der Bauteile:

Nach dem „Büroteil“ der Prüfung, der je nach Vorarbeit des Anlagenleiters mehrere Stunden dauern kann, geht Ziegler mit ihm über die Anlage. Zunächst stehen auf seiner Checkliste allgemeine Bestandteile wie Feuerlöscher, Verbandskasten oder Gasspürgerät.


Auch hier zeigt der KAS-Bericht, dass diese Dinge nicht selbstverständlich auf jeder Anlage sind. So haben Prüfer das Fehlen von Feuerlöschern oder eine unzureichende Löschwasserversorgung bemängelt. Auf der Mängelliste stehen aber auch weitere fehlende Bauteile oder Komponenten:


  • Ein Anfahrschutz an vielen Anlagen und Komponenten,
  • Bedienpodeste inklusive Zugängen für die Kontroll- und Wartungsarbeiten,
  • ein ordnungsgemäßer Abfüllplatz für Gülle und Gärreste.


Auch ein Schutz vor dem Zugriff Unbefugter ist nach Zieglers Ansicht unbedingt notwendig. „Es ist wichtig, dass der Betreiber in seiner Gefährdungsbeurteilung aufführt, wie gut sich die Anlage schützen lässt“, führt er an. Also: Wie können Schieber oder Türen gegen mutwilliges Öffnen geschützt werden?


Als nächstes geht es zu den einzel-nen Anlagenkomponenten. Bei einigen Komponenten kontrolliert Ziegler, was passiert, wenn der Not-Aus-Schalter gedrückt wird. Funktioniert die Alarmkette? Geht die Anlage in einen sicheren Zustand über?


Frostsichere Rohrleitungen:

Dann geht es zu den Rohrleitungen. „Gut ist, wenn diese frostsicher eingehaust sind“, erklärt Ziegler. Falls dieses nicht möglich ist, sollten Betreiber entsprechende Vorkehrungen treffen. Dass das nicht immer der Fall ist, zeigt auch wieder der Blick in den KAS-Bericht: Die Rohrleitungen waren teilweise nicht frostsicher ausgelegt oder die Anschlüsse an den Behältern entgegen den vorgelegten Planungsunterlagen nicht so gebaut wie geplant, es fehlten Rohrstützen mit Betonfundamenten zwischen erstem und zweitem Schieber.


Viel Zeit verbringt der Sachverständige bei den Gasleitungen und dem Blockheizkraftwerk-Raum. Beim Auslösen des Gassensors will er u.a. sehen, ob auf dem Handy des Betreibers eine normale Störung oder „Gasalarm“ angezeigt wird.


Auch hier zeigt die Mängelliste im KAS-Bericht aktuelle Probleme auf. So waren auf einigen Anlagen keine Gas- analysegeräte eingebaut, eine falsche Druckanbindung für die Gasfackel vorhanden oder PVC-Kunststoffleitungen zum Leiten von Biogas verwendet worden. Weitere Fehler:


  • Sicherheitsrelevante Ausrüstungsteile wie Not-Aus-Schalter, Raumluftüberwachung, Gasdruckwächter, Rauch-melder usw. waren nicht fachgerecht verschaltet, sodass das Gaswarnsystem nicht die entsprechenden Schaltungen vorgenommen hat.
  • Verdichter wurden in einem geschlossenen Raum ohne Raumluftüberwachung oder Gaswarngerät aufgestellt.
  • Die Öffnungen zwischen BHKW- Raum und Schaltwarte waren nicht gasdicht und brandsicher verschlossen.


Dokumentation hilft:

Ziegler weiß, dass viele Anlagenbetreiber von Prüfungen und dem „Papierkram“ genervt sind. Sein Rat: „Aber wenn einmal eine saubere Dokumentation steht, dann sind weder die wiederkehrenden Prüfungen ein Problem, noch der Aufbau eines Sicherheitsmanagement-Systems, falls die Anlage einmal unter die Störfallverordnung fallen sollte.“


Der Mängelbericht eines Sachverständigen über die eigene Anlage ist daher keine Schikane, sondern ein Hinweis, dass es ein Sicherheitsrisiko für ihn und seine Mitarbeiter gibt. Zieglers Credo: „Im Schadensfalle glaubt der Staatsanwalt einem Betreiber nur das, was dieser nachvollziehbar belegen kann.“ Zur Behebung der Mängel ist meistens nicht die Höhe der Investition entscheidend, sondern der organisatorische Aufwand. Ein Geländer auf einem Fermenterdach z.B. ist immer günstiger als die Folgekosten, die bei einem Unfall entstehen!

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