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Brauchen wir die Initiative Tierwohl?

Lesezeit: 5 Minuten

Ist die Initiative Tierwohl ein Gewinn oder nur ein büro­kratisches Monster, bei dem die Bauern am Ende wieder die Zeche zahlen? Zwei Landwirte beziehen Stellung.


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PRO


Für mich ist die Initiative Tierwohl, bei der die Branche selbst das Heft in der Hand hält, der einzig richtige Weg. Lösungen oder Vorgaben vom Gesetzgeber sind immer die schlechtere Alternative.


Natürlich besteht auch bei diesem Branchenkonzept die Gefahr, dass einzelne Kriterien auf Dauer zum Standard werden. Doch bis es soweit ist, erhalten wir Schweinehalter wenigstens einen finanziellen Ausgleich.


Wichtig ist aus meiner Sicht außerdem, dass ich dank des umfangreichen Kriterienkatalogs handlungsfähig bleibe. Egal ob ich meinen Schweinen 10 % mehr Platz anbiete oder die Ringelschwanzprämie „mitnehme“, die breite Auswahl an Kriterien erlaubt betriebs-individuelle Lösungen. Gleichzeitig ist die Teilnahme freiwillig.


Ich habe bereits mit spitzem Bleistift gerechnet, einige Kriterien-Kombi-nationen passen sehr gut zu meinem Betrieb. Ich sehe durch die Initiative auch für meinen eher klein struk-turierten Hof die Chance, die Produktion so aufzustellen, dass ich davon auch in Zukunft leben kann.


Wird die Initiative Tierwohl so wie derzeit geplant in der Praxis umgesetzt, wäre sie allen anderen derzeit am Markt befindlichen Tierwohllabeln überlegen. Denn wir Bauern werden auf dem Weg zu mehr Tierwohl mitgenommen, gleichzeitig bleibt das Fleisch für die Verbraucher erschwinglich. Allein das zählt! Niemandem nützt es, wenn durch zu hohe Auflagen Fleisch so stark im Preis steigt, dass es zum Ladenhüter wird.


Nun mag mancher Schweinehalter denken, wozu das Ganze? Demjenigen sage ich: Wir müssen akzeptieren, dass der Verbraucher unsere Produktionsweise nicht mehr versteht. Da helfen selbst schöne Bilder von hygienisch einwandfreien und hellen Ställen mit gesunden und aktiven Schweinen nicht weiter. Auch Tage der offenen Stalltür haben bislang nicht zu mehr Verständnis geführt. Die Realität auf unseren Höfen und die Vorstellungen des Kunden liegen nach wie vor weit auseinander.


Es ist für jeden Praktiker auf Dauer deprimierend, wenn wir uns immer nur für die heutige Art der Tierhaltung rechtfertigen müssen. Neue, praxistaugliche Konzepte wie die Initiative Tierwohl sind aus meiner Sicht deshalb längst überfällig. Auch wenn viele Berufskollegen glauben, dass wir Deutschen weltweit schon Vorreiter im Tier- und Umweltschutz sind.


Jetzt gilt es, das Konzept so schnell wie möglich vertraglich festzuzurren. Denn das Interesse an der Tierhaltung ist in Deutschland selten so hoch gewesen wie heute. Unsere Schweinehaltung wird gesellschaftlich nur dann wieder akzeptiert, wenn wir Tierhalter schnell handeln.


Ein breites Bekenntnis zur Initiative Tierwohl kann uns helfen, dass wir den Kritikern unserer Haltungsmethoden den Wind aus den Segeln nehmen. Ich jedenfalls bin dabei!


Johannes Hoffrogge, Sauenhalter und Mäster aus Spelle, Niedersachsen


CONTRA


Rainer Vogt, Schweine-mäster aus Blaufelden, Baden-Württemberg.


Ich sehe die Initiative Tierwohl kritisch. Warum bürden uns die eigenen Verbände schon wieder neue Auflagen auf? Anstatt Selbstbewusstsein zu demonstrieren, hat man sich den Schneid abkaufen lassen. Dabei haben wir Landwirte in puncto Tierwohl schon vieles umgesetzt. Folgende Beispiele fallen mir dazu ein:


  • 90 % der deutschen Betriebe sind QS-zertifiziert, mit den entsprechend höheren Produktionsauflagen.
  • Die AFP-Förderung wurde schon vor Jahren an den Tierschutz gekoppelt.
  • Die Ställe sind im Hinblick auf das Tierwohl immer besser geworden (mehr Licht, besseres Stallklima etc.).
  • Zu Beginn dieses Jahres haben wir die Schweinehaltungs-Verordnung umgesetzt, die Gruppenhaltung bei Sauen ist flächendeckend eingeführt.
  • Das Antibiotika-Monitoring läuft.


Mit der Initiative Tierwohl gestehen wir uns indirekt ein, dass unsere Tierhaltung nicht in Ordnung ist und Handlungsbedarf besteht. Und warum lassen wir uns von Tierschutzverbänden, deren Argumente nur 5 % der Verbraucher unterstützen, so unter Druck setzen? Glauben wir denn wirklich, dass die Tierschützer nach dem Start der Initiative Tierwohl Ruhe geben?


Unser Weg muss ein anderer sein. Wir Schweinehalter müssen uns um unsere Käuferschicht selbst kümmern und diese fachlich und ehrlich aufklären. Anstatt einen dreistelligen Millionenbetrag in die Initiative Tierwohl zu stecken, sollte der LEH lieber Geld in den Aufbau eines glaubwürdigen Kommunikationskonzeptes investieren.


Die Absichten des LEH halte ich ohnehin für durchsichtig und scheinheilig. Er spielt meiner Meinung nach ein falsches Spiel. Der Handel sagt uns Landwirten immer, dass der Verbraucher mehr Tierwohl will. Da er das Fleisch der Initiative aber nicht kennzeichnet, gibt er dem Konsumenten gar nicht die Möglichkeit, gezielt Tierwohlware zu kaufen. Ich meine, dass sich Aldi, Lidl, Rewe und Co. durch ihr Engagement einzig und allein vor negativen Schlagzeilen schützen wollen. Das ist nicht nachhaltig, nicht trans-parent und ehrlich schon gar nicht!


Der LEH will die Tierwohlware aber auch deshalb nicht kennzeichnen, weil er seine Produkte weiterhin dort einkaufen möchte, wo sie am günstigsten sind. Wir sollten uns deshalb zumindest so lange gegen höhere deutsche Standards wehren, bis eine klare Herkunftsbezeichnung auf der Fleisch-packung zu finden ist. Oder mit Nachdruck darauf pochen, dass unsere Mitbewerber in der Tierhaltung (zumindest auf EU-Ebene) zu unseren Qualitäts- und Tierschutzkriterien aufschließen.


Um nicht missverstanden zu werden: Ich wehre mich nicht gegen neue Haltungs- bzw. Produktionsmethoden, und ich kann mir auch gut vorstellen, in zehn oder 15 Jahren Mastställe mit Auslauf und Strohvorlage erfolgreich zu betreiben. Doch bis dahin muss die Forschung uns Wege aufzeigen, wie man höhere Tierwohlstandards wirtschaftlich erfolgreich umsetzt.


Und noch ein Satz zum Schluss, der mir immer wieder vor Augen hält, was dem LEH wirklich wichtig ist. Zitat Aldi: „…der Handel ist seinen Käufern verpflichtet und nicht seinen Lieferanten!“ Das war im Juni 2013, als die Verhandlungen über die Initiative Tierwohl bereits in vollem Gange waren.

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