Das tierärztliche Apothekenrecht, das so genannte Dispensierrecht, soll auf den Prüfstand. Warum?
Böhne: Die Tiermedizin wird dafür verantwortlich gemacht, dass in letzter Zeit vermehrt multiresistente Krankenhauskeime auftreten. Uns Tierärzten wird vorgeworfen, zu viel Antibiotika zu verschreiben. Da wir neben der tierärztlichen Beratung gleichzeitig auch Arzneimittel verkaufen dürfen, hätten wir gar kein Interesse daran, den Arzneimittelverbrauch nachhaltig einzuschränken. Im Gegenteil.
Welche Folgen hätte die Abschaffung für die ärztliche Versorgung kranker Tiere?
Böhne: Es würde zu einer deutlichen Verzögerung bei der Behandlung kranker Tiere kommen – gerade in ländlichen Regionen oder an Wochenenden. Denn der Landwirt muss mit dem Rezept, das er vom Tierarzt bekommt, erst zur Apotheke fahren und das Medikament besorgen. In der Zwischenzeit haben sich die Symptome aber unter Umständen verschlimmert. Oder es können sich weitere Tiere infiziert haben. Dem Tierschutz würde dadurch ein Bärendienst erwiesen.
Und was ist mit den Behandlungskosten?
Böhne: Die Behandlung würde vermutlich teurer. Denn auch der Apotheker will Geld verdienen. Und die Tierärzte, die sich künftig überwiegend über die Beratung finanzieren, müssten deutlich höhere Honorare in Rechnung stellen. Stundensätze von 200 € und mehr wären dann keine Seltenheit.
Würde durch die Abschaffung des Dispensierrechts die Kontrolle der Arzneimittel-Anwendung verbessert?
Böhne: Ganz im Gegenteil. Im Moment erfolgt die Dokumentation über die AuA-Belege, ausgestellt in einer der 10 000 tierärztlichen Hausapotheken Deutschlands. Erfolgt die Abgabe über eine der 21 000 öffentlichen Apotheken, wäre der Flaschenhals viel weiter. Zusätzlich würde die Überwachung dadurch erschwert, dass die Veterinärbehörden nicht für die Kontrolle öffentlicher Apotheken zuständig sind.
Ließe sich der Antibiotikaverbrauch in der Nutztierhaltung dadurch reduzieren?
Böhne: Das ist unwahrscheinlich. Denn durch die Trennung von Arzneimittelabgabe und -anwendung unternimmt man noch nichts gegen die eigentlichen Ursachen des vermeintlich zu hohen Arzneimittelverbrauchs in der Nutztierhaltung. Auslöser sind hier häufig Hygiene-, Management- und Haltungsfehler. Wenn man den Antibiotika-verbrauch nachhaltig reduzieren will, dann muss man zunächst die Vielverbraucher ausfindig machen, um diese dann ganz gezielt beraten zu können. Allein durch die Abschaffung des Dispensierrechts wird es jedenfalls nicht gelingen, den Arzneimittelverbrauch deutlich zu verringern.
Dr. Inge Böhne, Bundes-verband praktizierender Tierärzte