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Der Mittelstand will kein Eberfleisch

Lesezeit: 5 Minuten

Während die drei großen deutschen Schlachtunternehmen Tönnies, Westfleisch und Vion in der Jungebermast durchaus Perspektiven sehen, stehen fast alle mittelstän-dischen Schlachtbetriebe der Ebermast kritisch gegenüber.


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Josef Hempen, Geschäftsführer des Unternehmens „Böseler Goldschmaus“, befürchtet, dass durch die Ebermast der Fleischabsatz zurückgehen könnte. „Wenn jeder Bundesbürger anstatt 40 kg nur noch 35 oder 36 kg Schweinefleisch pro Jahr verzehrt, sind wir alle die Verlierer. Dann sitzen wir auf einem riesigen Fleischberg, und wir wissen irgendwann nicht mehr wohin damit, da auch der Export zusammenbrechen wird“, warnt Hempen.


Dass Hempens These gar nicht so abwegig ist, soll folgendes Beispiel verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, Sie laden zu einer Grillparty ein. An der Ladentheke überlegen Sie, welches Grillfleisch Sie einkaufen sollen. Würden Sie sich wirklich für Schweinefleisch entscheiden, wenn Sie wüssten, dass ein Fleischstück geruchsbelastet sein könnte? Würden Sie nicht eher den sicheren Weg wählen und sich für Geflügel entscheiden?


Wir brauchen Alternativen.

Der Schlachthof-Manager steht mit seiner Meinung längst nicht mehr allein da. Auch andere mittelständische Schlachtunternehmen sehen Eberfleisch kritisch. Sie sehen vor allem strukturelle Veränderungen auf die Branche zukommen.


Denn viele Mittelständler sind gar nicht in der Lage, in größerem Umfang Eberfleisch zu verarbeiten, geschweige denn zu vermarkten. Vielen Betrieben fehlen die Kapazi-täten im Schlachthof. Kaum ein Mittelständler hat die Möglichkeit und das Geld, eigene Verarbeitungs-linien für geruchsauffällige Tiere zu installieren.


Gerade in Süddeutschland, wo die Branche sehr arbeitsteilig organisiert ist, könnten Schlachthofschließungen die Folge sein, sollte die flächendeckende Jungebermast kommen. Das spielt wiederum den Großen der Branche in die Hände. Ihre Marktmacht würde weiter wachsen. Sogar ein „Eberschlacht-Monopol“ wäre auf Dauer denkbar!


Viele wünschen sich deshalb, dass die Alternativen zur Ebermast (Immunokastration, Betäubung) in der Diskussion viel stärker Berücksichtigung finden. Doch auch bei den Alternativverfahren gibt es weiterhin ungelöste Probleme: Die Betäubung der Ferkel ist teuer, die Tierverluste steigen und das Prozedere nimmt viel Zeit in Anspruch. Viele Schweinehalter sehen das Verfahren deshalb skeptisch. Auch der Impfung gegen Ebergeruch werden momentan allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt. Der Grund: Die Unbedenklichkeit des Fleisches für den Konsumenten ist der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln.


Vertreter der mittelständischen Unternehmen und Vermarkter gehen deshalb davon aus, dass die Alternativen allenfalls ein kleines Segment im Markt einnehmen werden. „Die Kosten für die Betäubung sind einfach zu hoch“, so Burkhard Hock, Geschäftsführer der EG Franken-Schwaben in Wertingen.


Metzger winken ab:

Es gibt noch ein weiteres Problem: Die meisten Mittelständler haben kaum Absatzalternativen. Marktexperte Dr. Albert Hortmann-Scholten betont, dass viele Betriebe sehr stark am Tropf eines Abnehmers hängen. „Und wenn der wichtigste Geschäftspartner Eberfleisch ablehnt, dann können die Schlachter keine Eber annehmen. Würden sie es doch tun, würden sie sofort ausgelistet. Dann säßen sie auf ihrer Ware“, gibt Hortmann-Scholten zu bedenken.


Dem stimmt Rudolf Festag, Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Osnabrück (EGO), zu. Da die EGO keine eigene Rohwurst-Herstellung betreibt, sind ihre Absatzmöglichkeiten für geruchsauffälliges Fleisch begrenzt. „Kunden zu finden, die Eberfleisch kaufen, ist derzeit äußerst schwierig“, betont Rudolf Festag.


Der Erzeugergemeinschaft Osnabrück sind bis auf Weiteres die Hände gebunden. Denn das deutsche Fleischerhandwerk, wichtigster Handelspartner der niedersächsischen Erzeuger­gemeinschaft, lehnt Eberfleisch nach wie vor kategorisch ab.


Wie der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Fleischer-Verbandes (DFV), Martin Fuchs, gegenüber top agrar erklärt, muss zuerst sichergestellt sein, dass man geruchsauffälliges Fleisch absolut sicher erkennt. „Vorher wird kein Eberfleisch in den über 16 000 deutschen Metzgereien verkauft. Außerdem müssen alle Fragen hinsichtlich der Qualität eindeutig geklärt sein“, stellt Fuchs klar.


Der bayerische Großschlächter Ludwig Leidmann, der am Münchner Schlachthof wöchentlich 2 500 Schweine schlachtet und diese zu 80 % an Metzger verkauft, bestätigt Fuchs ­Aussagen: „Keiner meiner Metzger will Eberfleisch.“


Verbandschef Fuchs sorgt sich auch um den guten Ruf der Metzgereien und die Strukturen in der Schweinehaltung. „Wir leben vom direkten Kundenkontakt, einer guten Beratung und verkaufen ausschließlich Qualitätsware. Wir befürchten, dass durch die Ebermast viele kleinere Mäster, die top Fleischqualitäten produzieren, aus dem Markt gedrängt werden“, erklärt Fuchs.


Der LEH entscheidet:

Bei den meisten Fleischverarbeitern denkt man offensichtlich ähnlich. Zwar war kein Wurstwarenhersteller gegenüber top agrar zu einem offiziellen Statement bereit. Inoffiziell hieß es aber, man lehne Eberfleisch kategorisch ab. „Wenn Sie Aldi oder Lidl derzeit Eberfleisch verkaufen, sind Sie ruckzuck aus dem Geschäft“, verrät ein Wurstwarenfabrikant, der lieber ungenannt bleiben möchte.


Viele Fleischverarbeiter zögern so lange, bis der Handel grünes Licht gibt. Das bestätigt Dr. Torsten Staack, Geschäftsführer der ISN in Damme. „Nach unseren Informationen hält der Lebensmitteleinzelhandel alle Fäden in der Hand. Er allein entscheidet, wann Eberfleisch in der Ladentheke landet“, betont Staack.


Wenn dem tatsächlich so ist, dann stellt sich allerdings die Frage, wo die großen Schlachter ihr Eberfleisch derzeit absetzen? Geht alles ins Ausland, oder wird Eberfleisch derzeit heimlich untergemischt? Eine Antwort darauf wollte niemand geben.-ar/do-

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