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„Die Biogasanlage macht unseren Betrieb erst rund“

Lesezeit: 6 Minuten

Eine Biogasanlage im Ökobetrieb bringt Vorteile, stellt die Landwirte aber auch vor Herausforderungen. Von dem alternativen Pflanzenbau können konventionelle Betriebe lernen.


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Wolfram Wiggert legt die letzten Sandsäcke auf das Silo. „Das war jetzt das siebte Mal, dass wir das Silo in diesem Jahr abgedeckt haben“, erklärt der Landwirt aus Löffingen (Baden-Württemberg). Denn Wiggert füttert seine Biogasanlage nicht mit den typischen Substraten. Der Landwirt führt seit 2003 einen Ökobetrieb nach Bioland-Richtlinien. Im Jahr 2006 ist die Biogasanlage dazugekommen. „Wir ernten viermal im Jahr Kleegras, dazu Ganzpflanzensilage, Grünroggen, Gras und Mais“, zählt er auf. Da die Rohstoffe in einem Fahrsilo lagern, bedeutet das: bis zu neunmal im Jahr die Plane anheben und wieder verschließen.


Wie Wiggert erzeugen rund 180 Öko-Betriebe in Deutschland Biogas. Die Produktion unterscheidet sich zum Teil sehr deutlich von der auf konventionellen Betrieben, wie der Arbeitsbericht zum BioBiogasmonitoring der Universität Kassel zeigt:


  • Die Anlagen sind häufig stark in den landwirtschaftlichen Betrieb integriert, sodass sich mehrere Synergien ergeben, wie Rohstoffverwertung, Düngerproduktion oder Wärmenutzung.
  • Stallmist ist neben Grassilage und Kleegras das am meisten eingesetzte Substrat bei Anlagen bis zu einer Größe von 250 kW. Erst bei größeren Anlagen setzen die Betriebe zu bis zu einem Drittel auch Mais ein.
  • Die Ökolandwirte produzieren die Rohstoffe überwiegend auf den eigenen Flächen.
  • Da bei den hofangepassten Anlagen fast nur Reststoffe zum Einsatz kommen, gibt es kaum Konkurrenz zu Nahrungs- oder Futtermitteln.


Kleegras lässt sich nutzen.

Ein wichtiges Argument für eine Biogasanlage gerade in viehlosen Betrieben ist die Kleegrasnutzung. Kleegras bauen die meisten Biobetriebe im Rahmen der Fruchtfolge zur Stickstofffixierung und Unkrautregulierung regelmäßig an. Das bedeutet aber auch: Gerade viehlose Betriebe können dann mit dem Acker in dem Jahr kein Geld verdienen, weil das Kleegras die Fläche belegt. Stattdessen wird in viehlosen Betrieben der Aufwuchs gemulcht und bleibt auf der Fläche. Dadurch sinkt aber die Fixierungsleistung der Knöllchenbakterien beim Klee, da es genug Stickstoff im Boden gibt. „Gleichzeitig steigt die Gefahr, dass Stickstoff über Winter ausgewaschen wird“, ergänzt Frank Hofmann vom Beratungsinstitut Ecofys Germany.


Nicht zu vergessen sind die Arbeitszeit und der Kraftstoffverbrauch beim mindestens zweimaligem Mulchen im Jahr. Wird das Kleegras dagegen abgefahren, einsiliert und in der Biogasanlage vergoren, lässt sich damit nicht nur Geld verdienen, sondern es steigt auch die Stickstofffixierung auf der Fläche.


Auch lässt sich der Stickstoff in Form des Gärrests im Winter speichern und im Frühjahr gezielt auf den Flächen ausbringen, die Bedarf haben. Zudem ist der Stickstoff im Gärrest leichter verfügbar als z. B. im Stallmist. Das führt in vielen Betrieben zu einem höheren Ertrag. „Wir gehen nach Umfragen und Literaturauswertungen von einem Plus von mindestens 15 bis 20 % aus“, erklärt Markus Wiggert, Geschäftsführer des Biolanderzeugerrings in Bayern. Das damit angeregte stärkere Wurzelwachstum sorgt auch für einen Anstieg des Kohlenstoffgehaltes im Boden. Und wenn sich mehr Lebensmittel pro Hektar erzeugen lassen, wirkt das auch der Teller-Tank-Diskussion entgegen. „Wir sehen in BioBiogasanlagen den Schlüssel, um den Ertrag auf Biobetrieben zu erhöhen“, sagt Berater Wiggert. Positiver Nebeneffekt: Bei der Vergärung in der Biogasanlage werden viele Unkrautsamen abgetötet. Das entlastet den Ökobetrieb, der dadurch deutlich weniger Energie und Arbeitszeit für das Hacken aufwenden muss.


Schwieriges Substrat.

Zu den Vorteilen kommen aber auch Herausforderungen. Dazu gehört der Eiweißanteil aus dem Kleegras, der bei zu plötzlichen Gaben zu einer Ammoniakhemmung der Bakterien im Fermenter führen kann – ein Problem, das auch beim Einsatz von Hühnermist bekannt ist. Wichtig ist daher, dass sich die Bakterien an den Eiweißgehalt gewöhnen und starke Schwankungen im Substratmix vermieden werden.


Der Strohanteil im Festmist, Gras und das Kleegras bringen zudem viele Fasern in die Biogasanlage, sodass sich der Fermenterinhalt schwer rühren und pumpen lässt. Das führt nicht nur zu Schwimmschichten und zu einem mangelhaften Gasaustritt, sondern auch zu höheren Stromkosten. Außerdem steigen die Baukosten, weil die Technik in puncto Material, Durchmesser usw. auf das Substrat angepasst sein muss. „Daher ist es wichtig, dass sich der Ökobetrieb gerade bei einer kleinen Anlage auf das technisch Notwendigste beschränkt“, erklärt Florian Gerlach vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL).


Zur besseren Vergärung von Mist und Gras und anderen faserigen Stoffen bieten zahlreiche Hersteller Lösungen an. Die Maschinen und Verfahren bearbeiten die Biomasse mechanisch, chemisch oder physikalisch. Das bringt zwar laut Hersteller mehr Gas. Aber die Maschinen kosten schnell bis zu 100 000 €. Daher brauchen gerade kleinere Anlagen lange, bis sich die Investition amortisiert hat. Auch kann das schwerfällige Substrat den Eigenstrombedarf in der Anlage deutlich erhö-hen.


Zukunft ist ungewiss.

Den Nutzen einer Biogasanlage in Ökobetrieben in Euro zu bemessen, ist schwer. Denn viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Hohe Bau- und Produktionskosten wegen der alternativen Bewirtschaftung verteuern die Ökobiogasproduktion. Demgegenüber stehen u. U. bessere Erträge im Ackerbau und geringerer Unkrautdruck, die die höheren Kosten der Biogasproduktion schnell wieder wettmachen können.


Die genauen monetären Effekte untersucht die Universität Kassel derzeit im Projekt „Biogasanlagen im Ökolandbau“. Die Ergebnisse sollen Anfang Dezember vorliegen.


Ob die positive Tendenz mit weiteren Ökobiogasanlagen anhält, ist zweifelhaft. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hemmt die Biogas-produktion, da die Einspeisevergü-tung für die Stromproduktion kaum noch wirtschaftlich ist.


Einen neuen Schub könnte es geben, wenn Strom aus Öko-Biogasanlagen einen Markt findet, z. B. bei Ökostrom-anbietern. Die Naturstrom AG aus Düsseldorf oder die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) fördern heute schon eine nachhaltige Biogasproduktion. Doch der Markt ist eine kleine Nische, ein Mehrerlös für viele Ökobetriebe ist nicht in Sicht.


„Eine Möglichkeit, die Ökobiogasproduktion zu fördern, wäre z. B., die Verwertung von Kleegras, Wirtschaftsdünger und Reststoffen stärker zu honorieren“, schlägt Benjamin Blumenstein vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel vor. Markus Wiggert (Bioland) fordert zudem mehr Forschungsaktivitäten im Ökolandbau, z. B. im Bereich Stickstofffixierung in Kombination mit einer bodenschonenden Gärrestausbringung.


Der weitere Ausbau von Ökobiogasanlagen wird stark davon abhängen, inwieweit die Vorteile innerhalb der Betriebe die Kosten übersteigen. Eine Chance könnte auch in Gemeinschaftsanlagen liegen, die in die Direktvermarktung des Stroms einsteigen und so Mehrerlöse möglich machen.


Die Erfahrungen der Ökobetriebe könnten auch für konventionelle Betriebe interessant sein. Mit einer aufgelockerten Fruchtfolge in Kombination mit Blühpflanzen ließe sich der Kritik am Maisanbau begegnen und mehr Akzeptanz schaffen. Ebenso setzen Biobetriebe überwiegend Koppelprodukte aus der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln ein. Auch wenn diese Stoffe schwerer zu vergären sind als z.B. Silomais: Bei steigenden Pacht-, Mais- und Getreidepreisen können sie dazu beitragen, die Rohstoffkosten zu begrenzen und planbarer zu machen.


Hinrich Neumann


In den folgenden Reportagen stellen wir zwei Biogasanlagen im Ökolandbau vor.

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