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„Die Bürger akzeptieren keine Riesenbetriebe“

Lesezeit: 7 Minuten

Sachsen-Anhalt will den Kauf von Unternehmensanteilen genehmigungspflichtig machen. Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens erläutert, warum das notwendig ist.


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Steht der Gesetzentwurf?


Aeikens: Anfang April haben wir letzte Details mit den Agrarverbänden geklärt. Jetzt geht der Entwurf an die Ressorts und danach ins Kabinett.


Warum müssen Sie handeln?


Aeikens: In den neuen Bundesländern läuft der Bodentransfer in sehr starkem Maße über Anteilsverkäufe. Das führt in Teilen zu Holdingstrukturen mit weit mehr als 10 000 ha Fläche. Diese wird nicht selten von ortsfremden „Wanderarbeitern“ bewirtschaftet. Dadurch entfremdet sich die Landwirtschaft zunehmend von den dörflichen Strukturen vor Ort. Regionale Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Steueraufkommen gehen verloren. Darauf sind viele ländliche Regionen aber dringend angewiesen, weil die Landwirtschaft oft der einzige Stabilitätsanker ist.


Viele Agrarwissenschaft­ler bezweifeln das. Wie kommt es zu einer so unterschiedlichen Einschätzung?


Aeikens: In meinen Augen blenden viele Wissenschaftler die gesellschaftspolitischen Probleme völlig aus. Erstens akzeptieren die Bürger die Riesenbetriebe nicht und zweitens führt die Entwicklung zu regionalen Verwerfungen. Deshalb muss die Politik handeln.


Was wollen Sie ändern?


Aeikens: Das aktuelle Grundstückverkehrsgesetz greift nur, wenn Agrarflächen den Besitzer wechseln. Es zieht nicht, wenn Flächen zusammen mit Unternehmensanteilen verkauft werden. Das ist die Eintrittspforte für außerlandwirtschaftliche Investoren. Auch deshalb wollen wir den Verkauf von Gesellschaftsanteilen juristischer Personen genehmigungspflichtig machen.


Welchem agrarstrukturellen Leitbild folgen Sie?


Aeikens: Wir wollen eine Landwirtschaft, die mit dem Ort und der Umgebung verwurzelt ist und bei der die Wertschöpfung in der Region verbleibt.


Haben Sie dafür konkrete Zielgrößen?


Aeikens: Ja. 95 % der Betriebe in Sachsen-Anhalt bewirtschaften weniger als 1 150 ha. Erst darüber hinaus wollen wir prüfen, welche agrarstrukturellen Veränderungen sich ergeben können.


Ist jeder Erwerb eines Unternehmensanteils genehmigungspflichtig?


Aeikens: Nein, nur wenn mit dem zu erwerbenden Unternehmensanteil ein bestimmender Einfluss auf die Gesellschaft ausgeübt werden kann und die Agrarfläche einen wesentlichen Prozentsatz vom Gesellschaftsvermögen ausmacht. Das ist nach meinem Verständnis bei einem Unternehmensanteil von mindestens 40 % gegeben. Ein agrarischer Charakter liegt vor, wenn mindestens 40 % des Gesellschafts­vermögens aus der LF stammen.


Wie wird geprüft?


Aeikens: So ähnlich wie im bisherigen Grundstückverkehrsgesetz. Wenn ein genehmigungsbedürftiger Anteilserwerb identifiziert worden ist, wird zunächst geprüft, ob es sich beim Erwerber um einen Landwirt oder ein landwirtschaftliches Unternehmen handelt. Ist das der Fall und hat dieser Betrieb weniger als 1 150 ha, wird dieser Erwerb genehmigt werden.


Liegt der Erwerber oberhalb von 1 150 ha, ist er ein Landwirt oder ein landwirtschaftliches Unternehmen und hat keine marktbeherrschende Stellung am regionalen Bodenmarkt, wird der Anteilskauf ebenfalls nicht beanstandet. Das gilt auch, wenn es sich um einen nicht-landwirtschaftlichen Erwerber handelt, der aber landwirtschaftliche Fachkunde besitzt und keine marktbeherrschende Stellung ausübt.


Aber selbst wenn eine marktbeherrschende Stellung vorliegt, kann es eine Genehmigung geben, wenn durch Auflagen eine Gefahr für die Agrarstruktur abgewendet werden kann. Wir schließen niemanden von vornherein aus, aber wir wollen auch eine vielfältige Agrarstruktur erhalten.


Wo beginnt für Sie eine marktbeherrschende Stellung?


Aeikens: Wir wollen das v. a. an den betroffenen Gemarkungen und an der Entfernung vom Betriebssitz festmachen. Bei uns umfasst eine Gemarkung üblicherweise 800 bis 1 200 ha. Hier prüfen wir, ob eine dominierende Stellung am regionalen Bodenmarkt vorliegt.


Natürlich werden wir dabei keine existierenden Betriebe zerschlagen, die bereits heute ganze Gemarkungen bewirtschaften. Wir schauen nach vorne. In Sachsen-Anhalt gibt es gegenwärtig über 200 Betriebe mit über 1 150 ha, die möglicherweise in der Lage sind, regional eine marktbeherrschende Stellung auszuüben. Dort wollen wir in Zukunft genauer hinschauen.


Dürfen aufstockungsbedürftige Landwirte auch bei genehmigungspflichtigen Anteilskäufen einsteigen?


Aeikens: Nein, das Vorkaufsrecht bleibt auf normale Grundstücksgeschäfte beschränkt. Aber auch hier wollen wir in Zukunft genauer prüfen. Betriebe, die zu wenig Fläche haben, um eine Familie zu ernähren, sind aus meiner Sicht aufstockungsbedürftig. Genauso Betriebe, die durch Siedlung, Verkehr und Ausgleichsmaßnahmen Flächen verloren haben. Wir lassen zurzeit wissenschaftlich prüfen, welche Betriebe durch das Vorkaufsrecht begünstigt werden sollen. Da müssen wir aber sehr behutsam vorgehen, denn an dieser Frage hängen viele Betriebs- und Finanzierungskonzepte.


Kann die Landgesellschaft das Vorkaufsrecht auch ohne interessierte Landwirte ausüben?


Aeikens: Ja. Wir stellen fest, dass immer mehr Flächen an Nichtlandwirte gehen, weil es keinen landwirtschaftlichen Interessenten gibt. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Manchmal ist die Fläche schlicht zu groß. Wenn wir die Landgesellschaft zwischenschalten und die Flächenlose verkleinern, haben die Betriebe aus der Region eher eine Chance, zu kaufen. Wir wollen auch landwirtschaftlichen Mitarbeitern juristischer Personen verbesserte Kaufmöglichkeiten eröffnen.


Wie lange soll die Landgesellschaft die Flächen halten dürfen?


Aeikens: Wir diskutieren über bis zu 8 Jahre. Es ist übrigens absoluter Unsinn, zu behaupten, die Landgesellschaft solle künftig im großen Stil Bodenbevorratung betreiben, damit der Staat seinen Einfluss auf den Bodenmarkt ausweiten könne. Die Landgesellschaft wird auch in Zukunft das tun, was sie bislang getan hat. Sie soll nur effizienter arbeiten können.


Soll das Vorkaufsrecht der Landgesellschaft auch für den Erwerb von Geschäftsanteilen gelten?


Aeikens: Nein, die Landgesellschaft soll nicht ins operative Geschäft landwirtschaftlicher Betriebe einsteigen.


Gilt die Genehmigungspflicht für alle Gesellschaftsformen?


Aeikens: Aus rechtlichen Gründen können wir unser Agrarstrukturgesetz nicht auf börsennotierte Aktien­gesellschaften anwenden. Das wäre auch technisch schwierig, weil die Anteile über den Aktienverkauf an der Börse in Sekundenschnelle den Besitzer wechseln. Allerdings gibt es nicht viele Agrarunternehmen an der Börse, sodass hier kein ­großes Schlupfloch entsteht. ­Meiner Meinung nach sollten ­Unternehmen der landwirtschaft­lichen Urproduktion grundsätzlich keine Börsenzulassung bekommen. Aber das ist eine Entscheidung des Bundes. Deshalb werde ich das Thema dort platzieren.


Was passiert, wenn ein Anteilskauf nicht genehmigt wird?


Aeikens: Im Idealfall sollte der Verkauf noch gar nicht vollzogen sein. Da kommt der Deal bei Nicht-Genehmigung schlicht nicht zustande. Wenn die Gesellschaft allerdings schon Beschlüsse gefasst hat, die sich nicht mehr rückgängig machen lassen, soll es spürbare Strafgelder geben. Vorstellbar wären 10 % des Kaufpreises. Es kann auch zusätzlich die Rückabwicklung angeordnet werden.


Werden weniger als 95 % der Anteile übertragen, fällt keine Grund­erwerbsteuer an. Ist das noch zeitgemäß?


Aeikens: Nein. Anteilskäufe müssen auch grunderwerbsteuerpflichtig werden. Da bin ich mit dem Finanzminister einig. Das ist auch ein Gebot der Gleichbehandlung.


Welche Behörde soll das neue Agrarstrukturgesetz umsetzen?


Aeikens: Bisher überwachen die 11 Landkreise und 3 kreisfreien Städte den Grundstücksverkehr. In Zukunft wollen wir die Zuständigkeiten bei unseren 4 Landwirtschaftsämtern bündeln.


Der Berufsstand befürchtet, dass der Übergang von Unternehmensanteilen im Generationswechsel erschwert wird. Zu recht?


Aeikens: Nein. Wir werden das Ganze mit verbesserten Einstiegsmöglichkeiten für Jung­landwirte flankieren. Wir suchen in Zusammenarbeit mit unserer Investitionsbank Sachsen-Anhalt nach Möglichkeiten, wie wir gut ausgebildeten Junglandwirten den Einstieg als ­Anteilseigner in juristische Personen erleichtern und wie wir diese bei Betriebsneugründungen unterstützen können.


Anteilseigner von größeren Agrarunternehmen werfen Ihnen öffentlich vor, Sie wollten Agrargesellschaften schrittweise enteignen.


Aeikens: Mit dem Wort Enteignung sollte man vor dem Hintergrund unserer Geschichte vorsichtig umgehen. Damit hat unser Gesetz nun wirklich nichts zu tun. Wer über steigende Bodenpreise klagt und von der Politik verlangt, dass dieser Anstieg gedämpft wird, muss dann auch hinnehmen, dass seine eigenen Anteile gegebenenfalls weniger wert sind. Ich freue mich, dass der Landesbauernverband meinen Ansatz grundsätzlich mitträgt.


Und der Landtag?


Aeikens: Dort werde ich mit meinen Zielen von allen Parteien unterstützt. Die Opposition bemängelt höchstens, ich sei zu spät dran.


Wann soll das Gesetz in Kraft treten?


Aeikens: Anfang nächsten Jahres.


Herr Minister, vielen Dank für das Gespräch.

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