Plötzlich sorgt sich die klassische Energiewirtschaft um die steigenden Stromkosten. Die Schuldigen haben sie schnell ausgemacht: Deutschlands Ökostromer. Aus Subventionsempfängern müssen Kaufleute werden, fordert dereinflussreiche Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) scheinheilig. Andernfalls sei der weitere Ausbau der neuen Energien kaum noch zu stemmen.
Eine Lösung hat der Spitzenverband auch parat: Wer künftig in eine Solar- oder z. B. Windkraftanlage investieren möchte, soll seinen Ökostrom an der Börse vermarkten, anstatt sich auf festen Einspeisetarifen auszuruhen. Immerhin: Auf den Handelspreis will der BDEW eine feste Prämie für die Erzeuger aufschlagen. Deren Höhe soll der Staat von Zeit zu Zeit aber neu ausschreiben. Das niedrigste Angebot wäre ausschlaggebend.
Auf den ersten Blick klingt der Vorschlag vernünftig. Auf den zweiten Blick spielt er aber nur den Interessen der Energiewirtschaft in die Hände. Die Umsetzung wäre der Todesstoß für die neuen Energien, heißt es selbst hinter vorgehaltener Hand bei den Ökostrom-Verantwortlichen in den Energiekonzernen.
Wer Strom an der Börse vermarkten will, muss die Risiken vorher einpreisen. Und die sind vor allem für die Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen erheblich. Sie können ihre Produktion kaum planen, und Strom speichern ist immer noch zu teuer. Großkonzerne mit ihrem Energiemix sind da flexibler. Deshalb ist klar, wer zu den Verlierern eines solchen Systems zählt: Das sind die Landwirte und Bürger.
Aber genau das dürfte auch das Ziel der Energiewirtschaft sein. Die mittlerweile 1,5 Mio. Minikraftwerke bedrohen das Geschäft von RWE, EON und Co. Zu allem Überfluss droht jetzt auch noch Gefahr aus Brüssel. Die Kommission hat Zweifel, ob die Einspeisevergütungen und die Befreiung bestimmter Unternehmen von der EEG-Umlage mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Deshalb drängt sie auf Änderungen.
Die neue Bundesregierung sollte die Kritik an der Energiewende ernst nehmen. Keine Frage, das EEG muss korrigiert werden. Dabei darf sich Angela Merkel aber nicht von den Interessen der Großkonzerne und den praxisfernen Vorstellungen der Eurokraten blenden lassen. Sie sollte beharrlich den eingeschlagenen Weg beibehalten. Sonst würgt sie die Energiewende ab.