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Energierüben: Treibstoff für den Fermenter

Lesezeit: 8 Minuten

Zuckerrüben gelten als interessante Ergänzung zum Biogas-Mais. Davon profitieren auch Rübenanbauer.


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Landwirt Hugo Schleupen steht vor seinem gerade geöffneten Fahrsilo. „Das könnte der Durchbruch für eine einfache, kostengünstige und ganzjährige Rübenverarbeitung in Biogasanlagen sein“, freut sich der Landwirt. Der Pionier von der Gutsgemeinschaft Lenthe GbR aus der Nähe von Hannover hat als einer der ersten Landwirte in Deutschland 850 t Zuckerrüben in ganzer Form in einem Fahrsilo einsiliert. Die sechsmonatige Lagerung haben die Anfang Dezember 2009 einsilierten Früchte sehr gut überstanden. Die Rüben ergänzen die bislang ausschließlich eingesetzte Maissilage in der Biogasanlage mit 530 kW.


Schleupen ist kein Einzelfall. Die Rübe erhält immer stärker Einzug in den Biogasanlagen. „Die Anbaufläche von Biogasrüben wird von 5 000 ha im Jahr 2009 auf über 10 000 ha im Jahr 2010 steigen“, schätzt Dr. Andreas von Felde, Leiter Energiepflanzen bei der KWS Saat AG aus Einbeck.


Dabei wird die Rübe den Energiemais nicht ersetzen. Denn nur unter sehr günstigen Voraussetzungen lässt sich mit ihr Biogas kostengünstiger als mit Mais erzeugen (siehe dazu die Wirtschaftlichkeitsberechnung auf S. 107). Doch könnten neue Aufbereitungstechniken zur Reinigung, Steinabtrennung und Zerkleinerung (s. Kasten auf S. 106) den Einsatz interessanter und die Rübe zu einer wichtigen Substratergänzung machen.


Mehr Gas aus der Anlage


Schon heute gibt es unterschiedliche Beweggründe für Anlagenbetreiber, Zuckerrüben im Fermenter einzusetzen. Ein wichtiges Motiv ist die Anlagenerweiterung: Wegen des hohen Zuckergehaltes wird die Rübe schnell in Biogas umgesetzt. Daher sinkt die Verweilzeit des Substrats im Fermenter. Es wird also schneller vergoren. So können Landwirte mit dem Einsatz von Zuckerrüben bestehende Anlagen besser ausnutzen oder bei Bedarf ohne zusätzliche Fermenter die Leistung erhöhen.


Ein Beispiel ist die Anlage der Düngstruper Biogas GmbH & Co. KG. Die Betreiber Gerd Hespe-Meyer und Andreas Drebbeler wollen mit Zuckerrüben die Leistung der Anlage erhöhen, ohne einen zusätzlichen Fermenter bauen zu müssen. Hespe-Meyer erklärt: „Unsere Anlage ist zehn Jahre alt. Für die Finanzierung von neuen Investitionen bleiben uns nur noch zehn Jahre.“ Grund: Nach 20 Jahren läuft die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz aus.


Bernd Hüntelmann, Geschäftsführer des Landhandelunternehmens Hüntelmann Agrar aus Lahn bei Werlte (Niedersachsen), erhofft sich bei der Biogaserzeugung mit Zuckerrüben ein besseres Image als mit Mais. Dazu kommt: In der Region Emsland, in der die Anlage steht, wurden bislang überhaupt keine Zuckerrüben angebaut. Die Fruchtfolge lässt sich damit auflockern.


Hans-Ulrich Martensen aus Sönnebüll (Schleswig-Holstein) will mit Zuckerrüben die Liefersicherheit seiner Biogasanlage verbessern. In der Region ist die Nachfrage nach Mais enorm hoch, einzelne Anlagenbetreiber kaufen schon Substrat aus dem benachbarten Dänemark zu. „Bei Zuckerrüben kann ich aber langfristige Lieferverträge abschließen“, berichtet der Landwirt.


Und es gibt weitere Gründe für das Interesse an Energierüben:


Das Erntefenster ist mit fünf Monaten deutlich größer als beim Mais.


Mit dem Zukauf von Rüben belasten Anlagenbetreiber ihr Nährstoffkonto nicht so stark wie mit Mais.


Weil der Trockensubstanzgehalt im Fer­menter sinkt, verbessert sich die Pump- und Rührfähigkeit. Folge: Auch der Eigenstrombedarf für die Rührwerke wird geringer.


„Wir haben auch festgestellt, dass die Kombination von Rüben mit anderen Energiepflanzen die Leistung der Anlage insgesamt steigen lässt“, berichtet Dirk Ernst, Geschäftsführer der Bioenergie Algermissen GmbH & Co. KG. In der Anlage mit 680 kW setzen die Betreiber seit 2007 Rüben ein und füttern im Winter knapp 50 % davon im Substratmix.


Drei Verfahren zur Auswahl


Aus einer Vielzahl von Versuchen stellen sich mittlerweile drei Verfahren für den Zuckerrübeneinsatz als praxistauglich heraus:


Verfahren 1: Die Rübe wird nach der Ernte gewaschen, entsteint und gehäckselt und zusammen mit Mais einsiliert.


Verfahren 2: Die Zuckerrübe wird ohne Köpfschnitt geerntet, das Blatt bleibt auf dem Feld. Anschließend werden die Rüben gewaschen, entsteint und als ganze Frucht einsiliert. Kleinere Mengen lassen sich im Folienschlauch einlagern, bei größeren Mengen kommt ein Fahrsilo mit Folienabdeckung zum Einsatz.


Verfahren 3: Die Rübe wird nach der Ernte gewaschen, entsteint und zu Brei verarbeitet. Anschließend wird sie in Hochbehältern, Rundbehältern oder in Erdbecken (Lagunen) eingelagert.


Mischsilage nicht optimal


„Die Mischsilierung von Rüben und Mais ist derzeit am häufigsten anzutreffen“, berichtet Fritz-Jürgen Lutterloh, Zuckerrübenberater bei KWS. Der Vorteil ist, dass die Lagerung und Fütterung wie beim Mais erfolgt. Daher eignet sich das Verfahren gerade für Anlagenbetreiber, die den Rübeneinsatz erst einmal ausprobieren wollen.


Aber es gibt auch Nachteile: Die Zuckerrübenernte muss zeitgleich mit dem Mais erfolgen. Während der Mais Mitte Oktober unter Folie ist, wächst die Rübe noch bis Mitte November weiter. Ein Teil des Ertrags wird also verschenkt.


Fahrsilo als Alternative


Ebenfalls praxistauglich ist die Silierung von ganzen Rüben. Die Anfänge haben Rüben im Siloschlauch gemacht, der als flexibles Verfahren für kleinere Mengen gilt. Die Kosten sind mit rund 4,50 € je Tonne Rübe für Folie und Schlauchpressmaschine sowie Bediener recht hoch. Auch benötigen die Schläuche viel Platz auf dem Gelände. Und es ist kaum möglich, bei der Entnahme der Rüben zum Füttern mit der Ladeschaufel keine Folie mit aufzunehmen. Denn beim Schlauch liegt diese – anders als beim Fahrsilo – auch am Boden.


Daher scheint ein Fahrsilo mit Folien-abdeckung die bessere Alternative zu sein. „Bleibt die Rübe nach der Ernte ganz, gibt es die geringsten Verluste. Versuche zeigen, dass die Sickersaftmenge von ganz silierten Rüben bei 40 bis 70 Litern je t Rüben liegt“, ergänzt von Felde.


Eine Variante dieses Verfahrens ist es, die Rüben ungewaschen einzulagern und erst kurz vor dem Füttern zu waschen und zu entsteinen. Vorteil: Die Aufbereitungstechnik für Waschen und Entsteinen braucht nur auf die tägliche Fütterungsmenge angepasst sein und kann stationär aufgebaut werden.


Vor dem Einfüllen in den Fermenter müssen die Rüben zerkleinert werden. Dafür kommen spezielle Radladerschaufeln mit Zerkleinerungstechnik oder stationäre Häckseltechniken zum Einsatz.


Rübenbrei in der Lagune


Völlig anders funktioniert die Verarbeitung der Rüben zu Brei und die Lagerung des flüssigen Substrats. Der Vorteil: Der Rübenbrei lässt sich pumpen und die Fütterung damit automatisieren. Auch müssen Ernte und Einlagerung nicht zeitgleich erfolgen.


Als Nachteil gelten speziell bei Hochbehältern die Investitionskosten. Denn bei dem aggressiven Rübenbrei müssen die Behälter aus Edelstahl oder kunststoffbeschichtet sein. Auch kann es bei Hochbehältern zu Entmischungen und schwer pumpfähigen Sinkschichten kommen, wie Praktiker berichten.


Um diesem Nachteil zu begegnen, hat sich Norbert Gröblinghoff aus Anröchte bei Soest (Nordrhein-Westfalen) für den Bau einer Lagune entschieden. Das Erdbecken fasst 5 000 m3. Zurzeit sind dort Rüben von 40 ha eingelagert. Nach dem Erdaushub wurde das Loch zunächst mit einer Sicherheitsfolie ausgelegt, darüber ein Vlies ausgebreitet. Den Abschluss bildet eine 2,5 mm starke Folie aus Polyethylen (PE-HD). Die Investitionskosten lagen bei rund 50 000 €. „Mit dem gleichen Volumen hätte ich für einen Edelstahlbehälter 400 000 € und für einen Betonbehälter mit Kunststoffbeschichtung 200 000 € bezahlt“, rechnet der Landwirt vor.


Zum Einfüllen hat Gröblinghoff die Rüben mit einem Schredder zerkleinert. Nach wenigen Tagen hatte sich oben auf dem Brei eine rund drei Zentimeter dicke, trockene Schicht gebildet. „Die Silierung war nach etwa drei Wochen abgeschlossen, der pH-Wert liegt bei 3,2“, berichtet er. Den Brei fördert er über eine Entnahmeschnecke in einen Edelstahlbehälter und von dort mit einer Schneckenverdrängerpumpe in den Fermenter.


Die Lagune ist zwar eine einfache Lagertechnik, doch nicht unproblematisch. „Auch hier sind Schwimm- und Sinkschichten möglich. Außerdem bleibt zu untersuchen, wie hoch die Lagerverluste sind“, gibt Dr. Stefan Mittler, Produktmanagement Zuckerrübe bei der Syngenta Seeds GmbH aus Bad Salzuflen, zu bedenken.


Der Einsatz von Zuckerrüben könnte künftig durch neue Züchtungen noch interessanter werden. Denn bislang wurden die Rüben nur für die Zuckergewinnung gezüchtet. Die Züchtungsunternehmen prüfen jetzt jedoch neue Typen, die sich speziell für Biogasanlagen eignen und mehr Ertrag liefern sollen.


Unternehmen wie KWS oder Syngenta setzen z. B. darauf, den Marktanteil in der Rübe und damit den Trockensubstanz-Gehalt zu erhöhen. „Auch bearbeiten wir den Rübenkörper züchterisch so, dass der Erdanhang durch eine flache Wurzelrinne und eine glatte Oberfläche geringer wird“, erläutert Mittler. Damit könnte die Reinigung künftig einfacher werden.


In einem jetzt gestarteten Forschungsprojekt der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe mit Industriepartnern soll außerdem die Kette von der Züchtung über die Monovergärung von Energierüben bis hin zur Einspeisung ins Erdgasnetz untersucht und optimiert werden.


Fazit


Viele Anlagenbetreiber setzen Zuckerrüben als Ergänzung zum Mais ein. Denn Energierüben vergären schnell, so dass sich mehr Gas auch aus bestehenden Anlagen gewinnen lässt. Neue Techniken senken zudem die Kosten für Reinigung und Zerkleinerung. Dazu kommen neue, günstige Silierverfahren wie die Lagerung im Fahrsilo oder als Brei in einer Lagune.


Wegen der rasanten Entwicklung erwarten Experten, dass die Rübe schon bald standardmäßig in Biogasanlagen eingesetzt wird und einen festen Platz unter den Energiepflanzen einnimmt.


Hinrich Neumann

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