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Flexibler Anlagenbetrieb: Lohnt jetzt der Einstieg?

Lesezeit: 7 Minuten

Der Verkauf von Strom nur in Hochpreiszeiten kann für Biogaserzeuger sehr lukrativ sein, birgt aber auch Risiken. Vor dem Einstieg sollten Sie gut planen!


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Selten hat eine Entwicklung in der Biogasbranche die Technologie so stark verändert wie die bedarfsgerechte Stromeinspeisung. Das Markante: Beim flexiblem Betrieb speist der Betreiber den Strom nur noch dann ein, wenn er besonders teuer und damit besonders stark gefragt ist.


Unter dem flexiblen Anlagenbetrieb verstehen Fachleute heute sowohl die Regelenergie als auch die bedarfsorientierte Stromerzeugung. Bei der Regel-energie unterscheidet man Primär- und Sekundärregelenergie sowie Minutenreserve. Hierbei reduziert der Direktvermarkter die Leistung der Anlage per Fernsteuerung, wenn zu viel Strom im Netz ist (siehe top agrar Energiemagazin 1/2014). Der Anlagenbetreiber muss lediglich eine Kommunikationsschnittstelle für die Fernsteuerung einrichten.


Doch der Regelenergiemarkt ist mit vier bis fünf Gigawatt Volumen relativ klein, das sind maximal 5 bis 10 % des deutschen Strombedarfs. Auch liegt der Mehrerlös unter 1 Cent je Kilowattstunde (ct/kWh). Zudem ist zu befürchten, dass der Preis für Regelenergie schon bald sinken wird, wenn mehr Biogasanlagen hier einsteigen.


Flexprämie bringt Mehrerlös:

Mehr Verdienst ist möglich, wenn die Anlagen in Zeiten mit viel Wind und Sonne stillstehen und nur zu Hochpreiszeiten Strom einspeisen. Das regt die Bundesregierung mit der sogenannten Flexibilitätsprämie (kurz: Flexprämie) im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) an (siehe Kasten Seite 12). Diese Regelung wird nach derzeitigem Stand der Diskussionen (April 2014) auch im reformierten EEG fortgeführt, das voraussichtlich am 1. August in Kraft tritt.


Der Einstieg in die Flexibilitätsprämie ist für Anlagenbetreiber interessant, die ihre Anlage erweitern wollen, meint Alexander Krautz vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) aus Leipzig: „Das ist z. B. der Fall, wenn der Betreiber eine Abdeckung des Gärrestelagers nachrüsten will, wenn Ersatzinvestitionen anstehen oder er weitere Wärmeabnehmer anschließen will. Vor allem Betreiber mit Anlagen die unterm EEG 2004 in Betrieb gegangen sind, fallen darunter. Die BHKWs müssen in der Regel nach rund acht Betriebsjahren bzw. 60 000 Betriebsstunden getauscht werden, Gasspeicher nach rund 10 Jahren.


Viele Vorteile:

Der Einstieg bringt dem Betreiber folgende Vorteile:


  • Er erhält für zehn Jahre die Flexprämie in Höhe von 130 € pro zusätzlich installiertem kW (siehe Kasten).
  • Wenn Landwirte ein älteres Blockheizkraftwerk (BHKW) gegen ein neues, größeres austauschen, sparen sie eventuell bis zu 200 000 € ein, die die Revision des Motors kosten könnte.
  • Der höhere Wirkungsgrad der neuen, größeren BHKW führt dazu, dass der Betreiber 5 bis 15 % mehr Strom bei gleichem Rohstoffeinsatz verkaufen oder bei gleicher Strommenge Substratkosten einsparen kann.
  • Gasbildung und Stromproduktion können besser aufeinander abgestimmt werden. So geht kaum noch Gas über die Überdrucksicherung oder die Gasfackel verloren. Genauso wenig muss das BHKW im unproduktiven Teillastbetrieb laufen, wenn mal zu wenig Gas vorhanden ist. Auch das erhöht die Stromproduktion um 1 bis 3 % gegenüber dem Dauerbetrieb.
  • Die Lebensdauer des BHKW verlängert sich, wenn es statt 8 000 Stunden im Jahr nur 2 000 bis 4 000 Stunden läuft.
  • Da die Strompreise tagsüber am höchsten sind, steht das BHKW in der Nacht. Damit sind nachts keine Störungen mehr zu beseitigen.
  • Mit dem größeren BHKW und einer saisonalen Fahrweise (im Sommer weniger, im Winter mehr) kann er neue Wärmeabnehmer bedienen, die einen höheren Wärmebedarf haben.


Interesse steigt:

Rund 300 Biogasanlagen nutzen laut einer Marktanalyse des Fraunhofer IWES die Flexibilitätsprämie. Die Zahl könnte jetzt rasant steigen. „Allein bei uns liegen 400 Anträge auf ein Umweltgutachten vor, das Vorausetzung für den Einstieg in die Flexprämie ist“, berichtet Thorsten Grantner vom Ingenieurbüro Omnicert aus Bad Abbach (Bayern).


Doch der Umstieg ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Denn die Betreiber müssen dafür das Gasspeichervolumen und die BHKW-Leistung erhöhen. Wenn sie Strom liefern, produzieren sie mit dem größeren BHKW in kürzerer Zeit die gleiche Strommenge wie vorher beim kontinuier-lichen Betrieb. „Betreiber mit Anla-gen über 500 kW Bemessungsleistung könnten auch die Leistung reduzieren, ohne ein zweites BHKW zu errichten“, stellt Ulrich Keymer von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) als weitere Variante die „passive Flexibilisierung“ vor. Dabei würden sie weniger Strom produzie-ren, sodass die tatsächlich abgelieferte Strommenge sinkt. Den Strom würden sie dann zu Zeiten verkaufen, an denen er besonders gefragt und teuer ist. „Das lohnt sich für Betriebe, die mehr als 45 €/t für die Substrate bezahlen müssen. Denn mit der Leistungsreduzierung brauchen sie auch weniger Rohstoffe“, erklärt der Betriebswirtschaftler. Wer die Vollbenutzungsstunden im Jahr von 8 000 auf 5 500 reduziert, kann bei Preisen von 45 €/t im Jahr rund 230 000 € an Substratkosten sparen.


Erhebliche Investitionen:

Wer dagegen bei gleicher Bemessungsleistung die installierte Leistung erhöhen will, muss einiges beachten:


  • Neben einem neuen oder zweiten BHKW müssen auch Leitungen, Trafo usw. für die höhere Strommenge ausgelegt sein. Unter Umständen verlangt der Netzbetreiber einen neuen Einspeisepunkt. „Allein das kann Kosten von 150 000 € verursachen“, meint Keymer.
  • Genauso muss der Betreiber neben dem Gasspeicher die Gasleitungen, Gaskühlung, Gasreinigung, Notkühler und Sicherheitstechnik anpassen.
  • Wer ein Wärmekonzept hat, muss evtl. einen Pufferspeicher nachrüsten.
  • Dazu kommen neue Umweltgutachten und Genehmigungen, wenn Auflagen wie die Mittelspannungsrichtlinie oder die Störfall-Verordnung einzuhalten sind. Bei einem großen BHKW ist meist ein BImSch-Verfahren nötig.


Diese Kosten hat Keymer für eine bestehende 500 kW-Anlage, die das vorhandene BHKW ersetzen muss, aufsummiert (Übersicht 1). Die Kosten dieser Ersatzinvestition fallen in jedem Fall an und sind nicht der Flexibilisierung anzurechnen. In der Grafik sind zwei Szenarien aufgeführt:


  • Zwölf-Stunden-Betrieb: Das BHKW läuft tagsüber, der Gasspeicher kann einen halben Tag lang das Gas aufnehmen. Der Betreiber schafft sich hierzu zwei BHKW mit 500 und 413 kW und einem Wirkungsgrad von 38 % an. Oder er setzt auf ein großes mit 937 kW und 39 % Wirkungsgrad.
  • Acht-Stunden-Betrieb: Das BHKW läuft acht Stunden, der Gasspeicher füllt sich 16 Stunden lang. Hierzu kauft der Betreiber entweder zwei BHKW mit 500 und 881 kW Leistung (38 bzw. 38,5 % Wirkungsgrad) oder eines mit 1 400 kW und 39 % Wirkungsgrad.


Die Kosten erreichen bei der Zwölf-Stunden-Variante 500 000 bis 650 000 € und können in der Acht-Stunden-Variante auf fast 950 000 € an-steigen.


Zwölf Stunden unrentabel:

Wie sich das rechnet, zeigt Übersicht 2. Zwei BHKW im Zwölf-Stunden-Intervall wären unwirtschaftlich. Und selbst ein großes BHKW würde kaum mehr als eine schwarze Null liefern.


Deutlich positiver sieht es beim Acht-Stunden-Intervall aus – allerdings auch hier nur beim größeren BHKW. Die Variante mit zwei kleineren BHKW führt ebenfalls zu Verlusten. „Hierbei sind aber nur die höheren Erlöse durch den Mehrverkauf an Strom sowie die Flexprämie eingerechnet“, schränkt Keymer ein.


Dazu könnten jetzt noch weitere Erlöse aus der Direktvermarktung kommen. Wenn der Händler sich beispielsweise am Strommarkt die Stunden heraussucht, an denen der Strom am teuersten ist (in der Regel 8 bis 12 Uhr und 16 bis 20 Uhr), hätte der Betreiber in der Variante mit einem BHKW 0,8 ct/kWh mehr als den Durchschnittsbörsenpreis bzw. 20 000 € im Jahr erlösen können.


„Die Flexibilitätsprämie macht nur etwa die Hälfte der zusätzlichen Einnahmen aus“, sagt auch Uwe Welteke-Fabricius vom Ingenieurbüro Cube Engineering aus Kassel. Das zeigt die Erfahrung von über 70 Berechnungen für Biogasanlagen, die er mit seinem Team gemacht hat. „In 90 % der Fälle wäre die flexible Fahrweise wirtschaftlich hoch interessant“, erklärt er. Die Amortisationszeit für die Investitionen lag im Schnitt unter sechs Jahren.


Auch das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Uni Stuttgart hat verschiedene Modellkalkulationen zur Flexibilisierung erstellt. Die Tendenzen dabei:


  • Für kleinere Anlagen unter 500 kW Bemessungsleistung lohnt die Flexibilisierung kaum, die Mehrkosten fressen die zusätzlichen Erlöse u.U. auf.
  • Bei Anlagen über 500 kW können die Kosten der Erweiterung allein durch die Flexprämie finanziert werden.
  • Ein Takten der Stromeinspeisung, also der Betrieb nur in den Stunden mit den höchsten Preisen, ist deutlich wirtschaftlicher als ein Dauerbetrieb von 8 bis 20 Uhr („Peak load“-Betrieb).


Der Einstieg in die Flexprämie kann also wirtschaftlich sehr interessant sein. Die Erweiterung der bestehenden Anlage muss aber gut geplant und mit der Genehmigungsbehörde, dem Netzbetreiber und dem Umweltgutachter abgestimmt sein. Hinrich Neumann

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