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Gas-Bohrungen: Wenn Güllekeller reißen

Lesezeit: 5 Minuten

Im niederländischen Groningen zapft der Öl- und Gaskonzern NAM eines der größten Gasfelder der Welt an. Für die Landwirte in der Region ist das zu einem Problem geworden.


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Im August 2012 war es besonders heftig: Ein Beben der Stärke 3,6 auf der Richterskala. „Erst hört man einen Knall und dann bewegt sich das ganze Haus, die Wände wackeln. Ich war zu Hause und dachte ‚jetzt muss ich raus’ ... das war sehr unbequem“, erinnert sich Roelf Torringa, Schafhalter aus Warffum in den Niederlanden, genau. Das zweite starke Erdbeben mit 3,2 auf der Richterskala folgte dann im Februar 2013. Der Grund dafür: Der Öl- und Gaskonzern „Nederlandse Aardolie Maatschappij“ (NAM), beutet unter Groningen eines der größten Gasfelder der Welt aus. Die Bohrarbeiten lösen immer wieder kleinere und größere Erdbeben aus.


Folgen für die Höfe:

Kor Kruizenga, Milchviehhalter aus Rasquert ist verzweifelt, nicht nur sein Wohnhaus und sein Milchviehstall haben seit den Beben Risse in den Wänden, auch seine Güllekeller sind undicht. Viele andere Landwirte haben das gleiche Problem. Ende vergangenen Jahres hat ein von der NAM beauftragtes Ingenieurbüro die ersten beschädigten Güllegruben untersucht. Das Ergebnis: Zwar könne durch die Risse auch Gülle austreten, dies sei jedoch sehr selten der Fall und spiele keine große Rolle, da die Gruben meist unter dem Grundwasserspiegel liegen. Die Landwirte haben daher eher damit zu kämpfen, dass Wasser in die Keller eindringt. Das Problem hat auch Kruizenga. Er zeigt uns zum Beweis eine Inhaltsstoffanalyse seiner Gülle: Trockensubstanz- und Stickstoffgehalt sind deutlich geringer wie in üblicher Milchviehgülle. Durch die Verwässerung entstehen höhere Transportkosten, die Gruben sind schneller voll.


Ein weiteres Problem sind mögliche Schäden an Drainagen. Auch das untersuchte das Ingenieurbüro und kam zu dem Ergebnis, dass Schäden durch Erdbeben eher unwahrscheinlich sind, da die meisten Entwässerungssysteme aus Kunststoff und somit flexibel seien. Dennoch können die Leitungen durch die Beben verrutschen und dadurch den Wasserabfluss hemmen. Das Problem ist, dass es wenige Erfahrungen mit Schäden an Drainagen durch Erdbeben gibt und auch keine konkreten Messdaten zum Vergleich vorliegen. Daher sollen weitere Untersuchungen folgen. Damit nicht genug: Ein Gutachten prognostiziert, dass der Boden um das Jahr 2070 an einigen Stellen um bis zu 47 cm absinken wird. Welche Konsequenzen das mit sich bringt, bleibt abzuwarten. Eine weitere gravierende Folge: Auch die Stabilität der Deiche bleibt von den Erdbeben nicht unberührt.


Entschädigung nicht leicht:

Insgesamt haben rund 30 000 Bürger Schäden bei der NAM angemeldet und fordern Schadensersatz. Viele Landwirte sind oft doppelt betroffen, sie beklagen Risse an ihren privaten Wohnhäusern und im landwirtschaftlichen Betrieb.


Geld fließt aber erst, wenn ein Gutachter der NAM zu dem Schluss kommt, dass die Schäden mit den Erdbeben zusammenhängen. Dann bezahlt die NAM einen Handwerker. Bei Torringas Privathaus dauerte es etwa ein halbes Jahr, bis er mit der Erdgasfirma alles geregelt hatte und die Schäden beseitigt waren.


Vor allem bei älteren, großen und bei speziellen Gebäuden wie Ställen ist die Zusammenarbeit mit der NAM laut Kruizenga und Torringa schwierig: „Wir haben den Eindruck, dass sie so wenig wie möglich zahlen wollen“, meint Torringa. Seit dem Beben in 2013 hat Landwirt Kruizenga zahlreiche Risse in seinen Gebäuden. Sogar im neuen Kuhstall, den er erst 2009 gebaut hat. Bisher waren bereits zwei Gutachter auf seinem Hof. Es ist aber noch immer nicht geklärt, ob die NAM den Schaden übernimmt. Mittlerweile hat er einen Anwalt eingeschaltet und einen eigenen Gutachter beauftragt. Das Prozedere kostet Zeit, Nerven und Geld.


Torringa meint, dass es wie beim Bau der Pipelines sei, die durch Flächen von Landwirten verlegt werden mussten. Am Anfang gab es auch zahlreiche Probleme, aber nach 30 bis 40 Jahren sei schließlich eine gute Zusammenarbeit mit der NAM entstanden. Beide Landwirte hoffen, dass das Unternehmen die Erdbebenschäden irgendwann genauso reibungslos vergütet, wie die beim Pipelinebau.


Schon einiges erreicht:

Der Widerstand ist ins Rollen geraten. Einiges hat man schon erreicht. Roelf Torringa engagiert sich bei der Groninger Boden Bewegung (GBB) – mittlerweile sind es mit ihm rund 3 000 Mitglieder. Die GBB setzt sich gemeinsam mit der Gemeinde und dem örtlichen Bauernverband „LTO Noord“ aktiv gegen die Erdgasbohrungen ein.


Die niederländische Regierung hat zwar beschlossen die Fördermenge zu drosseln, aber nicht weit genug, meint die GBB. Sie fordert die Bohrungen noch weiter zu reduzieren, um die Gefahren zu mindern.


Über den „Runden Tisch“ versuchen LTO Noord, GBB, Wirtschaftsministerium, die Gemeinde und die NAM seit 2014 einen gemeinsamen Nenner zu finden. „Miteinander zu reden ist der erste Schritt“, ist sich Torringa sicher.


Der niederländische Bauernverband trifft sich zusätzlich regelmäßig mit der NAM, um die Probleme der örtlichen Landwirtschaft zu diskutieren. Dabei geht es zum Beispiel um die durch Erdbeben verursachten Schäden an Güllekellern und Drainagen. Aber auch bei Bauvorschriften und erhöhten Kosten beim Bau in Erdbebengebieten sowie Entschädigungsregeln bei vorbeugender Gebäudeverstärkung besteht noch Diskussionsbedarf.


„Wir erwarten, dass die NAM den Landwirten alle Schäden erstattet“ so Annette van Velde vom LTO Noord. Ob nur die reinen Schäden oder auch der entstandene zusätzliche Zeit- und Arbeitsaufwand der Landwirte vergütet wird, ist aber noch unklar.


Maria Meinert

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