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Herdenmanager in der Sandwich-Position

Lesezeit: 8 Minuten

Herdenmanager stehen zwischen Chef und Mitarbeiter und müssen es allen recht machen: Wie kann man diese Herausforderung bewältigen?


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Die Mitarbeiter erwarten, dass man sich beim Chef mehr für sie einsetzt. Gleichzeitig fordert der Chef, dass man bei seinen Mitarbeitern härter durchgreift.


Wer als Herdenmanager arbeitet, hat es nicht leicht: Man ist für alle der Ansprechpartner, für vieles zuständig und für fast alles verantwortlich – das ist das Typische an dieser Position. „Dabei läuft man schnell Gefahr, dass man sich von dieser Rolle eingeengt und belastet fühlt, ähnlich wie in einem Sandwich“, sagt Johannes Ruppel, Führungskräfte-Entwickler und Kooperationspartner des Schulz von Thun Instituts in Hamburg. Experten nennen diese Stellung im Unternehmen deswegen auch die Sandwich-Position.


Alles unter einen Hut.

Es wird schnell klar, dass der Herdenmanager in seiner Position verschiedene Rollen einnehmen muss: Gegenüber seinem Chef ist er Angestellter, gegenüber seinen Mitarbeitern ist er Vorgesetzter. Zwischen diesen beiden Rollen hin- und herzuspringen, ist keine leichte Aufgabe.


Jedoch muss er noch weitaus mehr Rollen bewältigen und spielen. Johannes Ruppel zählt beispielhaft einige typische auf. Die Führungskraft ist:


  • Fachexperte, der sich mit Tiergesundheit ebenso auskennt wie mit Fruchtbarkeit und Fütterung.
  • Manager, der andere Facharbeiter anleitet und koordiniert, die Fäden in der Hand hält, ohne selbst im letzten fachlichen Detail zu stecken.
  • Mitarbeiter-Coach, der seine Mitarbeiter bei der Lösung schwieriger Si­tuationen begleitet, indem er zuhört und versucht, sie zu beraten.
  • Teamentwickler, der versucht die Zusammenarbeit im Team zu verbessern, der Konflikte im Team erkennt und den Mitarbeitern hilft, sie zu klären.
  • Verantwortlicher, der die Last der Verantwortung für Entscheidungen und für die Arbeitsergebnisse seines Teams trägt.
  • Löwenbändiger, der auch einmal ein Machtwort spricht, Konsequenzen aufzeigt und sie nötigenfalls zieht.
  • Leitwolf, der Vorbild für seine Mitarbeiter ist und ihnen neue Wege aufzeigt, auch klar sagt, wo es langgeht.
  • Angestellter, der sich selbst seinem Vorgesetzten gegenüber zu verantworten hat und Angestellter des Unternehmens ist.


Herdenmanagern wird damit nicht nur eine ganze Reihe an Qualifikationen abverlangt. Es kommt auch darauf an, in der richtigen Situation in die passende Rolle schlüpfen zu können.


Das ist ein hoher psychischer Anspruch, dem es nicht immer einfach ist, gerecht zu werden. „Die größte Herausforderung dieser Position ist, alles unter einen Hut zu bekommen“, sagt Dr. Matthias Heyder, Leiter des Bereiches Arbeitnehmerberatung und Weiterbildung bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. „Sie müssen Arbeitsabläufe organisieren, Aufgaben delegieren, Arbeitsanweisungen geben und mit den Mitarbeitern klar kommunizieren.“


Konflikte gehören dazu:

Vor allem in der Mitarbeiterführung und Kommunikation seien Herdenmanager oft überfordert. Wie gehe ich in Stress-Situationen mit meinen Mitarbeitern um? ist eine der Standardfragen, mit denen sich Herdenmanager an Beratungskräfte der Landwirtschaftskammer wenden.


„In der Sandwich-Position kommt man um Konflikte nicht herum“, sagt Ruppel. Chef, Mitarbeiter und auch externe Personen, wie Berater und Tierärzte haben oft gegensätzliche Erwartungen an den Herdenmanager. „Da man es nicht allen recht machen kann, gibt es immer jemanden, der sich beschwert“, sagt der Führungskräfte-Entwickler. Das führt zwangsläufig zu Konflikten.


„Das heißt aber nicht, dass man etwas falsch gemacht hat“, betont Ruppel. Im Gegenteil: Wer Konflikte nicht sehen will und ihnen aus dem Weg geht, macht etwas falsch. „Möchte man so einen Beruf ergreifen, sollte man sich vorher darüber im Klaren sein, dass man Konflikte eingehen muss“, sagt Ruppel. So erspart man sich eine Enttäuschung.


Früh abgrenzen:

Und noch etwas ist wichtig zu wissen: Damit es einem nicht so geht, wie der Person in der Zeichnung, die von beiden Seiten eingeengt wird, muss man eine klare Linie entwickeln und rechtzeitig Grenzen setzen. „Das heißt in erster Linie, ich muss klar kommunizieren, was meine Aufgaben sind und was nicht“, sagt Ruppel. Droht trotz ausgelasteter Kapazitäten zusätzliche Arbeit, so sollte man stattdessen andere Aufgaben delegieren oder Bedingungen für die zusätzlichen Aufgaben nennen.


Grundsätzlich gilt: Wer viel ‚Ja‘ sagt, hat auch viel zu tun. Und noch eines sollte einem klar sein: mit jedem Mal ‚Ja‘ sagen übernimmt man eine Verantwortung mehr. „Das kann schnell zur Arbeitsüberlastung führen. In unseren Augen ist das einer der Hauptgründe für die hohe Fluktuation bei Herdenmanagern“, fügt Dr. Heyder hinzu.


Eine klare Linie entwickeln heißt aber nicht nur, sich vor Überlastung zu schützen, sondern zeigt den Mitarbeitern und dem Chef auch, woran sie bei einem sind“, erklärt Ruppel.


Er warnt jedoch davor, seine Linie stur nach dem Motto „Ich gehe meinen Weg, egal, was ihr dazu sagt“ zu verfolgen. Das kann schnell dazu führen, dass die Mitarbeiter einen fallen lassen und man alleine da steht. Für Ruppel gehört zu einer klaren Linie auch dazu, seinen Mitarbeitern mal entgegenzukommen, sich auf eine Verhandlung einzulassen und Zugeständnisse zu machen.


Grundsätzlich sollte man bei allem, was man auf dem Betrieb umsetzt, versuchen, seine Mitarbeiter immer mit ins Boot zu nehmen. Oftmals kann man von den Sichtweisen und Erfahrungen seiner Mitarbeiter profitieren.


Frage der Lebenserfahrung.

Sich abzugrenzen fällt einem umso leichter, je mehr Lebenserfahrung man hat, findet Ruppel. „Man kann aufgrund der Lebens- und Berufserfahrung besser einschätzen, was im Arbeitsablauf machbar und zu schaffen ist“, sagt der ­Experte. Dadurch wächst die Selbstsicherheit und es fällt einem leichter ‚Nein‘ zu sagen.


„Junge Menschen sind nicht nur oft unsicherer, sie setzen sich auch selbst unter Erfolgsdruck“, berichtet Ruppel. Sie haben oftmals das Gefühl, sich „gut darstellen“ zu müssen und Probleme die eigenen Kapazitäten im Blick zu behalten. Das führt leicht in die Situation der Überforderung. „Das betrifft insbesondere sehr gewissenhafte Menschen und Perfektionisten“, erklärt Ruppel.


Achtung Zielvorgaben!

„Gibt der Betriebsleiter Zielvorgaben in Form von Kennzahlen vor, so besteht bei jungen Menschen mit wenig Berufserfahrung die Gefahr, dass sie nicht richtig einschätzen können, ob die Ziele realistisch sind oder nicht“, erklärt Ruppel. Sie versuchen Ziele zu erreichen, die evtl. nicht zu erreichen sind und verpulvern unnötig Energie.


Hier sind beide Seiten gefordert: In regelmäßigen Gesprächen kann der Status quo erhoben werden und Betriebsleiter sowie Herdenmanager helfen, die Ziele realistisch einzuschätzen. „Außerdem ist es Aufgabe des Betriebsleiters, dafür Sorge zu tragen, dass die Mitarbeiter die Aufgaben während der üblichen Arbeitszeit auch schaffen können und keine dauerhafte Überlastung auftritt“, fügt Heyder hinzu. „Überlastung führt schnell zum Frust. Das zieht Fehler nach sich“, erklärt er weiter.


Grundsätzlich warnt Dr. Heyder vor einem Einstieg in den Job des Herdenmanagers direkt nach dem Studium. Er empfiehlt ein bis zwei Jahre Praxiserfahrung sowie Auslandspraktika zu absolvieren.


„Außerdem sollten Herdenmanager in der Einarbeitungszeit nach Möglichkeit alle Aufgabenbereiche des Betriebes durchlaufen und wie die anderen Mitarbeiter melken, füttern, sich um das Jungvieh kümmern etc.“, merkt Dr. Heyder an. „Diese Erfahrungen sind später sehr wertvoll und können helfen, sich Respekt und Anerkennung bei Mitarbeitern zu verschaffen. Darüber hinaus rät er, Fortbildungen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, der Kommunikation und Personalführung zu besuchen.


Was belastet?

Die Position des Herdenmanagers ist scheinbar keine leichte Aufgabe. Was jedoch finden Herdenmanager in Verbindung mit ihrer Arbeitsaufgabe besonders belastend?


Prof. Dr. Gerhard Igl von der Hochschule Anhalt in Bernburg in Sachsen-Anhalt ging Fragen zur Arbeits­motivation von Mitarbeitern in der zweiten Führungsebene auf den Grund. In einer Untersuchung befragte er 115 Mitarbeiter der zweiten Leitungsebene aus ganz Deutschland. Dabei kam heraus, dass die Gefahr erhebliche wirtschaftliche Schäden infolge eigener Fehler zu verursachen, als am meisten belastend empfunden wurde. Auf der Skala zwischen 0 = keine Belastung bis 5 = sehr große Belastung erreichte dieses Merkmal einen Wert von 3,65.


Ähnlich hoch belastend war, dass man auch außerhalb der Arbeitszeit niemals richtig abschalten kann (Wert 3,61) und häufig zum Improvisieren gezwungen ist (Wert 3,59). Ein zu großer Arbeitsumfang und zu wenig Freizeit wurde ebenfalls als belastend wahrgenommen (Wert 3,03).


Was reizt?

Viel Verantwortung und wenig Freizeit bei einem vergleichbar geringem Gehalt: Da stellt sich die Frage, was junge Menschen an dem Job des Herdenmanagers reizt.


„Uns wird immer wieder davon berichtet, dass die Kombination aus Bürotätigkeit, Managementaufgaben und Umgang mit Tieren die meiste Freude bereitet“, sagt Dr. Heyder. Außerdem habe die Verantwortung für die komplette Betreuung der Herde einen besonderen Reiz.


Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Prof. Igl in der Untersuchung. Er fragte die Teilnehmer, was sie motiviert und ob diese Faktoren in ihrem Job erfüllt sind: Rund 81 % der Teilnehmer gaben an, dass sie ihre Arbeitsaufgabe als besonders abwechslungsreich empfinden. Gut 71 % finden, dass sie weitgehend eigenständig arbeiten und Entscheidungen treffen können.


Knapp 68 % geben an, dass sie die Ergebnisse und Erfolge der eigenen Arbeit sehen können. „Das zeigt, dass die Voraussetzungen für Arbeitszufriedenheit in dieser Position gut sind“, fasst Prof. Igl zusammen.


„Die Untersuchung hat jedoch auch ergeben, dass die Teilnehmer zu wenig Anerkennung für ihre Arbeit empfinden“, sagt Prof. Igl. „Das ist neben der Höhe der Bezahlung ein zentraler Ansatzpunkt, den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten“, resümiert Prof. Igl. Im Hinblick auf immer größer werdende Betriebe und den steigenden Bedarf an Herdenmanagern sind also auch die Betriebe gefordert.Svenja Pein


Buchtipp für Herdenmanager: „Mit­einander reden: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte“ von Friedemann Schulz von Thun, Johannes Ruppel und Roswitha Stratmann.

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