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Irland: 50 % mehr Milch bis 2020

Lesezeit: 9 Minuten

Mit staatlicher Hilfe sollen die Milcherzeuger in Irland 50 % mehr Milch bis 2020 produzieren. Dazu müssen sie die Weidehaltung deutlich intensivieren. Bis jetzt sind sie auf einem guten Weg.


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Irland setzt zum Sprung an: Das Land will 50 % mehr Milch bis 2020 produzieren. „Es ist ein sehr ambitioniertes Ziel“, gibt Dr. Pat Dillon, Chef der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Moorepark im Bezirk Cork zu, „das aber zu erreichen ist.“


Viele Weideflächen in Irland sind noch nicht intensiv bewirtschaftet, sodass man den Viehbesatz „locker“ erhöhen und mehr Milch vom Hektar holen könnte. Das haben unabhängig voneinander durchgeführte Studien ergeben, die die Regierung in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis wurde im „Landwirtschafts- und Ernährungsbericht 2020“ veröffentlicht: Irlands Milchproduktion hat nach Wegfall der Quote ein Wachstumspotenzial von 50 %. In Zahlen heißt das: Die Iren dehnen ihre Milchproduktion in den nächsten sechs Jahren von 5,0 Mio. t auf 7,5 Mio. t aus.


Wirtschaftskrise treibt:

Milchproduktion hat auf der grünen Insel eine lange Tradition. Zwischen 1975 und 1984 ist die irische Milchproduktion um 6 % pro Jahr gewachsen – so schnell wie in kaum einem anderen Land der Welt. Die Einführung der Milchquote im Jahr 1983 hatte das Wachstum jedoch ausgebremst. Die Regierung suchte nach einem neuen „Wirtschaftsmotor“ und setzte auf die Kommunikationstechnologie. Ausländische Unternehmen wie Microsoft, Intel und Dell investierten hier Ende der 80er-, Anfang der 90er- Jahre. So wuchs Irlands Bruttoinlands-produkt von 1995 bis 2007 um 6 % jährlich, weshalb man diese Zeit den „keltischen Tiger“ nennt.


Doch mit der Weltfinanzkrise 2007 brachen die Umsätze ein. Deshalb konzentrierte sich die Regierung wieder auf die Landwirtschaft. Speziell für die Entwicklung des Milchsektors hat man eine Expertengruppe bestehend aus Vertretern der Regierung, der landwirtschaftlichen Beratung und der Molkereien gegründet. Ausgegebenes Ziel: 50 % mehr Milch bis 2020. Um die ambitionierte Vorgabe zu erreichen, packen alle mit an.


Politik fördert Milch!

Zunächst die Politik: Sie unterstützt Landwirte, die bisher keine Kühe gemolken haben, beim Neueinstieg in die Milchproduktion. Durch das eigens dafür geschaffene Programm „New Entrant Dairy Scheme“ (NEDS) wurde ihnen von 2009 bis 2013 Quote aus der nationalen Reserve bereitgestellt. Erfolgreiche Bewerber haben bis zu 200 000 kg Quote erhalten. Sowohl 450 Neueinsteiger als auch kleine Milchviehbetriebe, die ihre Produktion ausdehnen wollten, haben in den letzten fünf Jahren diese Förderung erhalten.


Auch die Molkereien legen sich ins Zeug: Um die zusätzlichen Milchmengen verarbeiten zu können, erweitern sie ihre bestehenden Anlagen. Der Molkereikonzern Glanbia z. B. investiert derzeit 157 Mio. € in den Bau einer neuen Molkerei in Südirland (siehe Kasten S. R 14).


Und natürlich muss die Vermarktung der zusätzlichen Milch stimmen: Irland exportiert heute schon 85 % der erzeugten Milch. Jeder zusätzlich produzierte Tropfen geht in die Ausfuhr. Das erfordert gute Exportstrategien, die Irland dank des Irish Dairy Board (IDB) hat.


Das IDB ist eine Genossenschaft, die den Molkereien gehört. Sie ist für den Export von Milchprodukten fast aller irischer Molkereien verantwortlich. Seit seiner Gründung 1961 hat das IDB mit der Eigenmarke „Kerrygold“ in sage und schreibe 90 Ländern Exportmärkte geschaffen. „Das ist die beste Voraussetzung, die zusätzlich produzierte Milch bis 2020 auf dem Weltmarkt zu verkaufen“, sagt Dillon. Die richtigen Vetriebs- und Marketingstrategien machten die Kerrygold Butter zur meistverkauften in Deutschland und zur Importbutter Nummer eins in den USA. Das IDB beschäftigt 3 100 Mitarbeiter weltweit und macht einen Umsatz von über 2 Mrd. €.


Wachstum von 5 % im Jahr:

Um das Ziel bis 2020 zu erreichen, muss die Milchanlieferung nach Berechnung der Expertengruppe um 5 % pro Jahr steigen. Dabei sollen 3 % aus der Aufstockung der Kuhzahl und 2 % aus höherer Milchleistung kommen.


Derzeit gibt es 18 000 Milchviehbetriebe und 1,1 Mio. Kühe in Irland. Im Schnitt halten sie über 60 Kühe. Bis 2020 soll die Kuhzahl auf 85 Kühe pro Betrieb steigen. Insgesamt soll es dann 1,36 Mio. Kühe auf der grünen Insel geben. Die Zahl der Milchviehbetriebe wird sich jedoch auf 16 000 verringern, so die Prognosen.


Die durchschnittliche Milchleistung liegt momentan bei 5 100 Litern. 2020 sollen die irischen Kühe im Schnitt 5 520 Liter geben.


Von 4,2 Mio. ha landwirtschaftlicher Nutzfläche sind 80 % intensives Grünland, 11 % extensives Grünland (vor allem Moore und Hochland) und 9 % Ackerland. Viele Betriebe halten ihre Kühe drei Viertel des Jahres auf der Weide. Nur die Wintermonate verbringen sie im Stall.


Mehr Milch von der Weide:

Die irischen Bauern werden zukünftig mehr Milch pro Hektar melken müssen. Das gelingt nur über eine höhere Effizienz in der Weidewirtschaft. „In Irland haben wir die besten Grünlandbedingungen Europas. Wir können Milch nur kostengünstig produzieren, wenn wir diesen Standortvorteil voll nutzen“, sagt Dillon.


Die gut gemanagten Betriebe erzeugen bis zu 16 t Weidegras pro Hektar und Jahr. Solche Erträge kann man nur erzielen, wenn man kosequent eine Reihe von Maßnahmen durchführt.


Die wichtigste ist das Anlegen von Drainagen, denn viele Grünlandflächen neigen zu Staunässe. „Das vermindert nicht nur die Weideerträge, sondern auch, dass die Flächen im Frühjahr und Herbst regelrecht unter Wasser stehen und nicht beweidet werden können“, erklärt Dillon.


Die Weidesaison dauert traditionell von Mitte März bis Ende Oktober. Durch das Anlegen von Drainagen können die Iren die Flächen heute von Anfang Februar bis Ende November beweiden. „Das reduziert die Bereitstellung von Winterfutter erheblich“, so Dillon.


Jede Woche messen!

Eine weitere wichtige Maßnahme ist das regelmäßige Kontrollieren des Weideaufwuchses. „Denn nur wer den Status quo seines Weidemanagements kennt, kann an den Stellschrauben drehen und sein Ergebnis verbessern“, sagt Dillon.


Der Aufwuchs sollte mindestens einmal pro Woche kontrolliert und die Ergebnisse in eine Wachstumskurve übertragen werden. Der Landwirt kann daran sehen, welche Flächen in den nächsten Tagen zur Beweidung anstehen. Und umgekehrt: Geht das Graswachstum bedingt durch Trockenheit zurück, können durch die Wachstumskontrolle frühzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden, z. B. mit der Zufütterung von Ballensilage und der Reduzierung der täglichen Weidefläche.


„Den Aufwuchs regelmäßig zu kontrollieren, hat noch etwas Gutes“, merkt Dillon an. „Zusammen mit dem Berater kann der Landwirt daraus ableiten, welche Flächen eine Neuansaat oder Düngung nötig haben.“


Ab 8 cm weiden!

Die Portionsweide ist typisch im irischen Weidesystem. Dabei wird den Kühen möglichst alle 12, spätestens jedoch alle 24 Stunden eine genau berechnete Fläche an Weidegras zugeteilt. Nach diesen 12 bzw. 24 Stunden sollte die Fläche komplett abgeweidet sein. So erübrigt sich z. B. ein Nachmähen der Gailstellen. „Kühe lieben die zuckerreichen, 1 bis 2 cm langen Blattsprösslinge. Sie werden immer die Neuauswüchse abfressen und das Graswachstum empfindlich stören“, gibt Dillon zu bedenken. Damit es eine Chance hat nachzuwachsen, dürfen die Kühe die Weide jedoch bis zur nächsten Rotation nicht mehr betreten.


„Seit ungefähr zehn Jahren empfehlen wir eine Beweidung ab 8,0 bis 9,0 cm Wuchshöhe des Grases, wobei die Blattmasse bis auf eine Höhe von 3,5 bis 4,0 cm abgefressen werden soll“, sagt Dillon. Vorher teilte man die Weideflächen ab einer Wuchshöhe von 12,0 bis 13,0 cm zu. Das Gras wurde dann bis auf eine Höhe von ca. 6,0 cm aufgefressen. Dillon freut sich: „Diese kleine Änderung im Weidemanagement hat zu einer durchschnittlichen Ertragssteigerung von 1 t Gras pro Hektar und Jahr geführt.“


Damit die Flächen auch unter widrigen Witterungsbedingungen beweidet werden können, ist das Anlegen von Treibewegen unerlässlich. „Die Schäden auf dem Grünland müssen so niedrig wie möglich gehalten werden. Sie kosten Ertrag und nicht zuletzt Milch“, sagt Dillon. Um das zu vermeiden, erstellen Landwirte und Berater zusammen ein ausgeklügeltes Netz an Treibewegen.


Darüber bilden die Blockabkalbungen mittlerweile einen festen Bestandteil im irischen Weidesystem: Die Kühe kalben im Frühjahr ab, wenn der Weideaufwuchs am stärksten ist und die Gräser die höchsten Nährstoffgehalte haben.


„Was wir brauchen, sind exzellente Grasmanager – und keine Kuhmanager, wie es in Hochleistungsbetrieben üblich ist“, sagt Dillon. Viele seiner Betriebe sind auf dem besten Weg, sich zu leistungsfähigen Weidemilchproduzenten zu entwickeln. „Wir von der Beratung werden alles dafür tun, die Praktiker auf diesem Weg zu begleiten“, sagt er.


Andere Weidegenetik:

Weidehaltung stellt andere Anforderungen an die Genetik als Stallhaltung. In Irland sind mittelrahmige Kühe mit tiefer Rippe und hohem Grundfutteraufnahmevermögen gefragt. „Großrahmige, schwere Holsteinkühe mit einem Lebendgewicht über 700 kg würden in der feuchten Jahreszeit Narbenschäden verursachen“, erklärt Dillon.


„Die Kühe müssen weidetauglich sein. Das stellt Anspruch an verschiedene Merkmale“, sagt Dillon. Dafür wurde 2001 der sogenannte Ökonomische Zuchtindex (EBI) eingeführt, der die Fruchtbarkeit mit einem Anteil von 30 % besonders stark berücksichtigt. „Für die saisonalen Abkalbungen ist dieses Merkmal besonders wichtig, da schlecht tragend werdende Tiere für Verzögerungen im Weidebeginn sorgen“, gibt Dillon zu bedenken. In dem Zuchtwert werden auch Leichtkalbigkeit, Eutergesundheit, die täglichen Zunahmen, das Temperament und die Melkbarkeit berücksichtigt.


In der Vergangenheit waren dies oft neuseeländische Vererber. Die Entwicklung des EBI hat dazu geführt, dass heute wieder irische Besamungsbullen zum Einsatz kommen. Irische Zuchtexperten behaupten sogar, derzeit mit dem EBI die weltweit beste Weidegenetik anbieten zu können.


Schafft Irland das?

50 % mehr Milch bis 2020 – das liest man auf nahezu jeder irischen Internetseite, die einen Bezug zur Milchwirtschaft hat. Sie streben nicht nur alle nach diesem Ziel, sondern arbeiten auch konstruktiv zusammen, um es zu erreichen.


Ob Irland das wirklich schafft, hängt von vielen Faktoren ab. Aber die Zeichen stehen gut: Wir sollten uns darauf einstellen, dass in sechs Jahren 2,5 Mio. t mehr Milch aus Irland in den Markt fließen.


Der Molkereisektor sieht den Markt jedenfalls aufnahmefähig genug. Aus der Praxis gibt es jedoch auch nachdenkliche Stimmen: Eine Ausdehnung der Produktion auf Kosten des Milchpreises wäre für viele Landwirte schwer zu verkraften.Benedikt Rodens

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