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Kälbergrippe: Leichte Tiere besonders gefährdet

Lesezeit: 6 Minuten

Bei Einstall-Kälbern unter 50 kg ist die Rindergrippe fast vorprogrammiert. Deshalb sollten Mäster nur schwere Kälber kaufen. Es berichtet Prof. Dr. Kerstin Müller, FU Berlin.


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Was erfahrende Rinderhalter schon lange vermuten, scheint sich jetzt zu bestätigen: Je leichter Einstall-Kälber sind, desto anfälliger sind sie für Krankheiten.


Aktuelle Studien zeigen, dass Mastbetriebe in den ersten zehn Tagen nach dem Einstallen einen sprunghaften Anstieg von Atemwegserkrankungen verzeichnen. Denn die Immunabwehr der Kälber ist durch den Stress des Umstallens geschwächt. Dadurch bekommen die Bakterien Oberhand. Besonders anfällig sind Kälber mit einem geringen Einstallgewicht. Hier gilt: Gewicht vor Alter. Mästern wird empfohlen, die Kälber vor dem Zukauf zu wiegen und nur Kälber mit mehr als 50 kg abzunehmen.


Doch der wirtschaftliche Schaden der Kälbergrippe entsteht nicht allein durch die Kosten für die Behandlung. Auch der erhöhte Arbeitsaufwand, Kümmerer und steigende Tierverluste sind ausschlaggebend. Hinzu kommen beanstandete Tierkörper bei der Fleischbeschau oder Färsen, die rund um die erste Kalbung unter den Folgen chronischer Lungenentzündungen leiden.


Bullenkälber unterversorgt:

Bereits mit der Geburt wird die Basis für die Lungengesundheit des Kalbes gelegt. Atmet das Kalb beim Geburtsvorgang Fruchtwasser ein oder ist die Lunge bei einer Frühgeburt noch nicht ausgereift, bietet sie einen guten Nährboden für das Wachstum von Bakterien. Erst ab einem Alter von zwölf Monaten ist die Rinderlunge ausgereift. Deshalb sind besonders Jungtiere anfällig für Atemwegserkrankungen.


Eine unzureichende Biestmilchversorgung erhöht das Risiko für das Tier, noch vor dem Absetzen an einer Atemwegserkrankung zu leiden. Auf vielen Milchviehbetrieben werden besonders die männlichen Kälber nicht ausreichend mit Biestmilch versorgt, da sie zur Mast verkauft werden. Viele Kälber werden zunächst durch den Neugeborenendurchfall geschwächt und erkranken dann an einer Lungenentzündung. Trockene Liegeflächen und das Vermeiden von Zugluft sind deshalb wichtig.


Mit dem Verschwinden der aus der Biestmilch stammenden Antikörper ist das Kalb den verschiedenen Erregern ausgeliefert. Die Jungtiere müssen sich mit Virusinfektionen auseinandersetzen, in deren Folge schwere Lungenentzündungen entstehen können. Impfprogramme können die Erkrankungsraten und die Sterblichkeit wirksam senken.


Neben den Einflüssen, die vom Kalb selbst ausgehen, werden 20 verschiedene Virusarten mit Atemwegserkrankungen beim Kalb in Zusammenhang gebracht.


Wie neue Untersuchungen aus belgischen Kälbermastbetrieben zeigen, spielt vor allem das Bovine Virus Diarrhöevirus (BVD-Virus) bei Ausbrüchen der Kälbergrippe eine Rolle, indem es die Immunabwehr der Tiere stark schwächt.


Lungenentzündungen, an deren Entstehung Mykoplasmen beteiligt sind, erweisen sich als besonders hartnäckig. Die Symptome kehren immer wieder zurück.


Aktuelle Studien zeigen, dass die Mykoplasmen aus der Milch infizierter Kühe stammen und über die Tränkeaufnahme auf die Schleimhäute der Kälber gelangen. Kommt es zu einer Abwehrschwäche, siedeln sie sich zusammen mit anderen Bakterien in der Lunge an oder sie dringen ins Mittelohr ein und können auf diesem Wege sogar das Gehirn infizieren.


Kälber mit einer Mittelohrentzündung sind schon von Weitem an einer Kopfschiefhaltung zu erkennen. Die Lungen solcher Kälber sind von zahlreichen kleinen Abszessen durchsetzt, wodurch die Lunge ein schwammartiges Aussehen bekommt.


Stress fördert Grippe.

Vor allem Stress begünstigt die Kälbergrippe.


Die Geburt, Störungen der Sozialstruktur durch Umstallen, das Enthornen, Transporte, die Umstellung auf ein automatisches Tränksystem sowie das Absetzen rufen beim Kalb Stressreaktionen hervor.


In Kälbermastbetrieben spielen neben dem Transport und der Aufstallung von Tieren unterschiedlicher Herkunft vor allem Defizite hinsichtlich des Platzangebotes, der Bodenbeschaffenheit, der Verfügbarkeit von Tränken, des Stallklimas und der Äußerung des normalen Sozialverhaltens eine Rolle.


Für neugeborene Kälber ist besonders die direkte Umgebung von Bedeutung. Stalltemperaturen von mehr als 16 ºC sind optimal. Vor allem Stroheinstreu ermöglicht auch bei kalten Außentemperaturen ein tiergerechtes Mikroklima in der unmittelbaren Umgebung des Kalbes.


Hohe Keimzahlen in der Umgebung und auf den Schleimhäuten der Tiere begünstigen das Entstehen von Atemwegs-erkrankungen. Vor allem die Erhöhung der Luftwechselrate wirkt dem entgegen.


Da Kälber bei der Mutter zwischen 6 und 16 l Milch pro Tag aufnehmen, wurde der Bedarf der Kälber an Milchaustauschfuttermitteln bzw. Vollmilch einer gründlichen Prüfung unterzogen. Demnach wird eine Tränkemenge von 15 % des Körpergewichtes als zu gering angesehen. Die Erhöhung des Tränkevolumens und/oder der Anzahl an Mahlzeiten kann zu einer Verbesserung der Leistung der späteren Milchkuh beitragen.


Risikofaktoren ausschalten.

Das rechtzeitige Erkennen und Behandeln kranker Kälber trägt ganz erheblich zum Behandlungserfolg bei.


Besonders nach Stresssituationen sollten die Tiere sorgfältig beobachtet werden. Belgische Wissenschaftler haben festgestellt, dass ein erheblicher Anteil Antibiotika denjenigen Kälbern verabreicht wird, die aufgrund einer verschleppten Atemwegserkrankung später entweder eingeschläfert werden müssen oder nicht das Ende der Mastperiode erreichen.


Die verbreitete Annahme, dass sich die Krankheit durch Verweigerung oder Verminderung der Tränke- bzw. Futteraufnahme ankündigt, ist falsch. Die Nahrungsaufnahme ist zu Beginn von Atemwegserkrankungen weitgehend unbeein-flusst. Besser sollten die Kälber bei einem Kontrollgang einmal täglich aus der Entfernung beobachtet werden. Verdächtige Tiere müssen kontrolliert werden, wobei auch Fieber gemessen werden sollte.


Eine Antibiotika-Gabe zur Behandlung der Kälbergrippe darf nur nach Untersuchung durch den Tierarzt erfolgen. Bewährt hat sich die Kombination von Antibiotikum und Entzündungshemmer. Das begrenzt den Schaden, den eine übermäßige Entzündungsreaktion am Lungengewebe anrichten kann. Die Anwendung schleimlösender Substanzen ist beim Rind ratsam. Sie verflüssigen den in den Atemwegen festsitzenden Schleim, der anschließend abgehustet werden kann.


Innerhalb von drei Tagen nach Beginn einer Behandlung mit Antibiotika sollte sich eine deutliche Besserung einstellen. Die Körpertemperatur sollte wieder unter 39,5 ºC liegen, die Atemfrequenz sollte sich bleibend auf unter 50/Minute einpendeln. Bleiben Temperatur und Atemfrequenz hoch oder tritt sogar Atemnot auf, könnte ein Wechsel des Antibiotikums notwendig werden, wobei die Antibiotika-Richtlinien zu beachten sind.


Hat man die Anfangsphase der Erkrankung verpasst, werden die Aussichten auf eine vollständige Heilung ungünstiger. Im Lungengewebe kapseln sich die Erreger in Abszessen ab, wo sie für Antibiotika schlecht erreichbar sind. Betroffene Tiere werden oft zu Kümmerern, da das geschädigte Lungengewebe den Sauerstoff nicht mehr transportiert.


Tierhalter und Tierärzte sollten gemeinsam an der Beseitigung von Mängeln im Betrieb arbeiten und zugeschnittene Impfprogramme entwerfen.

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