Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Aus dem Heft

Kampf dem gelben Gift

Lesezeit: 6 Minuten

Im Fermenter oder extern, mit Sauerstoff oder Eisen? Für die Entschwefelung von Biogas gibt es viele Verfahren. Wir geben Ihnen einen Überblick über den aktuellen Markt und neue Trends.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Josef Topphoff blickt entspannt auf die zwei großen Zylinder neben den Fermentern. „Die Entschwefelungsanlage macht jetzt keine Arbeit mehr“, sagt der Betriebsleiter der Biogasanlage Schwartenpohl der Bollmer Umwelt GmbH aus Wietmarschen (Niedersachsen) erleichtert.


Das war auch schon einmal anders. Die Biogasanlage mit 3,5 Megawatt elektrischer Leistung setzt u.a. Reststoffe aus der Lebensmittelindustrie ein. Einige der Stoffe wie Magen-Darm-Schleim aus Schlachtereien, aber auch Hähnchenmist haben einen hohen Schwefelgehalt, der sich später in Form von Schwefelwasserstoff (H2S) im Biogas wiederfindet. Der H2S-Gehalt erreichte in der Spitze 18 000 ppm im Rohbiogas. Herkömmliche Biogasanlagen, die nachwachsende Rohstoffe einsetzen, erreichen dagegen zwischen 200 und 3 000 ppm.


Viele Schäden:

Ein hoher H2S-Gehalt führt zu unangenehmen Folgen, denn das Gas ist sehr schädlich:


  • Zusammen mit dem Wasserdampf im Biogas bildet H2S eine saure und korrosive Lösung (Alkalisulfid), die in Rohrleitungen, an Rührwerken oder am Beton im Fermenter große Schäden anrichten kann.
  • Bei der Verbrennung im Motor entsteht aus H2S schwefelige Säure. Dadurch versauert das Motoröl schneller, was das Ölwechselintervall herabsetzt. Das wird teuer: Jeder Ölwechsel kann Kosten von 3 € je Liter Öl und rund 1 000 € pro Motor verursachen.
  • Bei hohem Schwefelanteil im Rohgas kann sich viel elementarer Schwefel auf den Netzen oder Holzbalken anlagern. Das Gewicht kann die Holzkonstruktion brechen lassen. Herunterfallende Schwefelklumpen führen auch zu einem plötzlichen und zum Teil hohen Anstieg der H2S-Konzentration.
  • Wenn die Schwefelfracht im Biogas zu hoch ist, setzt sich ein eigentlich als Feinfilter gedachter Aktivkohlefilter schnell zu.
  • Zudem kann H2S die Biologie im Fermenter stören, in dem er wichtige Spurenelemente festlegt oder Wasserstoff verbraucht, der damit für die Methanbildung nicht mehr zur Verfügung steht.
  • Ein weiteres Problem sind Störungen an den Abgaskatalysatoren, die viele Betreiber zur Reduzierung von Formaldehyd nachgerüstet haben.


Luft macht Probleme:

Noch ist das Einblasen von 0,3 bis 2 Volumenprozent Luft in den Gasraum des Fermenters die günstigste, einfachste und damit auch am häufigsten anzutreffende Methode. Hierzu nutzen die Betreiber meistens Aquariumpumpen. Bei Bio-gasanlagen, die das Gas auf Erdgasqualität aufbereiten, kommt dagegen reiner Sauerstoff zum Einsatz, da der in der Luft enthaltene Stickstoff bei der Gasaufbereitung unerwünscht ist.


Die natürlich vorkommenden Bakterien nutzen den Sauerstoff, um H2S in elementaren Schwefel und Sulfat umzuwandeln. Da die Bakterien auf Oberflächen wie Holzbalken oder Kunststoffnetzen siedeln, lagert sich dort auch der Schwefel an und fällt von Zeit zu Zeit in das Gärsubstrat. Mit diesem wird er nach der Vergärung als Dünger ausgebracht.


Diese Art der Entschwefelung hat aber gravierende Nachteile: Das Einblasen von Luft ist ungenau, es reagiert nicht auf einen schwankenden Schwefelgehalt. Auch kann eine höhere Konzentration von zugeführtem Sauerstoff die unter Luftabschluss lebenden Me-thanbakterien schädigen. Um den Schwefel aus dem Biogas zu entfernen, gibt es daher eine Reihe von weiterentwickelten Verfahren, die sich in drei Kategorien einordnen lassen:


  • Biologische Entschwefelung mit Luft oder reinem Sauerstoff in externen Anlagen.
  • Chemische Entschwefelung durch Zugabe von Eisenverbindungen,
  • Feinentschwefelung mit Aktivkohle.


Im Folgenden stellen wir Ihnen die Verfahren näher vor.


Kontrollierte Reinigung:

Auch externe Entschwefelungsanlagen arbeiten nach dem Prinzip der biologischen Entschwefelung. Der Unterschied zur biologischen Entschwefelung im Fermenter ist jedoch, dass bei der externen Entschwefelung der Schwefelwasserstoff gezielt zu elementarem Schwefel oder zu Sulfat abgebaut wird. Bei der internen Entschwefelung im Fermenter sind beide Bakterienstämme vorhanden und der Abbau zu Sulfat und Elementarschwefel laufen unweigerlich nebeneinander ab.


Bei der externen biologischen Entschwefelung strömt das Biogas durch einen Behälter, in dem die Schwefelbakterien unter kontrollierter Luftzugabe den H2S aus dem Biogas abbauen. Die Bakterien siedeln dabei auf Kunststofffüllkörpern.


Der Vorteil der Anlagen liegt in der kontrollierten Entschwefelung und den kalkulierbaren Betriebskosten. Dafür sind einmalige Investitionskosten zu tragen.


Eine Variante sind Biorieselbettreaktoren. Das Biogas strömt hier unter Zugabe von Wasser und Sauerstoff durch eine Füllkörperkolonne. Bei ihnen wird nur ein kleiner Teil des H2S in elementaren Schwefel umgewandelt, die Masse dagegen in Sulfat bzw. Schwefelsäure. Dieses muss extra entsorgt werden. Bei einer Biogasanlage mit 500 kW Leistung fallen 800 bis 1 000 m3 Abwasser pro Jahr an, dessen Entsorgung rund 20 € pro m3 kostet. Daher kommt das Verfahren fast nur noch bei Bio-gasanlagen mit eigener Abwasserreinigung oder in der Klärtechnik zum Einsatz.


Fällung mit Eisen:

Bei der Zugabe von Eisenverbindungen reagiert der H2S im Gärsubstrat mit dem Eisen zu Eisensulfid, das ausgefällt wird und im Gärrest bleibt. Bei den Präparaten lassen sich Eisenoxide (Eisenhydroxid oder Eisen-oxidhydroxid) und Eisensalze (Eisen-(II)chlorid, Eisen(III)chlorid oder Eisensulfat) unterscheiden. Während die Oxide pulverförmig oder auch als Pellets oder Granulat erhältlich sind, liegen die Eisensalze meist in flüssiger Form vor.


Der Vorteil der Eisenoxide: Das Entschwefelungsmittel wird dem Inputmaterial zugemischt. Einige Hersteller bieten pulverförmiges Material an, das in fermentierbaren 20 kg-Säcken eindosiert wird. Es ist also keine große Investition in Technik nötig.


Allerdings steigt der Chemikalienaufwand mit dem Schwefelgehalt proportional an. Flüssige Eisensalze sind zudem gesundheits- und wassergefährdend, ätzend und korrosiv. Daher benötigen sie eine spezielle Dosiereinrichtung, um die Stoffe genau und ohne Gefahr für Mensch und Umwelt sicher einfüllen zu können. Für diese müssen Sie mit Kosten um ca. 2 000 € rechnen.


Feintuning mit Aktivkohle:

Ein weiteres Verfahren ist der Aktivkohlefilter. Allerdings ist er nicht für große Schwefelmengen geeignet. Grund: Das Material besteht aus hochporösem Kohlenstoff, an dem sich Moleküle anlagern. Bei dieser „Beladung“ wird H2S unter Anwesenheit von Sauerstoff in elementaren Schwefel umgewandelt, der sich in den Poren der Kohle ablagert.


Ist die Kohle mit Schwefel beladen, funktioniert die Reinigung nicht mehr, das Filtermaterial muss ausgetauscht und vorschriftsmäßig entsorgt werden. Eine Ausbringung als Dünger ist nicht erlaubt. Ein Wechsel kostet je nach Filtergröße und Personalaufwand ab ca. 1 000 € bis über 5 000 €. Je höher der Schwefelgehalt im Biogas ist, desto schneller ist der Filter „zu“. Daher setzen die meisten Biogasanlagen Aktivkohle als Feinfilter ein, um vor dem BHKW die letzten Reste an Schwefelwasserstoff aus dem Gas herauszufischen. Der H2S-Gehalt im Rohgas vor dem Aktivkohlefilter sollte daher nicht mehr als 150 bis 300 ppm betragen.


Aktivkohle kostet je nach Qualität zwischen 3 und 8 €/kg. Damit Kondenswasser aus dem Biogas die Aktivkohle nicht durchfeuchtet, muss das Gas vor der Reinigung erwärmt werden.


Probleme im Griff:

Seit August 2012 arbeitet in der Biogasanlage Schwartenpohl eine externe biologische Entschwefelung, die das Rohbiogas auf 10 ppm reinigt. Den Rest erledigt die Aktivkohle. „Diese müssen wir jetzt statt mehrmals im Monat nur noch zweimal im Jahr austauschen“, erklärt der Betriebsleiter. Die Anlage hat zwar einen sechsstelligen Betrag gekostet, wird sich aber wegen der vielen Einsparungen in wenigen Jahren amortisiert haben, ist Topphoff überzeugt.

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.