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Kleinwindrad zur Selbstversorgung?

Lesezeit: 8 Minuten

Kleine Windräder sind nur wirtschaftlich, wenn Sie den Strom selbst ver-brauchen. Hierzugibt es neueErfahrungen aus der Praxis.


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Das ganze Jahr über viel Wind und einen hohen Stromverbrauch im Schweinestall: Wäre es da nicht ideal, den Stromverbrauch mit einem Kleinwindrad zu decken? Diese Frage stellte sich der Schweinemäster Ove Alberts aus Witzwort bei Husum in Schleswig-Holstein vor vier Jahren. Im Jahr verbraucht der Landwirt rund 66 000 Kilowattstunden (kWh) Strom im Betrieb. „Die Stromkos-ten im Betrieb sind in den letzten zehn Jahren jährlich um 5,6 % gestiegen. Darum wurde der Selbstverbrauch für mich immer wichtiger“, schildert er die Ausgangslage.


Photovoltaik als Stromquelle kam nicht infrage: Alle Dächer auf dem Hof sind seit dem Jahr 2004 bereits mit Modulen belegt. Die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dieser jetzt zehn Jahre alten Anlagen ist zu hoch, als dass sich der Eigenstromverbrauch rechnen würde. Darum installierte Alberts im Jahr 2010 ein Kleinwindrad mit 9,8 kW elektrischer Leistung. Die Mühle auf einem Gittermast hat eine Nabenhöhe von 31 m.


Über 20 000 kWh pro Jahr.

Alberts Erfahrungen der letzten vier Jahre sind sehr positiv. Der Hersteller hatte den Jahresertrag bei 5 m/s auf Nabenhöhe mit 17 500 kWh angegeben. „Bei mir hat die Mühle wegen der guten Windverhältnisse deutlich mehr Strom produziert“, resümiert er. Sein Hof liegt auf dem flachen Land mit wenig Büschen und Bäumen ca. 4 km von der windreichen Westküste entfernt. Nach seinen monatlichen Aufzeichnungen hat das Windrad im ersten Jahr 10 000 kWh, im Jahr 2011 etwa 25 000, im Jahr 2012 rund 24 700 und im Jahr 2013 ca. 21 000 kWh produziert. Bis Juni 2014 waren es zusammen 94 000 kWh.


Der gesamte Stromverbrauch lag in der Zeit bei 218 000 kWh. Alberts musste nach Inbetriebnahme des Wind-rades nur noch 140 000 kWh dazu kaufen, 78 000 kWh des Strombedarfs hatte das Windrad erzeugt. „Damit habe ich etwa 83 % des Stroms, den das Windrad erzeugt hat, selbst verbraucht. Das sind 43 % meines Stromverbrauchs im Betrieb“, fasst er zusammen.


Stromverbrauch verteilt:

Für diesen hohen Selbstverbrauchsanteil schaltet er variable Stromverbraucher wie Schnecken der Fütterungsanlage nicht mehr morgens alle gleichzeitig an, sondern über den Tag verteilt, um Verbrauchsspitzen zu senken.


Der restliche Windstrom ist zu Zeiten angefallen, in denen er ihn im Betrieb nicht sofort verbrauchen konnte. Daher hat er diesen Strom ins öffentliche Netz eingespeist. Als Einspeisevergütung erhält er dafür 9,11 ct/kWh – den gleichen Tarif wie die großen Windräder. In der Summe sind in diesen knapp vier Jahren nur 1 500 € zusammengekommen.


Alberts hat bereits nach Möglichkeiten gesucht, um diesen Strom ebenfalls nutzen zu können. Denn grob geschätzt erzeugt er den Strom mit dem Windrad heute für ca. 21 ct/kWh – die Einspeisung ist also höchst unwirtschaftlich. Dabei rechnet er so: Die Anlage hat 78 000 € gekostet. Auf 15 Jahre Abschreibungszeit verteilt machen diese Kosten (ohne Zinsansatz) 5 200 € pro Jahr aus. Die Wartung, die im Jahr 350 € kosten würde, macht er selbst. Geteilt durch eine Stromproduktion von 24 500 kWh pro Jahr ergibt sich bei dieser groben Überschlagsrechnung ein Kilowattstundenpreis von 21 ct. Da Alberts Strom bereits für 23 ct/kWh zukauft, ist der Eigenverbrauch für ihn also wirtschaftlich. Im Jahr spart er knapp 5 600 € an Stromkosten ein. Nach spätestens 15 Jahren soll sich das Windrad amortisiert haben.


Möglichkeiten für einen noch höheren Eigenverbrauchsanteil wären z. B. die Umwandlung in Wärme oder die Speicherung in Batterien. Beides ist seinen Recherchen nach aber noch unwirtschaftlich. „Auch wenn die Einspeisevergütung von 9 ct/kWh nicht wirtschaftlich ist, kassiere ich erstmal noch die Vergütung für den Überschussstrom, bis sich andere Möglichkeiten bieten“, nennt er seine Strategie.


Erfahrungen aus Bayern:

Ähnliche Erfahrungen wie Alberts haben auch Berufskollegen im Süden gemacht. Das Beratungsnetzwerk C.A.R.M.E.N. aus Straubing hatte im vergangenen Jahr 25 bayerische Landwirte nach ihren Erfahrungen mit Kleinwindrädern mit einer Leistung bis 100 kW befragt. 60 % nutzen den Strom für den Eigen­verbrauch und speisen Überschüsse ins Netz ein. Die laufenden Kosten gaben 60 % der Betreiber mit bis zu 250 €/Jahr an, weitere 22 % nannten 250 bis 500 € als jährliche Betriebskosten. Unterm Strich waren zwei Drittel der Befragten mit Technik und Service des Herstellers zufrieden bis sehr zufrieden. Dagegen bewertete nur ein Sechstel der Landwirte die Anlagenwirtschaftlichkeit als positiv.


Das könnte dem Windertrag im Süden geschuldet sein. Denn im Gegensatz zu Landwirt Alberts im Norden mit deutlich über 5 m/s gaben die süddeutschen Kollegen die Windgeschwindigkeiten mit nur 2,2 bis 4 m/s an.


Für einen wirtschaftlichen Betrieb sollten jedoch mindestens 5 m/s erreicht werden. Das zeigt eine Berechnung von C.A.R.M.E.N. zur Amortisation eines Kleinwindrades mit 10 kW Leistung (Übersicht). Die Berater sind hier von Investitionskosten von 70 000 € ausgegangen. Die Jahresdurchschnittsgeschwindigkeit ist hier mit 5 m/s angenommen. Das entspricht der Windzone 1, die in großen Teilen Mittel- und Süddeutschlands vorherrscht.


Nach 15 Jahren amortisiert:

Die Berechnung zeigt die Abhängigkeit der Amortisationszeit vom Eigenverbrauchsanteil. Die rote Kurve gibt die Anschaffungskosten sowie die Betriebskosten im Laufe von 20 Jahren wieder. Würde der Betrieb den Strom bei einer Einspeisevergütung von 8,66 ct/kWh (Vergütungshöhe laut EEG im Jahr 2014) vollständig ins Netz einspeisen (0 % Eigenverbrauch), käme es nie zum Schnittpunkt mit der Kostenkurve, nach 20 Jahren gäbe es zwischen Einnahmen und Ausgaben eine Differenz von über 50 000 €.


Anders sieht es aus, wenn der Betrieb die Hälfte des Stroms selbst verbraucht. Hier sind die Berater von kalkulatorischen Einnahmen von 27 ct/kWh ausgegangen, die der Betrieb bei Nutzung des Windstroms nicht kaufen muss. Der durchschnittliche Strombezugs-preis aller Verbraucher lag laut Bundesverband der Energie- und Wasser-wirtschaft (BDEW) im Jahr 2013 bei 28,73 ct/kWh.


Ergebnis: Das Kleinwindrad hätte sich nach etwa 15 Jahren amortisiert. Bei 90 % Eigenverbrauch liegt die Amortisationszeit bei zehn Jahren, bei 100 % Eigenverbrauch wäre die Anlage nach 8,5 Jahren bezahlt. Zur Lebensdauer eines Kleinwindrades gibt es noch keine Langzeiterfahrungen.


Liegt die Windgeschwindigkeit dagegen bei nur 4 m/s, würde sich das gleiche Windrad nur bei 100 % Eigenverbrauch nach 20 Jahren amortisieren. Das zeigt den hohen Einfluss der Windgeschwindigkeit auf die Wirtschaftlichkeit der Anlagen.


Nicht zu große Anlage:

Die Crux für den Landwirt: Eine Anlage mit höherer Leistung hat in der Regel günstigere Investitionskosten je Kilowatt. Allerdings darf die Leistung nicht zu hoch sein, damit ein möglichst hoher Eigenverbrauchsanteil möglich wird. Beispiel Landwirt Alberts: Selbst bei einem kleinen Windrad mit 10 kW Leistung kann er „nur“ 83 % des Stroms selbst nutzen.


Die Investitionskosten liegen nach Recherchen von C.A.R.M.E.N. zwischen 3 000 bis 9 000 €/kW. Allerdings sind diese Angaben nach Ansicht der Berater wenig aussagekräftig, da entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Jahresertrag und nicht die installierte Leistung der Anlagen ist. Und der kann je nach Windverhältnissen und Anlagentechnik stark schwanken. Der Bundesverband Kleinwindanlagen gibt Werte von 800 bis 2 500 kWh je kW Nennleistung an.


Der Bundesverband Windenergie (BWE) hat Stromgestehungskosten von Kleinwindkraftanlagen bis 30 kW von 15 bis 30 ct/kWh ermittelt. Kleinwindstrom ist damit deutlich teurer als der von großen Windrädern (ca. 8 ct/kWh), aber auch von Photovoltaikanlagen (ca. 13 ct/kWh).


Der Bundesverband Kleinwindkraft geht jedoch davon aus, dass die Investitionskosten für Kleinwindräder in den nächsten Jahren deutlich sinken werden. Allein in Großbritannien könnten bis zum Jahr 2020 ganze 1,2 Mio. Anlagen in Betrieb gehen.


Wichtig für die Wirtschaftlichkeit ist aber auch, dass die Technik über 15 bis 20 Jahre funktioniert. Das ist bei den heutigen Anlagen nicht immer selbstverständlich. „Wir hatten schon mehrere Totalverluste in den windreichen Wintermonaten“, berichtet Kurt Leeb vom Beratungsunternehmen Solvento aus Loretto (Österreich). Leeb betreut in Lichtenegg (Niederösterreich) Europas größten Kleinwindforschungspark (siehe Kasten), bei dem Anlagen von 1,5 bis 10 kW Leistung mindestens ein Jahr lang in der Praxis getestet werden.


Hoher Mast wichtig:

Neben der Windgeschwindigkeit ist auch die Masthöhe für den Windertrag ausschlaggebend. Ein Windrad kann bei gleicher Windgeschwindigkeit auf einem 19 m hohen Mast bis zu 30 % mehr Strom liefern als auf einem 12 m hohen Mast. Grund sind die Turbulenzen, die bei niedriger Nabenhöhe wesentlich stärker sind. Aus diesem Grund sind auch einige Standorte für die Kleinwindkraft einfach nicht geeignet. „Ich gehe davon aus, dass rund die Hälfte der möglichen Standorte beispielsweise wegen Bäumen oder Nachbarhäusern ausscheidet, ein Kleinwindkraftrad rechnet sich dort nicht“, hat er festgestellt. Denn Leeb hat in Deutschland und Österreich bereits mehrere Voruntersuchungen auf landwirtschaftlichen Betrieben gemacht, ob sich ein Standort und damit eine teure Windmessung überhaupt lohnen.


Für Landwirt Alberts hat sich die Investition nach vier Jahren gelohnt. Allerdings weht der Wind, wie er will. „Die Stromerzeugung ist daher nicht planbar“, musste er feststellen. Anders wäre das mit einer Batterie, die überschüssigen Strom kurzzeitig speichern könnte. Der ständige Preisverfall bei Batteriespeichern lässt Alberts hoffen, dass die Technik in wenigen Jahren bezahlbar wird.


Würde er noch einmal bauen, würde er parallel zum Kleinwindrad eine Photovoltaikanlage errichten. Beide Technologien zusammen könnten zu günstigen Preisen einen Großteil seines Strombedarfs decken, ist er überzeugt.

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