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Klimawandel: Sind Unkräuter die Gewinner?

Lesezeit: 7 Minuten

Auch die Hauptkonkurrenten unserer Ackerkulturen passen sich dem Klimawandel an. ­Welche Änderungen bei der Unkrautkontrolle auf Sie zukommen, erklärt Klaus Gehring, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Freising-Weihenstephan.


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Anfangs diskutierten Experten die Auswirkungen des Klimawandels im Ackerbau eher positiv. Denn die Aussicht auf neue Kulturen wie Wintererbsen, Winterdurum, Sorghum-Hirsen und Sojabohnen schien durchaus verlockend.


Nach der Partylaune kam aber schnell die Ernüchterung. Zunehmende Wetterextreme, trocken-heiße Sommer und eine Verschiebung der Jahresniederschläge in das Winterhalbjahr werden die Ackerbauern vor neue Herausforderungen stellen, wollen sie das Ertragspotenzial der Ackerkulturen auch unter einem „extremeren“ Klima sichern.


Unkräuter als Hauptkonkurrenten unserer Kulturpflanzen haben Fachleute bisher bei der Entwicklung von Anpassungsstrategien an den Klimawandel kaum berücksichtigt. Im internationalen Vergleich sieht das anders aus. Nordamerika und Australien, deren bedeutende Anbauregionen in kritischen Klimazonen liegen, verfügen bereits über Prognosemodelle zur Wechselwirkung von Klimaveränderungen und Unkrautflora. Ihr Ziel: Die Anbauverfahren frühzeitig an Veränderungen im Unkrautspektrum anzupassen.


Anpassungs-Künstler:

Die Art und Weise, wie Unkräuter auf einer Ackerfläche auftreten, hängt von mehreren Faktoren ab. Voraussetzung ist zunächst die Bewirtschaftung. Die unterschiedlichsten Formen der Anbautechnik, von konventionell bis ökologisch oder von Pflugeinsatz bis zur Direktsaat, beeinflussen daher stark die Zusammensetzung der Unkrautflora. Die jeweilige Fruchtfolge und die Standortfaktoren Boden, Wasserhaushalt und Temperatur sind weitere wichtige Faktoren für die Art der Unkrautflora. Das Klima wirkt am stärksten, da es alle Bereiche des Ackerbaus direkt oder indirekt beeinflusst.


Wesentliche Klimaveränderungen mit trocken-heißen Sommermonaten und Verlagerung der Hauptniederschläge in die wärmere Winterperiode werden deutliche Anpassungen im Ackerbau erzwingen. Sie werden die Zusammensetzung der Unkrautflora erheblich verändern.


Im Gegensatz zu den wenig flexiblen Klimaansprüchen einzelner Feldfrüchte wird die Unkrautflora absolut dynamisch reagieren. Denn Unkräuter sind äußerst anpassungsfähig an die Umwelt, sowohl in ihrem Erscheinungsbild (Phänotyp) als auch von ihrer genetischen Ausstattung (Genotyp) her. Falls sich eine Art dennoch nicht ausreichend an die Veränderungen anpassen kann, wird sie unweigerlich durch stressunempfindlichere Arten ersetzt.


Werden wir künfig durch die „automatische“ Reaktion der verschiedenen Unkraut-Populationen mit mehr oder weniger Unkräutern zu tun haben? Welche Unkrautarten werden die Gewinner des Klimawandels sein? Die vor unseren ­Augen ablaufenden Veränderungen der Unkrautpopulationen auf klimabedingte Prozesse sehen wir nicht bewusst, da sie schleichend ablaufen und zu komlex sind. Deshalb nehmen wir die Einflussfaktoren einzeln unter die Lupe.


Welche Arten setzen sich durch?


Temperatur, Niederschlag, Strahlungsintensität, CO2-Konzentration und Ozon-Gehalt der Atmosphäre beeinflussen direkt die Unkrautflora. Indirekt wirken auch eine verlängerte Vegetationsperiode und stärkere Witterungsschwankungen bzw. -extreme. Es ist zu erwarten, dass der Klimawandel wärmeliebendere, trockenstress-tolerante Arten begünstigen wird.


Unkräuter vom C4-Typ werden von höheren Temperatur- und Strahlungsbedingungen profitieren. Einzelne Arten werden mit phänologischen Anpassungen (Keimung, Vegetations- und Reifeperiode) reagieren. Sie werden mehr Masse und Samen produzieren. Hierdurch werden sich die Konkurrenzbeziehungen zwischen Kultur und Unkraut sowie innerhalb der Unkrautpopulation verschieben. Unkräuter, die wir bisher nur als unbedeutende Nebenverunkrautung wahrgenommen haben, werden zu neuen Leitunkräutern werden. Neue Unkrautarten bzw. invasive Neophyten („Einwanderer“) werden an Bedeutung gewinnen.


Unter den besonders wärmeliebenden, trockenstress-toleranten Unkrautarten sind bereits viele wichtige Leitunkräuter (siehe Übersicht 1). Vor allem in Winterungen werden sich aufgrund der milderen Winterwitterung Arten wie z. B. Hirtentäschel, Hellerkraut, Kamillen, Klatschmohn und Kornblume stärker entwickeln und gegenüber der Feldkultur konkurrenzkräftiger sein.


Speerspitze Storchschnabel:

In Sommerungen ist zu erwarten, dass sich bekannte Leitunkräuter wie Bingelkraut, Amarant-, Gänsefuß- und Melde-Arten stärker ausbreiten werden. Relativ „neue“ Leitunkräuter, wie der Acker-Krummhals, die Ochsenzunge, Rauke- und Storchschnabel-Arten, starten bereits durch. Die Erwärmung wird dazu führen, dass sie sich weiter ausbreiten und ihre Befallsdichten steigen. An den Storchschnabel-Arten wird deutlich, wie sich Unkräuter kurzfristig von unbedeutenden Nebenunkräutern zu wichtigen Leit- und Problem-unkräutern entwickeln können.


Ein wärmeres Klima wird vor allem auch Ungräser begünstigen. Wir werden es im Maisanbau mit einem zunehmenden Besatz verschiedener Hirse-Arten zu tun haben. Im pfluglosen Getreide-bau werden sich Trespen verstärkt ausbreiten. Selbst im Grünland wird der Druck von Rispen und Sauergräsern zunehmen.


„CO2-Düngeeffekt“:

Ein wissenschaftlich bereits näher untersuchter Klimafaktor ist der „CO2-Düngeeffekt“. Die einzelnen Unkrautarten reagieren offensichtlich unterschiedlich auf eine erhöhte CO2-Konzentration. Neben der Wirkung des CO2-Effektes auf die unterschiedliche Biomassebildung von Unkräutern (s. Übersicht 2) zeigen weitere Untersuchungen, dass speziell Wurzelunkräuter, wie z. B. Ampfer. Disteln, Quecke, Winden, Schachtelhalm oder auch der Land-Wasser-Knöterich, mit einer verstärkten Entwicklung auf höhere CO2-Konzentrationen reagieren. Schwer bekämpfbare Wurzelunkräuter werden im Ackerbau an Bedeutung gewinnen.


Anbautechnik prägt Unkrautflora


Der vermehrte Anbau von Winterungen, aber auch einzelner Arten, wie z. B. Mais, der Anbau neuer Arten, wie z. B. Hirsen und vermehrte reduzierte Bodenbearbeitung beeinflussen die Zusammensetzung der Unkrautflora deutlich. Die Unkrautpopulationen reagieren wie folgt:


  • Ausbreitung von Herbstkeimern (z. B. Windhalm),
  • Selektion spezifischer Unkräuter in monotonen Fruchtfolgen (z. B. Hirsen in Mais, Ackerfuchsschwanz in Wintergetreide) und
  • Vorteile für Samenungräser (Weidelgräser, Trespen, Rispen) und Wurzelunkräuter.


Herbizidwirkung lässt nach


Damit Herbizide sicher wirken, müssen die Anwendungsbedingungen günstig sein und ihren jeweiligen Ansprüchen genügen. Was ist künftig zu erwarten? Für Herbstbehandlungen kann bei einer milderen, niederschlagsreicheren Witterung mit günstigeren Anwendungsbedingungen für die Bodenherbizide gerechnet werden. Allerdings können Witterungsextreme mit Starkniederschlagsperioden die Anwendungsmöglichkeiten auch beeinträchtigen.


Problematischere Bedingungen sind für die Frühjahrsbehandlungen zu erwarten. Hier werden schwer bekämpfbare Unkräuter in höheren Besatzdichten und ungünstigere Anwendungsbedingungen für blattaktive Herbizide häufiger zusammentreffen. In Perioden mit einer stärkeren Frühjahrstrockenheit werden verstärkte Wachsschichten der Unkräuter, niedrigere Luftfeuchtigkeit, geringe Bodenfeuchte und verminderte Stoffwechselaktivität der Unkräuter die Wirkstoffaufnahme beeinträchtigen.


Neben unvollständigen Bekämpfungsleistungen ist auch mit der indirekten Selektion herbizidresistenter Biotypen zu rechnen. Ein Beispiel hierfür sind die Bekämpfungsprobleme von Sulfonylharnstoff-Herbiziden gegen weit entwickelten Ackerfuchsschwanz oder Windhalm bei sehr trockenen Witterungsperioden im Frühjahr. So hat die Frühjahrstrockenheit in 2011 gezeigt, wie schnell Rübenherbizide an ihre Wirkungsgrenze stoßen und „Gänsefuß-Wälder“ entstehen.


Invasion neuer Arten


Der Temperaturanstieg wird aus wärmeren Herkunftsgebieten eingeschleppte neue Unkrautarten begünstigen. Um zu sehen, welche „Einwanderer“ bei uns zu Pro-blemunkräutern werden, müssen wir uns anschauen, welche Arten bereits in südöstlichen Nachbarländern eine wichtige Rolle im Ackerbau spielen.


Auf eine Einschleppung müssen wir nicht mehr warten. Die neuen Arten sind schon längst als kleine Einzelbestände bei uns und warten nur auf günstigere Umweltbedingungen für eine flächenhafte Ausbreitung. Kritisch ist, dass sich diese potenziellen neuen Problemunkräuter generell schwer chemisch regulieren lassen.


Ein Beispiel hierfür ist die Ambrosia, die nicht nur eine erhebliche Gefahr für den Anbau von offenen Sommerkulturen (Mais, Rüben, Kartoffeln, Sonnenblumen, Feldgemüse usw.) ist. Wegen ihrer Allergie auslösenden Wirkung ist sie auch eine ernsthafte Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung. In der Niederlausitz/Brandenburg ist deutlich erkennbar, wie Ambrosia als einzelne Art eine ganze Produktionsrichtung wie den Öko-Landbau in Frage stellt.


Neue Problemunkräuter:

Nachhaltig veränderte Klima- und Umweltbedingungen führen unweigerlich zu Anpassungsprozessen in den Unkrautpopulationen. Hierdurch können sich einzelne Arten zunehmend besser entwickeln und damit von ehemaligen Nebenunkräutern zu neuen Problemunkräutern werden. Ampfer, Kreuzkraut- und Storchschnabel-Arten befinden sich derzeit bereits in einem solchen Ausbreitungsprozess.

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