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Mehr Sicherheit im Dauerwald

Lesezeit: 7 Minuten

Der Förster der Stadt Bad Windsheim hat Konsequenzen aus den häufigen Kalamitäten gezogen: Mit neuen Konzepten nach altem Vorbild will Sven Finnberg stabile Bestände schaffen.


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Eigentlich mache ich heute nicht viel anderes als einer meiner Vorgänger Ende des 19. Jahrhunderts.“ So fasst Sven Finnberg die Ideen seines Waldbaukonzepts zusammen. Wir besuchen den Förster der mittelfränkischen Stadt Bad Windsheim im Schussbachwald, einem Teil seines 1 500 ha großen Reviers. Zusammen mit Maximilian Hetzer, einem jungen Förster aus dem Ort, der in dem Revier quasi groß geworden ist, zeigt uns Finnberg die Ergebnisse der neuen – traditionellen – Ideen.


Wie viele Förster in der Region war Sven Finnberg über Jahre gezwungen, auf aktuelle Kalamitäten zu reagieren. Einer der Gründe war der Siegeszug der Fichten Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch im Stadtwald von Bad Windsheim verabschiedete man sich damals von den bewährten Prinzipien der klassischen Forstwirtschaft und konzentrierte sich auf die ertragreichen, modernen Nadelwälder.


Schwere Sturmschäden:

Zwar hat es im Forst immer Kalamitäten gegeben, doch die aktuellen Probleme begannen 1990 mit dem verheerenden Sturm Wiebke, fünf Jahre bevor Finnberg 1995 das Revier in Bad Windsheim übernahm: „Der Sturm riss die ersten großen Löcher in die Fichtenaltbestände. Hohe Stammzahlen und große Vorräte waren damals die Strategie.“ Bei jedem weiteren Sturm wurden die Löcher größer. Am Saum entstanden Schäden durch Sonnenbrände, und auch der Borkenkäfer freute sich über mehr Wärme. Direkt zu seinem Einstand 1995 musste sich Finnberg mit den Folgen eines Gewittersturms auseinandersetzen und 8 000 fm vermarkten. Das war für ihn der Auftakt: „In den Folgejahren haben wir eigentlich immer nur aufgeräumt.“ Zufälliger Einschlag (ZE) durch Wind oder Käfer war die Regel. Erst seit 2011 kann Förster Finnberg normale Hiebe ausführen.


Ein wichtiger Auslöser ist seiner Ansicht nach der Klimawandel. Seit 1990 ist die Jahresdurchschnitts-Temperatur in der Region um 1 °C angestiegen. Deshalb beschäftigt sich Sven Finnberg intensiv damit, waldbauliche Antworten auf diese neuen Herausforderungen zu finden.


Ein ganz zentraler Punkt ist der schrittweise Umbau der Bestände. Zunächst hat sich der Förster um die Fein-erschließung gekümmert. Die anschließenden Hiebsmaßnahmen führt er mit Fingerspitzengefühl durch, vor allem in Fichtenaltbeständen. Er richtet sich dabei nach dem Femelprinzip: In unregelmäßigen Abständen werden auf kleinen Parzellen die ersten Bäume entnommen und Licht in den Bestand gebracht. Hier setzen die Bad Windsheimer dann auf den Voranbau, vor allem mit den Schattbaumarten Buche und Tanne. Bei stärkerem Lichteinfall werden auch Douglasien gepflanzt.


Gezielte Eingriffe.

Nach und nach werden rund um die ersten Parzellen herum weitere Altbäume entfernt (Rändelungshieb) und der Voranbau weiter vorangetrieben. Das stellt höhere Anforderungen an den Einschlag, den hier übrigens eigene Mitarbeiter erledigen (der Stadtwald beschäftigt einen Forstwirtschaftsmeister, zwei Forstwirte und einen Azubi). Beim Hieb kommt es darauf an, den Bestand so weit wie möglich zu schonen. Deshalb kommt kein Harvester zum Einsatz. Denn der fällt die Bäume mit dem Wipfel von der Gasse weg. In Bad Windsheim ist die bevorzugte Fällrichtung hin zur Gasse, sodass der Wipfel möglichst hier landet. Die Stämme werden dann vorsichtig per Seil bzw. Kranschlepper gerückt. Nach dem Zopfen (ca. 11 cm) vermarktet Sven Finnberg das Wipfelholz übrigens recht erfolgreich an Brennholz-Selbstwerber.


Ziel seiner Femelstrategie ist ein stabiler, sich stetig verjüngender Dauerwald. Hier sind unterschiedliche Baum-arten und Altersstufen kleinflächig vermischt. Die beiden Förster zeigen uns Bestände, in denen das Konzept gut sichtbar wird. Neben den gepflanzten Arten des Voranbaus haben sich weitere Baumarten in Naturverjüngung angesiedelt: Fichte, Lärche, Kiefer, Esche und weitere. Finnberg und Hetzer schätzen, dass auf diesen Flächen mittlerweile 10 bis 15 unterschiedliche Baumarten wachsen. Grundsätzlich ist jede willkommen. Wann immer möglich, bleibt auch die früher so oft geschmähte Birke stehen. Auf Kahlflächen nach Käfer oder Sturm bringt sie nützlichen Schatten. Später lässt sie sich gut als Brennholz vermarkten. Und Sven Finnberg hat bereits bei vielen Birken eine Wertastung durchgeführt – das helle Holz ist vor allem im Saunabau gefragt.


Finnberg sieht in der bunten Mischung die passende Antwort auf die häufigeren Kalamitäten: „Wir streuen damit das Risiko. Wenn eine Baumart ausfällt, haben wir immer noch reichlich Alternativen. Außerdem ist durch die Mischung der Bestände der Befallsdruck, z.B. durch Insekten, geringer als in artenreinen Beständen.“ Natürlich sind einheitliche Fichten einfacher zu vermarkten. Aber wie viele Fichtenbestände erreichen heute wirklich noch ihre Hiebsreife? Für Sven Finnberg kommt es nicht auf den maximalen Umsatz einer einzelnen Fläche an. Er findet den stabilen Ertrag des Gesamtbetriebes über die Jahre wichtiger.


Mittlerweile wurden im Wald der Stadt Bad Windsheim rund 320 ha nach diesem Konzept vorausverjüngt. Im Dauerwald gibt es auch Platz für Baumriesen. Buchen über 80 cm BHD und Eichen mit mehr als 1 m Durchmesser werden hier nicht mehr gefällt.


Zwar setzt der Förster auf die Kräfte der Natur, aber ohne forstliches Geschick geht es nicht. Großen Wert legt das Revier auf die passenden Pflanzen. Nach den großen Stürmen – vor allem Wiebke – war zu viel minderwertiges Pflanzgut auf den Markt gekommen, die Folgen sieht man heute überall. Auch im Bad Windsheimer Stadtwald.


Wie in anderen Wäldern gibt es auch in den Beständen von Bad Windsheim Versuchsflächen mit unterschiedlichen Herkünften. Die Flächen werden vom Bayerischen Amt für forstliche Saat- und Pflanzenzucht, Treisendorf, betreut. Zurzeit wachsen hier Tannen-herkünfte aus der Schweiz, dem Bayerischen Wald, Bulgarien und aus Mittelfranken (Forchheim und Steigerwald). Dabei geht es vor allem um die Längentriebe. Das gleiche wurde bereits auch mit Wald- und Schwarzkiefer (sowie Weißtanne) gemacht. Für Sven Finnberg sind die Versuchsflächen eine wichtige Informationsquelle.


Eigene Wildlinge:

Wann immer möglich, verwenden die Bad Windsheimer eigene Wildlinge. Buchenpflanzen gewinnen die Forstprofis mittlerweile komplett aus eigenen Beständen. Dabei profitiert Finnberg von der guten Arbeit seines Vorgängers Ende des 19. Jahrhunderts. Und natürlich fördern sie so intensiv wie möglich die Naturverjüngung.


Das geht natürlich nur durch eine intensive Bejagung des Rehwilds. Im Schussbachwald kümmern sich die Förster Finnberg und Hetzer selbst um den Wildbestand. Die fünf weiteren Reviere werden verpachtet. Bei der Verpachtung der Jagdreviere orientieren sich Förster und Stadt am Rosenheimer Modell. Der Kern der Idee ist mit dem Satz „Wald vor Wild“ auf den Punkt gebracht. Im Revier muss eine Naturverjüngung ohne Zaun möglich sein – der Zaun wird als waldbauliche Sackgasse angesehen. Die Baumarten, die vor allem verjüngt werden sollen, werden im Pachtvertrag festgehalten. Für Schäden haftet der Pächter. Einen zusätzlichen Anreiz schafft dabei das Prinzip: „Pacht billig – Wildschaden teuer.“


Die Auswirkungen des Wildbestands werden durch das Vegetations- bzw. Verbissgutachten beurteilt. Alle drei Jahre prüft das staatliche Forstamt in Bayern stichpunktartig Verbiss, Fegeschäden und Naturverjüngung und spricht eine Empfehlung für die Bejagung aus.


Ganz einfach ist die Rehwildjagd in den Bad Windsheimer Wäldern mittlerweile nicht mehr. Denn durch den Voranbau bzw. das Dauerwaldprinzip sind die Bestände ab Anfang/Mitte Mai so dicht, dass eine klassische Ansitz-jagd kaum noch möglich ist. Das Rehwild kann hier meist nur noch mit recht aufwendigen Drückjagden zur Strecke gebracht werden. Sven Finnberg würde sich eine Vorverlegung des Jagdtermins auf den ersten April wünschen – ist aber in diesem Punkt weniger optimistisch.


Finnberg ist mit Leib und Seele Förster, das sei der schönste Job der Welt, sagt er aus tiefer Überzeugung bei unserer Rundfahrt durch sein Revier. Das hat sein Vorgänger Ende des 19. Jahrhunderts vor dem Einzug der gleichförmigen Fichtenbestände vermutlich genauso gesagt und würde sich heute wahrscheinlich über die Rückkehr zu seinen Tugenden freuen.


Guido Höner

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