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Mit klugen Konzepten ausgleichen!

Lesezeit: 5 Minuten

Es gibt deutlich effizientere Lösungen für den ökologischen Ausgleich als das Aufforsten 100er-Böden. Bei manchen Modellen können Landwirte sogar profitieren.


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Der Flächenverbrauch für Straßenbau und Siedlungsflächen ist schon ärgerlich genug. Wenn sich das ganze dann auch noch durch die Ausgleichsverpflichtung verdoppelt, platzt so manchem Landwirt endgültig der Kragen. Das Paradebeispiel: Allerbeste Bördeböden werden aufgeforstet oder zu Streuobstwiesen gemacht. Als Acker sind solche Standorte dann für alle Zeiten verloren.


Das Kreuz mit dem Ausgleich:

Aus Sicht des Naturschutzes bedeutet die Flächenversiegelung durch eine Baumaßnahme immer auch einen Verlust von Lebensräumen und Artenvielfalt. Deshalb muss der Verursacher, also der Bauherr eines Bauvorhabens, für Kompensation sorgen. Das ist gesellschaftlicher Konsens und auch folgerichtig. Strittig ist aber das „Wie“.


Es müssen Konzepte entwickelt werden, die Nutzung und Ausgleich miteinander verzahnen. Davon sind wir zurzeit noch ein gutes Stück entfernt. Die Bauherren wissen in der Regel wenig über die verschiedenen Möglichkeiten des Ausgleichs. Und oft setzen die Bundesländer auch noch Anreize, die in die verkehrte Richtung gehen. Muss es dann mit dem Millionenprojekt auch noch schnell gehen, werden schon mal Flächen auf Halde eingekauft und nach Schema F aufgeforstet.


„Wir müssen die Ausgleichsregelungen deutlich effizienter gestalten“, fordert Karl-Heinz Götz, Geschäftsführer vom Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) und verweist auf alarmierende Zahlen: Insbesondere bei größeren Infrastrukturprojekten seien nur ein Drittel der Ausgleichsmaßnahmen gut, ein Drittel mäßig und ein Drittel „äußerst mangelhaft“ umgesetzt, erklärt er und spricht von „Pflegeruinen“ und „Schrotschussnaturschutz“.


Thomas Muchow, Geschäftsführer der Stiftung Rheinische Kulturlandschaft, will die Ausgleichsmaßnahmen deshalb verdichten und die vorhandenen Instrumente des Bundesnaturschutzgesetzes konsequenter anwenden. Seine Stiftung vermittelt zwischen Bauträgern und Landwirten und versucht dabei Möglichkeiten des Ausgleichs zu finden, die agrarstrukturellen Erwägungen Rechnung tragen und einzelbetriebliche Härtefälle vermeiden. So kann vermieden werden, dass ein einzelner Landwirt einen Großteil seiner Flächen einbüßt, nur weil er in einem Ballungsgebiet mit großem Flächenhunger lebt. Dabei greift die Stiftung bereits bei der Auswahl der Ausgleichsflächen ein. „Bei manchen Planungen hat man das Gefühl, es handle sich um gewollte Struktursabotage“, erklärt Muchow, „das versuchen wir besser zu machen.“


Ökokonten und Flächenpools:

Ähnlich arbeitet die Landgesellschaft in Sachsen-Anhalt. Um bereits im Vorfeld auf Eingriffe vorbereitet zu sein, stellt sie, wie die anderen deutschen Landgesellschaften, Kompensationspools mit sogenannten „Ökokonten“ und „Flächenpools“ bereit, die von Investoren erworben werden können. „Der Grundgedanke ist, optimal auf einen Ausgleich vorbereitet zu sein und nicht im nachhinein nur als Schadensbegrenzer zu agieren“, erklärt Ines Pozimski, Projektleiterin bei der Landgesellschaft in Magdeburg.


Ein Werkzeug in der täglichen Arbeit sind dabei Ökopunkte. Je nach ökologischer Qualität einer Maßnahme gibt es eine Entlohnung in Ökopunkten, eine Art handelbarer Währung, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich bewertet wird. Der Grundgedanke ist immer gleich: Je höher der Nutzen für die Natur, desto mehr Punkte auf dem jeweiligen Ökokonto. Je hochwertiger die Maßnahme (z.B. durch Ansiedlung seltener Arten), desto weniger Fläche wird in Anspruch genommen. Beobachter sprechen diesbezüglich von einer „ökologischen Verzinsung“.


Die Ausgleichsmaßnahmen müssen dabei in einem gewissen Radius rund um den eigentlichen Eingriff (dem Bauprojekt) stattfinden. Hierbei lässt das Bundesnaturschutzgesetz Spielräume die Maßnahmen regional auszuloten.


Blühstreifen statt Aufforstung:

Ein guter Ansatz, insbesondere dann, wenn Planer und Landwirte auf „produktionsintegrierte Maßnahmen“ setzen. Bei diesen Lösungen bleiben die Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung unter Auflagen erhalten, indem nach dem Motto „Naturschutz durch Nutzung“, z.B.:


  • Blühstreifen angelegt werden;
  • Eine bestimmte Fruchtfolge umgesetzt wird oder
  • Die Flächen extensiver bewirtschaftet werden.


Das bleibt für die betroffenen Landwirte ein Kompromiss, sorgt aber insbesondere bei fairen Entlohnungsmodellen für die notwendige Akzeptanz und gibt Planungssicherheit (Reportagen auf der nächsten Seite).


Kaum Anreize für Entsieglung:

Trotzdem gehen diese Maßnahmen noch immer in der breiten Masse des Ausgleichs unter. Das liegt an der Gewichtung der Ökopunkte. Es lohnt sich für die Planer häufig nicht auf flächensparende Ausgleichslösungen zu setzen, weil sich dies nicht in entsprechenden Ökopunkten auszahlt. Hier gehören die regional höchst unterschiedlichen Bewertungssysteme auf den Prüfstand, mit dem Ziel, diese zu vereinheitlichen und Impulse zum Flächensparen zu geben.


Das gilt insbesondere für die Entsieglung. Denn obwohl naheliegend, gibt es noch immer kaum Beispiele in Deutschland für Ausgleichsmaßnahmen in Form einer Renaturierung alter Wirtschaftsflächen. Hier fürchten Bauherren und Planer hohe Kosten, lange Projektzeiten und unkalkulierbare Altlasten.


Solange Bund und Länder für diesen Aufwand nur geringfügig mehr Ökopunkte vergeben, wie für die Anlage einer Streuobstwiese, verwundert es kaum, wenn am Ende alle Flächensparziele verfehlt werden.


Henrike Müller,


Matthias Schulze Steinmann

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