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Netto-Energie: Besser fürs Schwein?

Lesezeit: 5 Minuten

Die Energie von Schweine­futter wird bislang als Umsetzbare Energie (ME) deklariert. Unerwartet haben Agravis und deuka jetzt auf Nettoenergie (NE) umgestellt. Zum Wohle der Schweine?


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Als Nettoenergie bezeichnet man bei der Futterbewertung die Energie, die dem Schwein tatsächlich für Erhaltung und Leistung zur Verfügung steht. Im Vergleich zur Umsetzbaren Energie berücksichtigt die Netto­energie folglich nicht nur die Energieverluste durch Kot und Harn, sondern auch die Verluste der Körperwärme. Diese Wärme entsteht bei Stoffwechselprozessen.


Während in Deutschland seit knapp 30 Jahren die Umsetzbare Energie gilt, berechnen die meisten europäischen Länder seit vielen Jahren die Energie im Schweinefutter mithilfe der Nettoenergie. Der Blick nach Frankreich oder in die Niederlande bestätigt, dass dieses Nettoenergie-­System in der Praxis bewährt und erprobt ist.


Die in diesen Ländern ermittelten Daten zu Bedarfsempfehlungen sind meiner Ansicht nach auch auf Deutschland übertragbar – zumal viele Zuchtunternehmen ohnehin international mit ihrer Genetik vertreten sind.


Die Futterbewertung nach Netto­energie bietet zahlreiche Vorteile:


  • Gerade bei einer stark Protein-, also Stickstoff (N)-reduzierten Fütterung ist die Nettoenergie der bessere Maßstab. Denn wenn der Rohprotein-­Gehalt im Futter reduziert wird, muss das Schwein weniger ungenutztes Rohprotein in Form von Stickstoff über den Harn ausscheiden. Dadurch spart es Energie ein.


Deshalb muss der Energiegehalt bei Protein-reduzierter Fütterung besonders beachtet werden, damit das Schwein nicht verfettet. Diese stärkere Berücksichtigung des Energiegehalts gelingt meines Wissens und meiner Erfahrung nach besser mit der Netto­energiebewertung.


Dabei ist zu beachten, dass wachsende Schweine, also Ferkel und Mastschweine, die Futterenergie etwas schlechter verwerten als Sauen. Genau deshalb wird bereits auf Ebene der Futterkomponenten zwischen Nettoenergie-Sau und Nettoenergie-Mast unterschieden.


  • Zudem helfen Protein-reduzierte Rationen den Schweinehaltern, die Stickstoffausscheidungen der Tiere zu senken und damit die Nährstoff­bilanzen zu entlasten.
  • Darüber hinaus lässt sich mithilfe der Nettoenergiebewertung die Darmgesundheit verbessern und damit das Tierwohl steigern. Wie? Die Umsetz­bare Energie nach Mischfutterschätzformel unterschätzt die Energie, die roh­faser­reiche Komponenten liefern, wie zum Beispiel Sojaschalen und Trockenschnitzel. Das macht die Nettoenergiebewertung besser, sodass die Futterrationen mehr Roh­faser enthalten können.


Die sichtbaren Vorteile sind ruhigere Tiere in der Mast, satte und zufriedene tragende Sauen und zügigere Geburten. Zwar unsichtbar aber noch wichtiger ist die Wirkung der Faser auf die Darm­flora und somit die Darmgesundheit.


Doch nicht nur das Tierwohl spricht für das Bewertungssystem, sondern auch ökonomische Gründe in Form tendenziell geringerer Futterkosten, weil weniger eiweißreiche Komponenten im Futter gebraucht werden. Alles in allem bringt die Futterbewertung nach Netto­energie also viele Vorzüge mit sich, auf die die hiesigen Schweinehalter nicht länger verzichten sollten.


Alexandra Grimm, Produktmanagerin bei Agravis


KONTRA


Stellen Sie sich vor, Sie kaufen einen Schlepper und der Verkäufer gibt Ihnen keine Auskunft zur Leistung in PS oder Kilowatt (kW). Wetten, dass Sie darüber empört wären!


Genau so eine Situation erleben wir aktuell in der Schweinefütterung. Nachdem Agravis und deuka unerwartet Teile ihrer Produktlinien auf Netto­energie umgestellt haben, weisen sie bei den betroffenen Futtermitteln keine Energie mehr aus.


Der Gesetzgeber verbietet nämlich die Deklaration der Nettoenergie, den Verkauf Nettoenergie-optimierter Futtermittel hingegen nicht – eine „Gesetzeslücke“, die die beiden Mischfutterhersteller nun geschickt für sich nutzen.


Die Konsequenz: Wer Futter von Agravis und deuka einsetzt, stochert beim Energiegehalt im Nebel. Denn die Energieangabe ist – wie bei Schleppern die Leistung in PS oder kW – die wichtigste Kenngröße eines Futtermittels. Doch selbst wenn wir sie wüssten, wäre uns kaum geholfen. Denn in Deutschland gibt es keine offiziellen Versorgungsempfehlungen für Schweine auf Basis der Nettoenergie. Niemand weiß, ob ein Mastläufer mit 9 MJ NE, 10 MJ NE oder 11 MJ NE gefüttert werden sollte.


Entsprechend gibt es für Deutschland auch keine einheitliche Formel zur Berechnung der Nettoenergie im Futter. Die Mischfutterhersteller können also nur auf Formeln unserer europäischen Nachbarn zurückgreifen. Hier sollen mehr als zehn verschiedene existieren, sodass zum Beispiel in den Niederlanden jedes Kraftfutterwerk mit seiner eigenen Formel rechnet. Wollen wir solch einen Wildwuchs wirklich auch in Deutschland?


Und können wir die Formeln, die unsere Nachbarn auf Basis ihrer Genetiken bereits seit etlichen Jahren be­rechnet haben, wirklich auch auf hiesige Verhältnisse übertragen? Das halte ich für sehr fraglich.


Fakt ist: Wer die Energie seiner Futtermischungen nicht kennt, kann auch die Futterkurven nicht genau einstellen. Damit füttert er seine Schweine im Blindflug!


Zudem: Wie sollen Schweinehalter bei Unstimmigkeiten ihre Futtermittel reklamieren, wenn sie den Energiewert gar nicht kennen bzw. die Labore diesen – aufgrund fehlender Formeln – gar nicht berechnen können? Auch die Futtermitteltests durch die Prüfinstitute sind ohne belastbare Energieangaben kaum noch etwas wert.


Alles in allem geht durch die Netto­energie-Bewertung die Kontrolle und Vergleichbarkeit der Futtermittel vollständig baden. Das ist ein großer Rückschritt für alle Schweinehalter und unabhängigen Berater.


Agravis und deuka argumentieren zudem, dass man nur mithilfe der Netto­energie stark Protein-reduziert füttern kann, ohne dass die Schweine verfetten. Das stimmt nicht. Im Rheinland haben wir beispielsweise im vergangenen Wirtschaftsjahr mehr als 500 000 Mastschweine ausgewertet, darunter auch (stark) N-/P-reduziert gefütterte. Im Schnitt erreichten die Tiere Indexpunkte leicht unter 1,0. Von Verfettung also keine Spur!


Würden wir die Proteingehalte noch weiter absenken, befürchte ich sogar eine Unterversorgung der Schweine. Vor allem bei den Sauen kann sich das auf Dauer rächen.


Was ist jetzt zu tun? Gesetzgeber und Wissenschaft, allen voran die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE), müssen schleunigst gemeinsam mit der Industrie nach Lösungen suchen. Denn: Wer punktgenau füttern will, muss wissen, was im Futter drin ist!


Johannes Hilgers, Berater beim Rheinischen Erzeugerring für Mastschweine

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