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Neue Gewerbe-Grenzen: So reagieren Sie richtig

Lesezeit: 7 Minuten

Der Fiskus zieht die Gewerbegrenzen u.a. für Direktvermarkter neu. Bis 2013 haben Sie aber noch ein Wahlrecht. Über die Einzelheiten informiert Steuerberater Ralf Stephany, Bonn.


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Die Abgrenzung zwischen landwirtschaftlicher und gewerblicher Tätigkeit wird neu geregelt. Einen entsprechenden Erlass hat die Finanzverwaltung kurz vor Weihnachten veröffentlicht. Die neuen „Spielregeln“ sind ab dem kommenden Wirtschaftsjahr anzuwenden, das für die meisten Betriebe am 1. Juli 2012 beginnt.


Für Landwirte, für die sich durch die Neuregelung eine Verschlechterung ergibt, besteht aber eine Übergangsregelung von einem Jahr. Diese Betriebe müssen auf Antrag die neuen Regeln erst ab dem Wirtschaftsjahr 2013/14 anwenden. Insofern sollten Sie jetzt prüfen, inwieweit der eigene Betrieb von den neuen Gewerbegrenzen betroffen ist.


Auswirkungen hat die Neuregelung vor allem für


  • landwirtschaftliche Direktvermarkter sowie
  • für Landwirte, die Dienstleistungen für andere Betriebe und insbesondere auch gegenüber Nichtlandwirten (z. B. Kommunen) erbringen.


Die neuen Gewerbegrenzen sind in mancher Hinsicht einfacher und klarer. Viele Betriebe fahren damit besser, manche aber auch schlechter als mit den bisherigen Bestimmungen. Klären Sie deshalb in den nächsten Monaten zusammen mit Ihrem Steuerberater, was für Ihren Betrieb gilt – und entscheiden dann, ob Sie zügig oder aber erst zum folgenden Wirtschaftsjahr 2013/14 „umsteigen“.


Nicht alles gewerblich!

Die wichtigste Änderung für Direktvermarkter: Sie kön­nen künftig in Ihrem Hofladen oder auf dem Wochenmarkt nebeneinander landwirtschaftliche und gewerbliche Ein­künf­te erzielen. Das war nach der bisherigen Verwaltungspraxis nicht möglich. Hof­laden oder Markt­stand waren entweder insgesamt land­wirt­schaftlich oder gewerblich.


Nach neuem Recht führt die Vermarktung der eigenen Erzeugnisse dagegen immer zu landwirtschaftlichen Einkünften. Werden durch Zukauf- oder Fremdprodukte die Gewerbegrenzen überschritten, sind nur die damit erzielten Einkünfte gewerblich. Diese „Zweigleisigkeit“ wurde von der Finanzver­waltung erstmals vor zwei Jahren angekündigt (top agrar 5/2010) und jetzt als endgültige Regelung bestätigt.


Bisher mussten Sie als Direktvermarkter mehrere unterschiedliche Zukaufsgrenzen beachten. Diese werden jetzt durch eine neue, für alle zugekauften Fremdprodukte einheitliche Regelung ersetzt. Und zwar kommt es nach neuem Recht auf den Umsatz an, den Sie mit dem Verkauf fremder Erzeugnisse erzielen. Dieser darf maximal 1/3 des gesamten Umsatzes Ihres Betriebes ausmachen, höchstens aber 51 500 € netto im Wirtschaftsjahr. Ist dies der Fall, bleibt es bei landwirtschaft-lichen Einkünften.


Auch rückwirkend:

Je nach Betrieb wirken sich die neuen Grenzen unterschiedlich aus, wie die folgenden Beispiele zeigen:


  • Ein spezialisierter Direktvermarkter kauft für 60 000 € pro Jahr betriebstypische Produkte von anderen Landwirten zu. Sein Gesamtumsatz beträgt 250 000 €. Damit ist die bisherige 30 %-Grenze unterschritten, bei der es auf den Einkaufswert ankommt. Beim neuen Recht ist dagegen der Verkaufswert, der mit den zugekauften Produkten erzielt wird, maßgebend. Dieser liegt hier deutlich über der 51 500 €-Grenze, so dass für diesen Betrieb die alte Regelung günstiger ist.
  • Anders im folgenden Fall: Ein Direktvermarkter will in seinem Hofladen auch landwirtschaftsfremde Produkte anbieten, wie z. B. Geschirr und Gläser. Oder er überschreitet die 10 %-Zukaufsgrenze bei Waren, die die eigene Produktpalette in üblicher Form abrunden (z. B. Spargel-Schälmesser, Soßen usw.).


In beiden Fällen wird – nach altem Recht – die Vermarktung gewerblich. Nach neuem Recht erst dann, wenn der Verkauf der fremden Erzeugnisse mehr als 1/3 des gesamten Betriebsumsatzes ausmacht bzw. die Grenze von 51 500 € übersteigt. Außerdem wird dann nur dieser Teil und nicht die gesamte Direktvermarktung gewerblich. Ist das neue Recht günstiger, wie in diesem Fall, kann sich ein schneller Umstieg lohnen. Dies ist sogar rückwirkend für steuerlich noch nicht endgültig veranlagte Jahre möglich.


Mehr Spielraum:

Für Erzeugnisse der zweiten Verarbeitungsstufe (z. B. Eis aus eigener Milch, Wurst aus selbst erzeugtem Fleisch) gilt bisher eine Grenze von 10 300 € pro Wirtschaftsjahr. Sobald der Umsatz darüberliegt, entstehen gewerbliche Einkünfte. Künftig fallen auch die Erzeugnisse der zweiten Verarbeitungsstufe unter die neue 51 500 €-Grenze (bzw. 1/3 des Gesamtumsatzes). Betriebe, die davon profitieren, sollten eventuell zügig auf die Neuregelung umsteigen.


Die neuen Grenzen gelten aber nicht nur für klassische Direktvermarkter, sondern auch für andere Betriebe mit größeren Zukäufen. Hierzu ein Beispiel:


Ein spezialisierter Kartoffelanbauer, der den Groß- und Einzelhandel beliefert, muss regelmäßig Kartoffeln von anderen Landwirten zukaufen, um seine Lieferverpflichtungen erfüllen zu können. Bisher liegt der Zukauf unter der 30 %-Grenze. Künftig gilt aber auch für ihn die 1/3-Grenze bzw. die starre Obergrenze von 51 500 € pro Wirtschaftsjahr. Sobald seine Umsätze mit den zugekauften Kartoffeln diese Grenze übersteigen, entstehen gewerbliche Einkünfte. Für ihn kann es deshalb günstiger sein, das alte Recht auch noch im kommenden Wirtschaftsjahr beizubehalten.


Neu bei Dienstleistungen:

Verbesserungen bringt das neue Recht für Landwirte, die Dienstleistungen nicht nur gegenüber anderen Landwirten, sondern auch für Nichtlandwirte (z. B. Kommunen) erbringen. Beispiele: Schneeschieben, Böschungspflege usw. Bislang mussten hier zwei unterschiedliche Grenzen beachtet werden. Dienstleistungen gegenüber Landwirten zählten noch zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die Umsätze daraus nicht mehr als 51 500 € im Wirtschaftsjahr oder 1/3 des Gesamtumsatzes betragen haben. An dieser Grenze ändert sich nichts.


Für Dienstleistungen gegenüber Nichtlandwirten galt dagegen bisher eine verminderte Grenze von nur 10 300 €/Jahr. Diese Grenze fällt ab 2012 weg – die Dienstleistungen gegenüber Nichtlandwirten fallen künftig ebenfalls unter die 51 500 €- bzw. 1/3-Grenze. Das heißt: Diese Grenzen gelten künftig für alle Dienstleistungen, die Sie als Landwirt für Dritte erbringen – unabhängig davon, ob dies für andere Landwirte oder für Nichtlandwirte geschieht.


Weitere Neuerung: Wenn Sie sowohl Zukaufsumsätze tätigen, als auch Dienstleistungen für Dritte erbringen, können Sie die 1/3- bzw. 51 500 €-Grenze zweimal nutzen. Beispiel: Ein Landwirt erledigt Maschinenarbeiten für andere Betriebe und die Kommune. Daneben erwirbt er in größerem Umfang z.B. loses Stroh ab Feld, presst es und veräußert es anschließend. Oder er bringt bei Bestellarbeiten für andere Betriebe z. B. das Saatgut und die Pflanzenschutzmittel mit und rechnet diese Zukaufprodukte mit seinen Auftraggebern ab.


Dann bleiben sämtliche so erzielten Einkünfte landwirtschaftlich, so lange der Landwirt


  • einerseits mit den Zukaufsumsätzen (Stroh, Saatgut, Pflanzenschutzmittel) unter der 1/3- bzw. 51 500 €-Grenze bleibt und
  • andererseits auch mit seinen Dienstleistungsumsätzen nicht über diesen Grenzen liegt.


Beide Bereiche – Zukaufs-Umsätze und Dienstleistungen – werden also getrennt betrachtet, für jeden Bereich gelten die 1/3- und die 51 500 €-Grenze separat. Betriebe, die von dieser Verbesserung profitieren, sollten umgehend auf das neue Recht umsteigen. Wo es umgekehrt ist, kann man für die Weiteran-wendung des alten Rechts zumindest noch für das kommende Wirtschaftsjahr optieren.


Unverändert geblieben sind die Grundsätze zum so genannten Strukturwandel. Dabei geht es um die Frage, ob Sie bei einer Überschreitung der Grenzen sofort gewerbliche Einkünfte erzielen – oder erst mit zeitlicher Verzögerung. Werden die neuen Grenzen nur geringfügig und nur ausnahmsweise oder allmählich überschritten, gilt ein dreijähriger Beobachtungszeitraum ab 2012. Das heißt: Erst ab dem 4. Jahr der Überschreitung entstehen gewerbliche Einkünfte.


Vom „sofortigen Strukturwandel“ spricht man dagegen dann, wenn der Betrieb dauerhaft umstrukturiert wird. Das heißt: Wenn Sie Maßnahmen ergreifen, die sofort, erkennbar und dauerhaft zur Überschreitung der (neuen) Gewerbegrenzen führen. Dann erzielen Sie bereits im ersten Wirtschaftsjahr der Überschreitung gewerbliche Einkünfte. Dies könnte z. B. dann der Fall sein, wenn man die eigene Vermarktung so ausbaut, dass man jedes Jahr zur Erfüllung der Lieferverpflichtungen z. B. Kartoffeln oder Erdbeeren in erheblichem Umfang zukaufen muss.


Die neue Abgrenzung zwischen Landwirtschaft und Gewerbe ist vor allem für Direktvermarkter wesentlich einfacher und besser überschaubar. Für manche ist sie auch günstiger, für andere nicht. Ein Vorteil ist, dass die einkommensteuerlichen Grenzen künftig mit den Vorgaben bei der Umsatzsteuer weitgehend übereinstimmen.


Abfärbung vermeiden!

Nach wie vor aufpassen müssen aber landwirtschaftliche Betriebe, die als Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft geführt werden, z. B. in Form einer Ehegatten-GbR oder einer Familien-KG. In diesen Fällen führen auch nur geringfügige gewerbliche Einkünfte unweigerlich dazu, dass auch der gesamte landwirtschaftliche Betrieb als Gewerbebetrieb eingestuft wird. An diesem Problem ändert sich durch die Neuregelung nichts.

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