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Nur 40 Stunden pro Woche arbeiten?

Lesezeit: 6 Minuten

Viele Mitarbeiter in landwirtschaftlichen Betrieben klagen über zu lange Arbeitszeiten. Wie kann man die Arbeitszeiten auf dem Betrieb besser regeln?


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In der Landwirtschaft wird viel gearbeitet. Für Selbstständige ist das oft eine Selbstverständlichkeit – schließlich ist es der eigene Betrieb. Doch wieviel arbeiten eigentlich Angestellte?


Acht bis zehn Arbeitsstunden am Tag sind auf Milchviehbetrieben üblich. In der Regel arbeitet man zwölf Tage durch, jedes zweite Wochenende ist frei. So kommt man schließlich auf 50 bis 60 Stunden in der Woche, auf rund 240 Stunden im Monat.


Dieses System ist im Westen relativ weit verbreitet, doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn zu viel Arbeit hat negative Auswirkungen auf Leistung und Motivation. Im Osten, wo man bereits seit Langem Erfahrung mit Mitarbeitern hat, fährt man deswegen andere Arbeitszeitmodelle: Dort haben die Mitarbeiter mehr freie Tage, kommen deswegen oftmals nur auf 40 Stunden in der Woche.


Viele Familienbetriebe, die in den letzten Jahren stark gewachsen sind und zum ersten Mal Mitarbeiter beschäftigen, fragen sich: Wie viel Freizeit braucht ein Mitarbeiter überhaupt? Wie viele Arbeitsstunden sind sinnvoll? Was motiviert und bindet ihn an unseren Betrieb?


Was bringen mehr freie Tage?

Müde und kaputt dem Feierabend entgegenarbeiten: „Wer permanent zu viele Stunden arbeitet, ist weniger motiviert und häufiger krank“, sagt Albrecht Mährlein, Professor für Agrarökonomie und Management an der FH Kiel.


Erholte Mitarbeiter hingegen sind aufmerksamer bei der Arbeit und machen weniger Fehler. Sie haben mehr Zeit ihren privaten Interessen und Aktivitäten nachzugehen und kommen motivierter zur Arbeit. Grundsätzlich bringen sich zufriedene Mitarbeiter mehr ins Unternehmen ein und denken besser mit. Und sie bleiben länger im Unternehmen. Ausreichend freie Zeit könne so ihren Beitrag zu einer geringeren Fluktuation leisten, die dem Unternehmen in der Regel teuer zu stehen kommt, erklärt Mährlein.


„Nicht zu vergessen gibt es auch Mitarbeiter, die krank feiern, wenn sie nicht frei bekommen“, sagt Prof. Mährlein. Auch diese Kosten könnte man sich sparen, wenn man Mitarbeitern von vornherein mehr freie Tage gewähren würde.


Was kostet Freizeit?

In diesem Zusammenhang stellt sich jedem Betriebsleiter die Frage, was mehr Freizeit den Betrieb kostet, und ob es sich am Ende rechnet.


Prof. Mährlein ist überzeugt: „Bei gleichem Gehalt verursachen mehr freie Tage nicht automatisch mehr Kosten.“ Man müsse ein Mehr an freien Tagen zwar mit zusätzlichen Arbeitskräften ausgleichen, was erst einmal mehr Geld kostet. Im zweiten Schritt gleiche eine höhere Leistung, Motivation, Gesundheit und Bindung ans Unternehmen die Kosten jedoch wieder aus.


Einziges Problem: Faktoren wie Leistung und Motivation sind aber schwer zu messen und können nicht immer eindeutig besseren Arbeitszeiten zugeordnet werden. „Für die Landwirte zählt, was unterm Strich dabei heraus kommt“, merkt Hartmut Osterkamp an, Referent bei der Arbeitnehmerberatung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. „Dabei ist vielen noch nicht richtig bewusst, dass sich Moti-vatoren wie die „richtigen“ Arbeits-zeiten, Entlohnung, Führungsstil und Betriebsklima genauso z. B. in der Milchleistung widerspiegeln, wie Fütterung oder Haltungsbedingungen“, betont der Berater. Dieses Thema sei für viele Familien- und Wachstumsbetriebe noch völliges Neuland und müsse stärker in deren Fokus rücken.


Osterkamp vermutet, dass die fallenden Milchpreise die Betriebe im Moment davon abhalten könnten, Mitarbeitern mehr freie Tage einzuräumen.


„Über den Daumen bedeuten vier freie Tage mehr im Monat eine 450 €-Kraft zusätzlich fürs Unternehmen“, rechnet er vor. Denn wahrscheinlich wird sich kein Arbeitnehmer darauf einlassen, mit weniger Stunden auch weniger verdienen zu wollen.


Um nicht gleich das ganze Betriebssystem über den Haufen zu werfen, kann man schrittweise mit mehr freien Tagen beginnen, schlägt Prof. Mährlein vor. Eine Variante wäre nach zwölf Arbeitstagen den Mitarbeitern drei statt zwei freien Tagen einzuräumen. Im Winter, wenn weniger zu tun ist, könne man das auf vier Tage ausdehnen.


Der Appell, die Arbeitsbelastung niedrig zu halten, kommt jedoch nicht von ungefähr, sondern beruht auf wissenschaftlichen Untersuchungen. Welche Auswirkungen haben lange Arbeitszeiten und was sollte man laut Arbeitsmedizinern bei der Schichtplan-gestaltung berücksichtigen?


Tipps für die Arbeitsplanung.

Ärzten zufolge steigt das Unfallrisiko und das Risiko für Fehlhandlungen nach der 9. Arbeitsstunde exponentiell (steigt immer schneller an).


Ab 17 Stunden ohne Schlaf sinkt die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter vergleichbar zu einem Blutalkoholspiegel von 0,5 ‰. 24 Stunden wirken wie 1,0 ‰ Alkohol im Blut. Gefährlich: Der Umgang mit Rindern und Maschinen fordert eine uneingeschränkte Reaktionsfähigkeit. Die Schichtdauer sollte 16 Stunden daher nicht überschreiten.


Außerdem haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Stress-Symptome und allgemeine Erschöpfung ab einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden deutlich ansteigen. Auch raten sie aus den gleichen Gründen davon ab, eine Arbeitsperiode von mehr als sieben Arbeitstagen in Folge anzusetzen.


Mitarbeiter, v. a. Melker, die in verschiedenen Schichten arbeiten, sollten nicht willkürlich dazwischen hin- und hergespringen. Arbeitsmediziner empfehlen für solche Gruppen von Mitarbeitern ein „vorwärtsrotierendes“ System: Auf eine Frühschicht folgt zunächst eine Spätschicht und erst danach eine Nachtschicht. Damit nimmt man mehr Rücksicht auf „die innere Uhr“ des Mitarbeiters, die sich auch mit jedem Schichtwechsel umstellen muss.


Pausen einhalten:

Was werden für Pausenzeiten empfohlen? Die Erholung von körperlichen Arbeiten verläuft ebenfalls exponentiell. D. h. im zeitlichen Verlauf der Pause erholt sich der Körper immer schneller.


Bei Schichten, die über zehn Stunden hinaus gehen, kann man die Ermüdung in Grenzen halten, indem man Kurzpausen von ca. 10 min zusätzlich zu einer größeren Pause einlegt.


Nach geistigen Tätigkeiten braucht es für die Regeneration jedoch mehr Zeit. Das betrifft z. B. Herdenmanager, die vieles gleichzeitig bedenken und koordinieren müssen. Die Faustregel lautet: Je größer der Anteil geistiger gegenüber körperlicher Arbeit ist, desto länger muss die Erholungspause sein. In diesem Sinne sollten Herdenmanager keine Scheu haben, offen mit ihrem Chef über Pausen und die Anzahl freier Tage zu reden. Arbeitsmediziner fordern also Grenzen in der Arbeitsbelastung zu setzen. Was aber schreibt das Gesetz vor?


Maximal 48 Stunden.

Im Arbeitszeitgesetz steht, dass Erwachsene höchstens acht Stunden täglich arbeiten dürfen. Da es von einer 6-Tage-Woche ausgeht, beträgt die Höchstarbeitszeit 48 Stunden pro Woche. Die Arbeitszeit kann in Arbeitsspitzen sogar auf 60 Stunden wöchentlich verlängert werden. Der Mitarbeiter darf allerdings innerhalb von sechs Monaten im Durchschnitt nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeiten. Wichtig ist, dass bezahlte Überstunden oberhalb des halbjährlichen Durchschnitts von 48 Stunden pro Woche nicht erlaubt sind. Im Klartext: Alle Arbeitsstunden, die darüber liegen, muss man durch Freizeit ausgleichen.


Zeit zum Umdenken!

Freizeit ist das Stichwort, das Prof. Mährlein unter den Nägeln brennt: „Die 12-Tage-Woche ist antiquiert“, sagt er. In der Landwirtschaft existiere immer noch das uralte Bild, dass nur viele Stunden gemacht werden und kein Geld verdient wird.


Vielmehr muss man seine Mitarbeiter als Investition in die Zukunft des Unternehmens sehen und diese pflegen. „Wenn Betriebe im Wettbewerb um dringend benötigte Arbeitskräfte konkurrenzfähig bleiben wollen, wird es Zeit, dass ein Umdenken einsetzt“, appelliert er. Dadurch könne der Betrieb doppelt gewinnen. Zum einen hätte er besser motivierte und leistungsfähigere Mitarbeiter, zum anderen könne dies den Arbeitsplatz attraktiver machen.Svenja Pein

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