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Pferdemist: Verheizen oder vergären?

Lesezeit: 8 Minuten

In einigen Regionen ist Pferdemist im Überfluss vorhanden. Für Biogasanlagen kann das Substrat künftig interessant werden.


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Norbert Theis liebt Pferde. Deshalb eröffnete der Unternehmer aus Pfaffen-Schwabenheim bei Mainz vor drei Jahren die Pferdepension Sonnenhof, in der mittlerweile 40 Tiere leben. Aber wo sich so viele Heufresser tummeln, wird auch viel geäpfelt. Täglich fallen in der Reitanlage 1,2 Tonnen Pferdemist an, die für den Betreiber zu einer großen finanziellen Belastung geworden sind.


„Die fachgerechte Entsorgung der Exkremente kostet uns jährlich mehrere Tausend Euro“, sagt Theis. Der Pferdewirt hat sich daher etwas einfallen lassen: Statt den Mist von einem Spezialbetrieb teuer wegschaffen zu lassen, will er ihn vor Ort trocknen, zu Pellets pressen und schließlich wie normale Holzpellets verbrennen.


Den Strom für den Trockner und die Pelletieranlage sollen Solarmodule liefern, die Theis 2011 auf die Dächer seiner Reitanlage schrauben ließ. „Mit dem Sonnenstrom und der Pelletwärme wären wir völlig unabhängig von Energielieferungen“, schwärmt er.


Kein Regelbrennstoff:

Doch die rheinland-pfälzische Landesregierung droht ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Das Problem: Pferdemist ist kein zulässiger Brennstoff wie Holz oder Stroh, weil bei dessen Verbrennung größere Mengen an Staub, Stickstoff und Chlorwasserstoffen freigesetzt werden. Was in Deutschland verbrannt werden darf, regelt die erste Bundesimissionsschutzverordnung (1. BimSchV). Sie gilt für Holzheizungen bis ein Megawatt (MW) Leistung und für Kleinfeuerungsanlagen für feste Biobrennstoffe wie Stroh bis 100 Kilowatt (kW) Leistung. Theis würde mit seiner Pferdemisttherme genau in diese Leistungsklasse fallen. Zwar könnte ihm das Land Rheinland-Pfalz dafür eine Sondergenehmigung erteilen, aber darauf kann er nicht hoffen. „Wir planen keine Ausnahmen“, erklärt Heike Spannagel, Sprecherin des Umweltministeriums in Mainz.


Zu viele Emissionen:

Für Theis wie für viele andere Pferdehalter sind das schlechte Nachrichten. Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart schätzen, dass hierzulande eine Million Pferde Entsorgungskosten von insgesamt einer viertel Milliarde Euro pro Jahr verursachen. Pferdemist muss in einigen Region sogar teuer entsorgt werden, weil es sich kaum verwenden lässt.


Pferdehalter nutzen vor allem Stroh, aber auch Holzspäne sowie Sägemehl als Boxeneinstreu. Als Dünger oder als Einsatzstoff für Biogasanlagen ist stark holz- und strohhaltiger Pferdemist aber nicht die erste Wahl. „Viel Stroh bewirkt, dass der Mist in der Biogasanlage auf der übrigen Biomasse schwimmt“, erklärt der Hohenheimer Agrarwissenschaftler Dr. Hans Oechsner. Als Brennstoff hingegen ließen sich die Exkremente gut nutzen. Die Stuttgarter Forscher haben Brennwerte von 17 bis 20 Megajoule pro Kilogramm Pferdemist ermittelt. Mit einem höheren Holzanteil in der Einstreu lassen sich sogar über 20 Megajoule erreichen, ähnlich gute Werte wie mit dem Dauerbrenner Stroh.


Es gibt auch ökologische Argumente für die Mistverbrennung. Ortwin Opitz, Chef des Heppenheimer Heizkesselherstellers Bioflamme, zeigt das Klimaschutzpotenzial auf: „Wenn für die Energiegewinnung der Mist von nur 250 000 Pferden genutzt werden könnte und man den jährlichen nutzbaren Heizwert des Mistes eines Pferdes vorsichtig mit 2 000 Litern Heizöl abschätzt, so geht es hier um ein bislang ungenutztes regeneratives Energiepotenzial von mindestens 500 Millionen Litern Heizöl pro Jahr.“


Rechnet man mit einem Ausstoß von 2,6 Kilogramm CO2 pro Liter Heizöl, dann könnten die Emissionen mithilfe von Pferdemist um insgesamt 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt werden, so Opitz. Das entspricht immerhin dem jährlichen CO2-Gesamtausstoß von mehr als einer halben Million Mittelklassewagen.


Um auf dem wachstumsträchtigen Ökowärmemarkt Fuß zu fassen, bietet Opitz’ Firma Bioflamme speziell für die Mistverbrennung konzipierte Kessel des schwedischen Herstellers Swebo ab 100 Kilowatt Leistung an. Nach Opitz’ Überlegung müssten diese Anlagen unter die 4. BimSchV fallen, wie sie auch für herkömmliche Biogasanlagen nötig ist. Die strengen Emissionsanforderungen der Verordnung erfülle die Technik problemlos, sagt Opitz. Nach seinen Angaben können die Swebo-Thermen selbst feuchte Rossknödel direkt nutzen, indem in einer Primärbrennkammer zunächst die Feuchtigkeit verdampft und ein brennbares Gas erzeugt wird. Im sekundären Brennrohr werden die feuchten Problemstoffe und das Gas anschließend verbrannt. „Dadurch befinden sich kaum noch Partikel im Abgas“, verspricht Opitz.


Deutscher Sonderweg:

Das Problem ist nur, dass die Behörden auch die Pferdemistverbrennung im größeren Stil in Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung ablehnen. „Sie ist fachlich nicht in Ordnung, denn dabei entstehen viele gefährliche Stickstoffoxide“, erklärt der Energieexperte Thomas Hering von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft in Jena. „Verbrennungsanlagen müssen hierzulande also unter die 17. BimSchV fallen“, ergänzt der Immissionsschutz-Experte Horst-Werner Wolter von der Bezirksregierung Münster. Das bedeutet: Angehende Betreiber müssen deutlich höhere Genehmigungsauflagen erfüllen, mehr Gutachten beibringen und mehr Ämter beteiligen als für die 4. BimSchV. Erforderlich macht dieses aufwendige Prozedere ein kompliziert formulierter Absatz im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG), das die EU-Abfallrahmenrichtlinie von 2008 seit dem 1. Juni 2012 in deutsches Recht umsetzt. Danach gelten tierische Nebenprodukte wie Pferdemist zwar grundsätzlich nicht als Abfall, werden sie jedoch zur Beseitigung oder Energiegewinnung verbrannt, müssen sie wie Abfall behandelt werden. Diese sogenannte generelle Rückausnahme stellt größere Pferdemistkessel in Deutschland also auf eine Stufe mit Müllverbrennungsanlagen oder Krematorien.


Dennoch plant die Monheimer Firma Equilution im Hafen von Neuss ein Heizkraftwerk mit drei Megawatt thermischer und zwei Megawatt elektrischer Leistung, das mit jährlich 30 000 Tonnen Mist aus Reitställen der Umgebung befeuert werden soll. Die Wärme der Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage will Equilution den Stadtwerken Neuss verkaufen, beim Strom rechnet die Firma mit einer Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).


Laut Firmenchef Holger Wirtz gilt Pferdemist als Gülle und fällt damit unter die zweite Einsatzstoffvergütungsklasse, den Biomasse-Strom müsste der Energieversorger daher für knapp 16 Cent pro Kilowattstunde (kWh) abnehmen. 2013 liegt der EEG-Tarif für Strom aus Biomasseanlagen zwischen 500 Kilowatt und fünf Megawatt Leistung bei 10,78 Cent, zusätzlich wird für die Gülle ein erhöhter Substratbonus von sechs Cent gezahlt.


Pferdemist zu Biogas:

Den Mist will Equilution von den Ställen aus der Umgebung einsammeln und in „Rohform“ direkt verbrennen. „Wir sparen uns die Pelletierung, weil unser Verfahren dadurch wirtschaftlicher ist“, sagt Wirtz.


Derzeit sammelt das Unternehmen Kapital für das Projekt, an dem sich auch private Anleger beteiligen können. Acht Millionen will die Firma investieren, spätestens Ende 2013 soll die Anlage in Betrieb gehen.


Für Bioflamme-Chef Opitz sind große Heizkraftwerke wie das in Neuss geplante ohnehin nicht der richtige Weg, um Pferdeexkremente energetisch zu nutzen. „Solange Pferdemist in der Abfallbewirtschaftung ist, bleiben nur große Kraftwerke als Option. Passende Standorte sind dafür jedoch schwer zu finden, da es selten große Wärmeabnehmer gibt“, so sein Einwand. Stattdessen müsse man dezentral näher an die Wärmeverbraucher und dorthin, wo Wärme nicht schon günstig angeboten werde.


Noch sieht der Bioflamme-Chef durchaus Chancen für dieses dezentrale Geschäftsmodell, denn aus seiner Sicht ist bei der BImSchV das letzte Wort noch nicht gesprochen. „Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz steht nicht im Einklang mit Unionsrecht, obwohl nach allgemeinem Verständnis in Europa der EU-Abfallrahmenrichtlinie der Anwendungsvorrang einzuräumen ist.“ So verlangt die europäische Verordnung statt einer generellen eine differenzierte Rückausnahme und unterscheidet zwischen einfacher Beseitigung und energetischer Verwertung. „Danach ist die Verbrennung von Pferdemist also legal“, stellt Opitz klar.


Nach großen Protesten der Befürworter der Pferdemistnutzung und einer regen abfallrechtlichen Diskussion sieht es in Deutschland aber nicht aus. Viele Pferdehalter und Landwirte ignorieren schlicht das Verbot, verfeuern den Mist in vorhandenen Biomassekesseln einfach mit.


Die Praxis geht andere Wege:

„Wir kennen die Praxis auf dem Land“, sagt Agrarexperte Hering. „Die Exkremente werden in Pelletform in herkömmlichen Heizungen verbrannt. Erst wenn sich der Schornsteinfeger zur Kontrolle ankündigt, wird der verbotene durch einen gesetzeskonformen Brennstoff ausgetauscht.“ In Regionen mit hohem Mistaufkommen hat sich bereits ein regelrechter Markt für die Kot-Press­linge entwickelt: Spezialfirmen sammeln die Äpfel von den Reiterhöfen ein und verarbeiten sie zu Pellets weiter, die gern als günstige Alternative zu ­teurerem Holz verheizt werden. Pellets zu produzieren und anzubieten, ist zwar nicht ganz koscher, aber nicht verboten – sie könnten zum Beispiel ebenso als Dünger verwendet werden. Es könnte sich bald jedoch eine saubere Methode der Pferdemistnutzung durchsetzen. Forscher der Universität Hohenheim haben einen Weg gefunden, die Äpfel so zu zerkleinern, dass sie bedenkenlos wie Gülle oder nachwachsende Rohstoffe in Biogasanlagen genutzt werden können.


Dafür nutzen die Wissenschaftler einen sogenannten Querstromzerspaner, eine Art großen Mixer, der normalerweise in der Abfallverwertung eingesetzt wird. „Nach der Zerkleinerung haben wir sozusagen mundgerechte Stückchen für die Mikroorganismen in der Biogasanlage“, erklärt Agrartechniker Oechsner. Die Oberfläche des Pferdemists vergrößert sich und verbindet sich gut mit dem übrigen Gärsubstrat im Fermenter – kein Holz und keine Halme schwimmen mehr auf der übrigen Biomasse. Mehrkosten, die durch den Prozess entstehen, macht eine höhere Biogasausbeute wett.


Höhere Gasausbeute:

Die schwäbischen Forscher haben ermittelt, dass aus einem Kilogramm zerkleinertem Pferdemist nach 35 Tagen Verweilzeit in ei-ner Biogasanlage 28 Normkubikmeter Methan entstehen – etwa ein Viertel mehr Biogas als aus unbehandelten Pferdeäpfeln, aus denen sich nur 23 Kubikmeter gewinnen lassen. Da zerkleinerter Mist damit fast so effizient vergärt wie Mais, könnte er zudem die für die Biogaserzeugung umstrittenen gelben Kolben überflüssig machen. „Würden die acht Millionen Tonnen Pferdemist, die jährlich in Deutschland anfallen, in Biogasanlagen genutzt, könnten bis zu 115 500 Hektar Mais ersetzt werden“, erklärt Oechsner.


In einer Testanlage südlich von Reutlingen optimiert sein Team derzeit den neuen Zerspanungsprozess. Das Bundesumweltministerium fördert das Forschungsprojekt bis März 2014 mit über 300 000 Euro. Möglicherweise lässt sich das Pferdemistproblem doch noch leicht lösen.Sascha Rentzing

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