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Pulver hui, Frischmilch pfui?

Lesezeit: 5 Minuten

Molkereien bauen plötzlich wieder Trockentürme. Dabei ist auch der Markt für Milchpulver hart umkämpft. Geht die Rechnung trotzdem auf?


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Wenn zuviel Milch am Markt ist, prügelt der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) die Preise im Frischebereich gnadenlos nach unten. Gerade die Spezialisten unter den Molkereien sind den Handelskonzernen dann oft hilflos ausgeliefert und müssen fast jeden Preis akzeptieren. Einige Molkereien wollen raus aus diesem Dilemma und unabhängiger werden. Sie investieren Millionen in eigene Trockentürme, um Milch transportwürdig zu machen. Denn in der Tat lässt sich Milchpulver im Moment zu guten Preisen auf dem Weltmarkt absetzen.


Mehr Milch im Norden.

Der zeitweilige Mengen- und Preisdruck dürfte sich nach dem Ende der Milchquote in 2015 noch verschärfen. Experten rechnen fest mit deutlich mehr Milch in Deutschland. Der Frischebereich auf dem Inlandsmarkt kann diese Mehrmilch nicht mehr aufnehmen. Bei den Preisverhandlungen könnten die Handelsketten die Molkereien noch leichter gegeneinander ausspielen. Um das zu verhindern, muss mehr exportiert werden, und das geht am besten mit Pulver:


  • Es lässt sich über große Entfernungen günstig transportieren.
  • Außerdem kann man es günstig und lange lagern.
  • Und in den Zielländern (Asien, Afrika, Lateinamerika) geht es in dieser Form oft direkt an den Endverbraucher.


Auch Käse lässt sich gut exportieren. Aber auch für die anfallende Molke werden Trockentürme gebraucht.


Es sind hauptsächlich norddeutsche Molkereien, die neue Türme bauen (s. Übers. 1), denn die Quote wandert seit Jahren Richtung Küste. Vor allem Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben hinzugewonnen. Seit 2007 stieg die Garantiemenge in diesen Bundesländern um rund 385 000 Tonnen bzw. 5 %. In Süddeutschland reichen die Kapazitäten offenbar aus. Investiert wird hier meistens nur in bestehende Anlagen.


Pulver lukrativer als Frische?

Insgesamt gewinnt die Milchtrocknung an Bedeutung. Ein Trend, der seit Jahren zu beobachten ist. In den vergangenen sechs Jahren ist der Anteil der Milch, der zu Pulverprodukten verarbeitet wird, immerhin von 11 auf 13,5 % gestiegen (ohne Molkepulver). Das Gros des Zuwachses fiel dabei auf Magermilchpulver.


Die Verwertung über Pulver ist besser als ihr Ruf und kann durchaus mit Frischeprodukten oder Käse mithalten. In den vergangenen fünf Jahren hatten im Schnitt Magermilch und Butter im Vergleich zum Frischesortiment sogar die Nase vorn, bestätigen Experten. Während früher getrocknet wurde, um Überhänge abzupuffern, sind hochwertige Pulver heute weltweit gefragt.


Inzwischen haben sich auch die Rahmenbedingungen für Pulverproduzenten verbessert. Seit 2008 ist nämlich die Eiweißstandardisierung von Dauermilch-erzeugnissen in der EU erlaubt. In Drittländern waren Magermilchpulver schon lange auf 34 % Eiweiß eingestellt. In der EU waren sie dagegen oft zwei bis drei Prozentpunkte höher – bei gleichen Erlösen.


Branchenkenner sehen aber auch in der zusätzlichen Flexibilität der Betriebe deutliche Vorteile. Spezialisierte Molkereien werden vom Handel immer wieder unter Druck gesetzt, weil sie keine Alternative haben. Wer dann Pulver produzieren kann, steht deutlich besser da, heißt es. Der Vorteil: Molkereien können in den Preisverhandlungen selbstbewusster auftreten.


Drohen jetzt Überkapazitäten?

Vom Auf und Ab der Preise abkoppeln können sich die Molkereien mit ihren neuen Pulvertürmen allerdings nicht. Aktuell steigen die Preise zwar (s. Übers. 2), doch gleichzeitig entstehen auch neue Kapazitäten. Die neuseeländische Molkerei Fonterra investiert derzeit beispielsweise in die weltweit größte Sprühtrocknung mit einer Stundenleistung von 30 t. Fakt ist: Neuseeländer oder Südamerikaner können einfaches Pulver auf Dauer günstiger anbieten als wir.


Trotzdem brauchen wir in Deutschland zusätzliche Kapazitäten. Die Frage ist nur, wie viel? Das abzuschätzen ist nicht leicht, denn die Auslastung der Türme schwankt im Jahresverlauf beträchtlich. Nach Einschätzung des Milch-Industrie-Verbands liegt sie derzeit zwischen 70 und 100 %. Um Anlieferungsspitzen abzupuffern, muss man deshalb Ressourcen vorhalten.


Die noch geplanten Kapazitäten in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein reichen aber theoretisch, um 3 bis 4 % der deutschen Milch in Pulver zu verwandeln. In der Branche munkelt man zudem, dass die Frischli Milchwerke in Niedersachsen ebenfalls einen Turmbau planen. Gebaut wird außerdem auch im Ausland. So will der belgische Molkereikonzern Milcobel in den nächsten Jahren seine Trocknungskapazitäten erhöhen. In der Bretagne will der Kindernahrungsmittelhersteller Synutra bis 2015 ebenfalls ein Trockenwerk errichten.


DMK-Chef Dr. Josef Schwaiger sieht in dem Bauboom eine Gefahr – auch für Erzeuger. Ihn stört vor allem, dass in ­seinem „Dunstkreis“ in Neumünster (Schleswig-Holstein) ein neues Trockenwerk entstehen soll, obwohl ein benachbarter Pulverturm der DMK kaum gebraucht wird. Schwaiger befürchtet Überkapazitäten, die die Wirtschaftlichkeit der gesamten Branche belasten.


Insider bezweifeln in der Tat, dass sich jede Investition lohnt. Man solle doch lieber über Kooperationen nachdenken, bevor ein völlig neues Trockenwerk auf die grüne Wiese gesetzt wird, heißt es. Die überflüssigen Türme würden letztlich von den Milchbauern bezahlt.


Pulver ist nicht gleich Pulver.

Nicht jeder Trocknungsturm ist allerdings ein reiner „Mengenfresser“, wie es die Anlage in Neumünster werden soll. Türme werden für ihre jeweilige Verwertung optimiert gebaut. Während Mager- und Vollmilchpulver noch einfach austauschbar sind, lassen sich auf diesen Anlagen nicht ohne Weiteres andere Pulver produzieren. Die geplanten Anlagen von Ammerland und Müller sind hingegen auf Molkepulver ausgelegt. Sie sind eine Ergänzung zur Käseproduktion.


Die Milch-Union-Hocheifel wollte mit ihrer neuen Trocknung in erster Linie auf Magermilchpulver setzen, um eine Alternative zur Trinkmilchvermarktung zu haben. Nach der Übernahme durch die Arla vermuten Insidern allerdings, dass die Dänen in Pronsfeld keinen reinen „Mengenfresser“ betreiben möchten. Stattdessen soll der Fokus eher auf Spezialpulver oder Vorprodukte in Babynahrungsqualität gelegt werden. Das hätte zwar höhere Anforderungen an Gebäude und Anlage zur Folge, ermöglicht aber langfristig bessere Margen, heißt es. A. Beckhove

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