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Saatgetreide vermehren: Lohnt sich das noch?

Lesezeit: 6 Minuten

Der Markt für Saatgetreide ist überversorgt. ­Deshalb haben Vermehrer ein erhebliches Absatzrisiko. Prof. Thore Toews von der Fachhochschule Bingen hat nachgerechnet.


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Viele Vermehrer sind in den letzten Jahren auf ihrem teuer produzierten Saatgetreide sitzen geblieben. Das ist bitter, denn die Vermehrung ist ein aufwändiges Geschäft, weil deutliche Mehr­kosten für Saatgut, Pflanzenschutz und Arbeit anfallen. Ob sich die Vermehrung rechnet, ist zum Zeitpunkt der Aussaat offen, denn zwischen Anbauentscheidung und Vermarktung liegt rund ein Jahr.


In der Regel läuft das Geschäft wie folgt: Die Vermehrer schließen Verträge mit den so genannten Vertriebsorganisations-Firmen (VO-Firmen). Darin verpflichten sie sich, das gewonnene Saatgut ausschließlich den VO-Firmen anzubieten – entweder als Rohware oder als aufbereitetes Z-Saatgut (Saatware).


Rohware oder Saatware?


Bei der Rohware gibt es meistens kein Absatzrisiko, da sich die VO-Firmen in der Regel zur Abnahme verpflichten. Bei der Saatware ist das anders. Hier besteht üblicherweise keine Abnahmeverpflichtung seitens der VO-Firmen. Wird die Ware nicht nachgefragt, sind die Vermehrer die Dummen. Ihnen bleibt dann nur der Absatz als Futter- oder Brotgetreide.


Das ist gar nicht so selten, weil bei der Aussaat nicht klar ist, welche Sorten die Praxis im kommenden Jahr nachfragt. Denn die Landwirte orientieren sich beim Einkauf des Saatguts zum Teil an mehrjährigen Sortenergebnissen, entscheiden sich aber auch kurzfristig anhand der letztjährigen Versuchsergebnisse. Wer da als Vermehrer und VO-Firma auf die falsche Sorte setzt, hat schnell einen Ladenhüter im Lager.


Hinzu kommt, dass vielen Landwirten das Z-Saatgut zu teuer ist, vor allem bei den aktuellen Getreidepreisen. Der Saatgutwechsel ist 2009 nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Pflanzenzüchter (BDP) auf unter 50 % gesunken, bei Winterweizen sogar auf 42 %. Vor fünf Jahren lag die Rate über alle Getreidearten noch bei mehr als 60 %. Kein Wunder also, dass die Getreidevermehrung in Deutschland nach Angaben des Bundessortenamtes in den letzten sechs Jahren um über 18 % auf knapp 125 000 ha in 2009 zurückgegangen ist. Für viele lohnt sich die Vermehrung nicht mehr.


Ein wichtiger Kostentreiber der Vermehrung ist das Basis-Saatgut. Das ist etwa doppelt so teuer wie Z-Saatgut. Außerdem haben Vermehrer einen Mehraufwand für den Pflanzenschutz, um den Fremdbesatz zu minimieren. Deutlich ins Gewicht fällt zudem der höhere Arbeitsaufwand, weil Drillmaschine und Mähdrescher viel gründlicher gereinigt werden müssen. Auch die Feldbereinigung und -kontrolle fressen Zeit und Gebühren. Bei einer Vermehrungsfläche von 4 ha müssen Vermehrer im Durchschnitt rund 1,75 Akh je ha an zusätzlicher Arbeit einplanen. Unterm Strich kommen je nach Getreideart schnell Extra-Kosten von 90 bis 120 €/ha zusammen.


Das Risiko, bei der Feldprüfung oder bei der anschließenden Beschaffenheitsprüfung durchzufallen, ist unterschiedlich hoch. Es hängt auch von den WitterungsBedingungen des Jahres, der jeweiligen Ge­treideart und dem Können des Betriebs­leiters ab (siehe auch Beitrag auf S. 42).


Die Anerkennungs-Ergebnisse können zwischen den Getreidearten gewaltig schwanken. Von 2005 bis 2009 wurden z. B. in Rheinland-Pfalz im Durchschnitt bei Triticale und Roggen nur 63 % bzw. 68 % der Flächen, bei Wintergerste immerhin 82 % und bei Winterweizen sogar 94 % anerkannt.


Wichtig ist: Das Risiko der Aberkennung tragen die Vermehrer allein. Wer nicht auf den Kosten sitzen bleiben will, muss das ­Risiko in die Kalkulation „einpreisen“.


Notwendige Zuschläge ­kalkulieren


Der notwendige Preiszuschlag für die Vermehrung ergibt sich aus den zusätzlichen Produktionskosten und dem Risikoaufschlag für die Aberkennung der Ware. In Rheinland-Pfalz reicht beim Winterweizen mit durchschnittlichen Erträgen von 75 dt/ha ein Aufpreis für die Rohware von gut 2 €/dt. Bei Triticale sind schon knapp 3,30 €/dt notwendig. Die erforderlichen Zuschläge für Roggen, Winter- und Sommergerste liegen zwischen diesen Eckwerten (siehe Übersicht 1).


Es ist keineswegs sicher, dass die Vermehrer diese Zuschläge auch am Markt realisieren können. In der Praxis betragen die Rohwarenzuschläge zurzeit maximal 2 bis 2,50 €/dt. Das heißt, bei durchschnittlichen Erträgen und einer normalen Anerkennungsrate wird es bei der Vermehrung von Sommergerste, Roggen und Triticale ganz schön eng.


Bei überdurchschnittlichen Erträgen sieht das anders aus. Bei einem Winterweizenertrag von 100 dt/ha reicht bereits ein Zuschlag von unter 1,50 €/dt, weil sich die zusätzlichen Kosten auf eine größere Erntemenge verteilen.


Wer als Vermehrer die Rohware direkt verkauft, hat keine zusätzlichen Aufbereitungskosten und kein Vermarktungs­risiko. Außerdem bekommt er sein Geld schon in der Ernte, während die Saatware erst im Dezember bezahlt wird. Er muss also keine Zinskosten und Liquiditätsprobleme einkalkulieren. Lohnt sich vor diesem Hintergrund die Aufbereitung überhaupt?


Viele Vermehrer übernehmen diesen Arbeitsschritt, weil sie über eine eigene Aufbereitungstechnik verfügen. Das ist für die VO-Firmen ein gutes Geschäft, können sie doch das Abnahmerisiko so elegant auf die Vermehrer überwälzen.


Selbst aufbereiten?


Für die Aufbereitung der Rohware sind bei vorhandener Technik etwa 2,40 €/dt anzusetzen. Bei einem Siebverlust von 20 % entspricht das Aufbereitungskosten von rund 3,50 €/dt Saatware. Die Schmacht- und Bruchkörner lassen sich nur mit Abschlägen vermarkten. Dafür sind etwa 1,50 €/dt anzusetzen, aber nur dann, wenn die Partie in der Beschaffenheitsprüfung auch anerkannt wird. Wenn die Ware keine Saat­gutqualität hat, wird der Siebverlust wieder „eingemischt“ und die Partie normal als Brot- oder Futtergetreide vermarktet.


Ob sich die Saatwarenproduktion unterm Strich rechnet, wissen die Vermehrer erst ganz zum Schluss. Bei einer vollständigen Vermarktung als Saatware ist unter durch­schnittlichen rheinland-pfälzischen Bedingungen bei Winterweizen und -gerste ein Vermehrer-Zuschlag von rund 6 €/dt notwendig. Bei Sommergerste, Winterroggen und Triticale liegt der erforderliche Zuschlag mit über 7 € je ha deutlich höher (siehe Übersicht 2).


Mit fallender Abnahmequote steigen die notwendigen Zuschläge deutlich an. Bei 80 % Abnahmequote brauchen die Vermehrer je nach Getreideart 7,20 bis 9,40 €/dt, um die zusätzlichen Kosten zu decken. Bei 60 % sind es 9,50 bis 12,50 €/dt (siehe Übersicht 2).


Die in der Praxis zurzeit üblichen Zuschläge von 6 bis 6,50 €/dt sind also sehr knapp bemessen. Bei Winterweizen und Wintergerste kommen die Vermehrer in etwa auf ihre Kosten, wenn sie die Ware auch weitgehend als Saatgetreide vermarkten können und die Aufbereitungstechnik auf dem Betrieb vorhanden ist.


Die Produktion von Saatware wird sich daher nur für wenige Betriebe rechnen. Die VO-Firmen haben bereits zunehmend Mühe, Vermehrer zu finden. Sinnvoll wäre es daher, das Risiko künftig auf mehrere Schultern zu verteilen. Die Vermehrer würden z. B. mehr Planungssicherheit bekommen, wenn ihnen die VO-Firmen über Vorverträge die Abnahme der Saatware zumindest teilweise vertraglich garantieren. Bisher ist das in der Praxis noch wenig verbreitet.


Das bleibt festzuhalten


Wer bei der Getreidevermehrung auf die Vermarktung der Rohware setzt, fährt häufig besser. Die weitere Aufbereitung zur Saatware ist riskant, weil der Vermehrer in der Regel das alleinige Absatzrisiko tragen muss.


Unterm Strich lohnt sich die Vermehrung nur, wenn der Rohwaren-Zuschlag mindestens 2 €/dt beträgt. Bei eigener Aufbereitung der Saatware sind Zuschläge von mindestens 6 €/dt erforderlich. Davon konnten viele Vermehrer in den letzten Jahren nur träumen.

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