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„Wir haben die Talsohle durchschritten“

Lesezeit: 8 Minuten

Vion steht am Scheideweg. Die Holländer wollen sich wieder aufs Schlachten und Zerlegen konzentrieren. Das wird teuer und wohl nicht ohne Standortschließungen ablaufen. top agrar sprach mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Huijbers.


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Rote Zahlen, hohe Abschreibungen, Veräußerung von Unternehmensanteilen und Personalwechsel. Ist Vion noch im sicheren Fahr-wasser?


Huijbers: Auf jeden Fall. Natürlich sind wir in keiner einfachen Phase. Aber wir haben die Weichen richtig gestellt. Die Restrukturierung ist notwendig. Wir haben uns in England verabschiedet und wir wollen uns auch von „Ingredients“, dem Geschäft mit den Schlachtnebenprodukten, trennen. Vion wird sich in Zukunft auf den Food-Bereich konzentrieren. Das ist unser Kerngeschäft. Hier wartet aber noch viel Arbeit auf uns. Bis zum Jahresende wollen wir Klarheit haben.


Es gibt Stimmen, die meinen, am Ende werde Vion womöglich ganz zerschlagen.


Huijbers: Das wird nicht passieren. Dass aber der eine oder andere Mitbewerber solche Gerüchte streut, gehört zum Geschäft. Vion wird gestärkt aus der Restrukturierung herauskommen. Da mache ich mir gar keine Sorgen.


Und kurzfristig. Ist Vion liquide? Wird das Schlachtvieh pünktlich bezahlt?


Huijbers: Ja, wir bezahlen jeden Tag alles. Wir haben keine Liquiditätsengpässe.


Es gibt also auch keine Probleme mit den Kreditlimits?


Huijbers: Nein, wir sprechen jede Woche mit den Banken. Im Moment ist alles stabil.


Dann stimmt es auch nicht, dass Vion die Schweinepreise drückt, weil sie fast um jeden Preis verkaufen müssen, um Liquidität zu sichern?


Huijbers: Nein! Anders als unsere Mitbewerber spekulieren wir aber nicht mit tiefgefrorenem Fleisch.


Warum nicht?


Huijbers: Weil wir glauben, dass wir damit im Moment kein Geld verdienen können. Das Risiko ist uns zu groß. So einfach ist das. Wer etwas anderes behauptet, liegt falsch.


Für das Geschäftsjahr 2012 hat Vion noch keine Unternehmensergebnisse vorgelegt. Haben Sie Verluste gemacht?


Huijbers: Im operativen Tagesgeschäft nicht. Es kann natürlich immer besser laufen. Das Schlachtgeschäft ist im Moment bei allen Marktteilnehmern schwierig. Unser Problem sind die hohen Abschreibungen, vor allem aus dem England-Geschäft. Wir rechnen mit etwa 500 Mio. €. Das haben wir schon bekanntgegeben. 500 Millionen können wir in einem Jahr nicht aus dem operativen Geschäft erwirtschaften. Das weiß jeder, der die Gewinnmargen im Schlachtbereich kennt.


Aber der Bereich „Ingredients“ macht weiter gute Gewinne, heißt es. Die Probleme liegen also vor allem im Food-Bereich?


Huijbers: Das sind – wie gesagt – vor allem Sondereffekte aus Altlasten. Im Moment wirtschaften wir im operativen Geschäft sehr stabil. Mein Eindruck: Wir haben die Talsohle durchschritten. Es geht wieder aufwärts.


Warum soll dann der Unternehmensbereich „Ingredients“ verkauft werden. Das ist doch die Cash-Cow von Vion? Welcher Bauer verkauft schon seine beste Kuh?


Huijbers: Die Antwort ist ziemlich einfach. Wer restrukturieren will, braucht Geld. Und wenn dafür nicht genug Geld aus dem Cash Flow kommt, muss man sich andere Lösungen überlegen. Und dann kommt man schnell auf „Vion Ingredients“. Das ist ein sehr wertvoller Unternehmensbereich. Wir sind in diesem Bereich lange Weltmarktführer gewesen. Aber die Konkurrenz hat aufgeholt. Schauen Sie sich die Entwicklung bei Saria/Rethmann in Deutschland oder bei der amerikanischen Darling-Gruppe an. Und in Südostasien gibt es auch noch einen schlagkräftigen Mitbewerber.


Wir haben uns gefragt: Können wir da auch in zehn Jahren noch mithalten? Können wir die notwendigen Wachstumsschritte finanzieren? Unsere Antwort lautet: Das wird für uns als bäuerliche Eigentümer schwierig. Deshalb wollen wir uns auf den Schlachtbereich konzentrieren. Der ist nahe an den Bauern, denen Vion gehört.


Einen so großen Unternehmensbereich verkauft man nicht von heute auf morgen. Bis wann wollen Sie das Verfahren abgeschlossen haben?


Huijbers: Bis Ende des Jahres.


Wie viele Interessenten gibt es?


Huijbers: Das ist wie beim Verkauf eines Bauernhofs. Zuerst melden sich viele, am Ende gibt es vielleicht noch drei ernsthafte Interessenten.


Die würden ja schon genügen. Verraten Sie uns die Namen?


Huijbers: Es gibt Interesse aus der Verarbeitungsbranche aber auch von branchenfremden Investoren, die wir normalerweise gar nicht verstehen, weil sie eine südostasiatische Sprache sprechen.


Auch deutsche Unternehmen sollen dabei sein, Saria/Rethmann und Tönnies hören wir.


Huijbers: Interessant. Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Wir sind gar nicht Herr des Verfahrens. Das Geschäft wickelt ein Dienstleister für uns ab.


Eine Milliarde Euro wollen Sie für „Vion Ingredients“ erlösen. Klappt das?


Huijbers: Wir haben niemals einen Preis genannt, den wir erwarten. Da wird viel von außen spekuliert.


Wie viel Kapital brauchen Sie denn für die Restrukturierung?


Huijbers: Das hängt davon ab, wie weit wir mit der Restrukturierung gehen. Für die Niederlande lassen wir dazu gerade Vorschläge erarbeiten. Für Deutschland steht das noch an. Die Kernfragen lauten: Wie viele Standorte brauchen wir, um eine kostengünstige und hochpreisige Verwertung des Schlachtviehs sicherzustellen? Und wie stark hängen die Märkte in den Niederlanden und Deutschland zusammen? Ist es ein Markt oder sind es getrennte Märkte? Bis zum Jahresende wollen wir diese wichtigen Fragen beantworten.


Für die Niederlande haben Sie schon Standortschließungen angekündigt. Wird es auch in Deutschland welche geben?


Huijbers: Ich kann die Frage weder mit ja noch mit nein beantworten. Ich schließe es aber nicht aus. Außerdem werden wir immer zuerst mit den Betroffenen sprechen, bevor wir an die Öffentlichkeit gehen.


Wird Vion in 2013 wieder schwarze Zahlen schreiben?


Huijbers: Davon gehe ich aus.


Stefaan Vansteenkiste führt jetzt die Vion-Food-Gruppe. Bleibt es dabei, oder kommt noch ein neuer Manager an die Spitze.


Huijbers: Herr Vansteenkiste ist ein Sanierer. Seine Erfahrung brauchen wir in der jetzigen Situation. Es sorgt für Stabilität und Kontinuität. Wenn die Restrukturierung abgeschlossen ist, wird sicherlich noch ein Food-Experte für die Weiterentwicklung des Unternehmens dazukommen.


In Deutschland habe Vion bislang immer schwarze Zahlen geschrieben, heißt es. Stimmt das eigentlich?


Huijbers: Ja.


Trotzdem haben Sie Marktanteile verloren. Warum?


Huijbers: Die Verlängerung der Zahlungsziele war ein Fehler. Da haben wir Vertrauen bei den Bauern eingebüßt. Ein hoher Marktanteil ist aber kein Wert an sich. Wir versuchen mit marktgerechten Konzepten und Qualität zu überzeugen. Dann werden wir auch die Schlachttiere bekommen.


Viele Standorte heißt auch hohe Kosten. Muss in Deutschland schneller und härter restrukturiert werden als in den Niederlanden?


Huijbers: Ja, vielleicht. Andererseits sind wir in Deutschland in der regionalen Breite sehr gut aufgestellt und können mit Kundennähe punkten. Dafür braucht man wiederum viele Standorte. Sie müssen für jeden einzelnen Standort die Vor- und Nachteile abwägen.


Hätte das nicht längst gemacht werden müssen? Die Übernahmen von Moksel, Süd- und Nordfleisch liegen lange zurück.


Huijbers: Es bringt nichts, zurückzuschauen. Dafür sollten wir keine Energie verschwenden. Wir müssen uns um die Zukunft kümmern. Das ist wichtig.


Ist Ihre Strategie „weniger Masse – mehr Wertschöpfung“ denn aufgegangen? Ist die Wertschöpfung pro Schwein, pro Rind in den letzten Jahren gestiegen?


Huijbers: Noch nicht. Aber unseren Wettbewerbern geht es auch nicht besser. Wir haben derzeit ein extrem schwieriges Marktumfeld. Deshalb ist die Strategie aber nicht falsch.


Muss man dabei zwischen den Inlands- und den Exportmärkten unterscheiden?


Huijbers: Auch im Export gewinnen Fragen der Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit an Bedeutung. Wir haben im Inland inzwischen Qualitätsprogramme etabliert, die wir problemlos auch auf den Export übertragen könnten, wenn dies von den Kunden gewünscht wird. Über unser Tiewohl-Label „Beter-Leven“ vermarkten wir in den Niederlanden aktuell etwa 1,1 Mio. Schweine über drei verschiedene Supermarktketten. Wir suchen Partner, mit denen wir über die gesamte Wertschöpfungskette vom Erzeuger bis zum Handel eng zusammenarbeiten können. Zurzeit profitieren davon 160 Landwirte. Sie bekommen die zusätzlichen Aufwendungen für mehr Tierwohl bezahlt. Mein Eindruck ist, dass sich dieses Marktsegment noch ausbauen lässt.


Die Initiative Tierwohl sucht in Deutschland nach einer Lösung für die gesamte Schweinebranche. Was halten Sie davon?


Huijbers: Wir begrüßen das. Die Branche sollte selbst nach Lösungen suchen und der Politik zuvorkommen.


Am Jahresende wollen Sie Klarheit haben, wie es mit Vion weitergeht. Wie lange brauchen Sie dann für die Umsetzung des Restrukturierungs-konzeptes?


Huijbers: Da werden wohl zwei Jahre ins Land gehen.


Bauern glauben nur Bauern. Deshalb zum Schluss die Frage: Wird Vion weiter ein konkurrenzfähiger Partner für die Landwirte in Deutschland sein.


Huijbers: Die Niederländer waren in der Geschichte immer zugleich harte Wettbewerber und beste Freunde der Deutschen. Das wird auch in Zukunft so sein und gilt auch für Vion.


Herzlichen Dank für das Gespräch.

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