Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Agrarantrag 2024 Maisaussaat Erster Schnitt 2024

Biokraftstoff

„Wir tanken Kraftstoff für 58 Cent je Liter“

Die Agrargenossenschaft Quitzow hat seit vier Jahren gute Erfahrungen mit Pflanzenöl als Kraftstoff gemacht. 80 000 Liter stellt sie jährlich aus eigenem Raps her.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Agrargenossenschaft Quitzow hat seit vier Jahren gute Erfahrungen mit Pflanzenöl als Kraftstoff gemacht. 80 000 Liter stellt sie jährlich aus eigenem Raps her.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Wie von Geisterhand öffnet sich die Klappe an der Zapfsäule, als Volker Gerloff die Tankkarte einführt. Jetzt gibt er einen Nummerncode ein und schon fließt der goldgelbe Kraftstoff in den 80 Liter-Tank des Traktors. „Wir haben hier eine geeichte ­Zapfsäule, da wir Rapsöl auch an andere Betriebe verkaufen und daher jeden ­Liter   genau erfassen“, berichtet Ge­schäfts­führer Edwin Grönboldt von der Agrargenossenschaft Quitzow, die in der Nähe von Perleberg (Brandenburg) liegt. Die Agrargenossenschaft benötigt im Jahr rund 180 000 Liter Kraftstoff.


Da Landwirte nur knapp einen halben Cent pro Liter (0,46 Ct/l) Energiesteuer auf Pflanzenöl zahlen müssen, bleibt der Einsatz von Rapsöl als Kraftstoff interessant – vor allem bei den derzeit niedrigen Raps­preisen. „Im Moment liegt der Raps­preis bei etwa 30 Euro je dt. Wir hatten aber im vergangenen Jahr auch Preise von 48 Euro“, berichtet der Geschäftsführer.


Seit 2005 laufen zwei Schlepper in dem 1 700-ha-Betrieb komplett auf Rapsöl. „Wir haben damals den Dieselverbrauch pro Maschine unter die Lupe genommen und festgestellt, dass diese beiden Traktoren zusammen über 40 000 Liter benötigen“, schildert Grönboldt.


Die Traktoren sind nach dem Zwei­tanksystem umgebaut. Das bedeutet: Der Start erfolgt mit Diesel. Ab einer bestimmten Motordrehzahl schaltet die Steuerung automatisch auf Pflanzenölbetrieb um. Vor dem Abstellen muss der Fahrer den Motor noch einmal mit Diesel spülen, damit der nächste Start gelingt.


Sechs Traktoren umgerüstet


Inzwischen sind sechs Schlepper umgerüstet. Der Dieselverbrauch ist von 180 000 auf 80 000 Liter gesunken. Diese noch verbleibende Dieselmenge benötigt er zum geringen Teil für die umgerüsteten Maschinen zum Starten und Spülen, vor allem aber für Schlepper in der Tierproduktion oder zur leichteren Feldarbeit. Denn zu dem Betrieb gehört noch eine Milchproduktion sowie Sauen- und Mastschweinehaltung. „Wir haben einmal mit einem umgerüsteten Schlepper Gras­silage auf dem Haufen festgefahren. Der Motor ist ständig von Pflanzenöl auf Diesel umgesprungen, weil die Drehzahl bei dieser Arbeit zu gering ist“, berichtet der Geschäftsführer.


Weitere 20 000 Liter setzt die Agrargenossenschaft in Form von Biodiesel bei einem Häcksler und einem Mähdrescher ein. „Die beiden Erntefahrzeuge sind zu alt, als dass sich dafür eine Umrüstung gelohnt hätte“, begründet Grönboldt dieses.


Die umgerüsteten Schlepper benötigen pro Jahr 80 000 Liter Rapsöl. Ein Mehrverbrauch gegenüber Diesel hat Grönboldt nicht festgestellt. Sie verrichten schwere Bodenbearbeitung, aber auch den Transport von Kartoffeln, Getreide oder Gülle. Für die Umrüstung hat die Agrargenossenschaft zwischen 3 500 und 4 000 Euro je Schlepper bezahlt. Bei den beiden Traktoren mit je 20 000 Liter Jahresverbrauch hat sich die Umrüstung schon nach rund 6 Monaten bezahlt gemacht. Allerdings hängt diese Rechnung von dem Verhältnis von Pflanzenöl- zu Dieselpreis ab.


Probleme hat es in den vier Jahren nur mit einer älteren Einspritzpumpe gegeben (VP 44), die generell als Schwachpunkt beim Einsatz von Pflanzenöl gilt. „Ansonsten sehe ich den Rapsöleinsatz als absolut praxistauglich an. Ich kann nicht verstehen, warum Skeptiker das immer wieder bezweifeln“, sagt Grönboldt.


Serienschlepper noch zu teuer


Ein Serienschlepper direkt ab Werk, wie er jetzt von Fendt oder Deutz-Fahr angeboten wird, kommt für Grönboldt derzeit nicht in Frage. Zwar hätte er damit die volle Garantie des Herstellers. „Aber eine Umrüstung in Kombination mit einer Maschinenbruchversicherung ist deutlich günstiger“, nennt er seine Beweggründe.


Als wichtigen Grund für die guten Erfahrungen sieht die gleich bleibenden Kraftstoffqualität. Denn seit Mitte 2007 stellen die Quitzower ihren Pflanzenölkraftstoff selbst her. Mit 300 t verpresst die Agrargenossenschaft etwa ein Drittel der jährlich anfallenden Rapsmenge.


Mit kleinen Tricks zu hoher Kraftstoffqualität


Die gesamte Ölproduktion ist in einer Kartoffellagerhalle untergebracht, wo auch der Raps lagert. Zum Pres­sen verwendet die Agrargenossenschaft Lochseierpressen mit einer Verarbeitungskapazität von bis zu 40 kg pro Stunde.


Bei dieser Technik ist der Presszylinder durch kreisrunde Bohrungen perforiert. Durch diese Löcher tritt das Öl aus. Anschließend wird der Presskuchen durch eine Düse gedrückt, die den Presskuchen zylindrisch formt und so zum Pellet macht. „Der Vorteil bei dieser Technik ist, dass sie sehr schonend presst“, erklärt Energieberater Ralf Heise aus Oderaue (Brandenburg), der die Agrargenossenschaft in puncto Rapsölerzeugung berät.


Wird das Öl beim Pressen zu heiß, steigt der Schwefel- und Phosphorgehalt im Öl an. „Dann ist ein größerer Aufwand nötig, um die Grenzwerte nach der Rapsölkraftstoff-Vornorm einzuhalten“, beschreibt Heise. Die richtige Rapsölqualität spielt nicht nur für den Motor eine große Rolle, um Schäden zu vermeiden, sondern auch für das Finanzamt: Die Energiesteuer wird nur dann zurückerstattet, wenn der Kraftstoff den Anforderungen der Vornorm entspricht. Die vorgeschriebenen Grenzwerte der Vornorm konnte die Genossenschaft jedoch bislang immer um 50 bis 80 % unterschreiten.


Eine gute Rapsölqualität erreichen die Quitzower auch mit einem Trommelsiebreiniger, der vor dem Pressen Staub, Steine, aber vor allem Bruchkörner aus der Rapssaat herausreinigt. „An den Bruchstellen oxidiert der Raps, was im Öl die Oxidationsstabilität und damit die Lagerfähigkeit verschlechtert“, begründet Heise, warum das Bruchkorn unerwünscht ist. Fremdbesatz dagegen wirkt sich positiv auf die Ölqualität aus: Er setzt sich auf den Filter, durch den das Öl nach der Presse muss, und erhöht so dessen Filterleistung.


Doch bevor das Öl in den Filter gelangt, bleibt es rund eine Woche in einem Zwischenbehälter, der regelmäßig aufgerührt wird. Hier wird außerdem Kiesel­gur (rund 1 % der täglichen produzierten Ölmenge) zugegeben, was die Filterleistung erhöhen soll. Anschließend durchläuft das Öl einen Kammerfilter.


Das gereinigte Öl wird immer erst in einem Labor untersucht, bevor es zum Tanken freigegeben wird. Dazu haben sich die Quitzower ein pfiffiges System ausgedacht: Aus einem von drei Lagertanks wird Kraftstoff entnommen, der zweite Tank bleibt verschlossen, bis die Untersuchungsergebnisse vorliegen, und der dritte wird in der Zwischenzeit befüllt.


Bei der Pressung entstehen Raps­pellets, die in der Agrargenossenschaft an die rund 280 Milchkühe verfüttert werden. „Wir setzen davon 1,5 kg pro Tier und Tag ein. Mehr haben wir leider nicht zur Verfügung“, erklärt Grönboldt. Er sieht in den Rapspellets ein sehr gutes Eiweißfutter.


Rapsöl günstiger als Diesel


Zur Wirtschaftlichkeit einer Ölmühle hat Heise für die in Quitzow verarbeitete Menge von 300 t Raps eine Musterkal­kulation erstellt (siehe Übersicht 2). Die Ölmühle kostet hier 46 000 Euro. Bei der  Kalkulation ist ein Rapspreis von 295 Euro je Tonne unterstellt. Auf der Einnahmenseite verbucht er einen Erlös für den Rapskuchen von 200 Euro je Tonne. Wegen des niedrigeren Eiweißgehaltes entspricht dieser Preis einem Sojapreis von 300 Euro je Tonne. Unter diesen Voraussetzungen lässt sich Rapsöl für den Eigenbedarf für 58 Cent je Liter herstellen. „Damit fahren wir deutlich günstiger als mit Diesel, der momentan selbst mit der Agrardieselvergünstigung von 21,5 Cent je Liter 70 Cent je Liter kostet“, rechnet Grönboldt vor.


Würde das Pflanzenöl dagegen an Nicht?Landwirte verkauft, müssten 18,46 Cent je Liter Energiesteuer dazuge­rechnet werden. Damit würde der ­Pflanzenölpreis bei 77 Cent je Liter liegen und wäre gegenüber fossilem Diesel (91 ct/l) auch wettbewerbsfähig.


„Eine eigene Ölmühle rechnet sich ab einem Verbrauch von 30 000 Liter pro Jahr“, kalkuliert Berater Heise, wobei auch Gemeinschaftsanlagen von mehreren Landwirten denkbar wären. Da mit steigenden Dieselpreisen zu rechnen ist, kann die eigene Herstellung helfen, sich vom Dieselkauf unabhängig zu machen. Außerdem gibt er zu berücksichtigen: „Wäh­rend das Geld für den Diesel weg ist, bleibt die Ölmühle auf dem Hof bestehen.


Fazit


Mit der eigenen Ölmühle erzeugt die Agrargenossenschaft Quitzow nicht nur 80 000 t Rapsölkraftstoff im Jahr, sondern auch wertvolles Eiweißfutter für die Milch­viehfütterung. Die Produktionskosten liegen bei derzeitigen Rapspreisen bei 58 Ct/l – und damit momentan trotz der erweiterten Agrardiesel-Steuerermäßigung günstiger als fossiler Diesel. Die sechs Schlepper im Betrieb sind bislang in vier Jahren bis auf eine defekte Einspritzpumpe störungsfrei gelaufen.


Hinrich Neumann

Die Redaktion empfiehlt

top + Das Abo, das sich rechnet: 3 Monate top agrar Digital für 9,90€

Unbegrenzter Zugang zu allen Artikeln, Preis- & Marktdaten uvm.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.