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das Aktuelle Interview - Die Botschaft ist nicht neu!

Lesezeit: 4 Minuten

Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) hat Fleisch und Produkte daraus als krebserregend eingestuft. Ob zu Recht, weiß Prof. Dr. Gerhard Rechkemmer.


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Herr Präsident, ist die Einstufung der IARC gerechtfertigt?


Rechkemmer: Sie ist nachvollziehbar. Es gibt eindeutige Hinweise darauf, dass Menschen, die viele Fleischprodukte essen, häufiger Darmkrebs bekommen. Für rotes Fleisch gibt es diese Hinweise auch, nur sind sie nicht ausreichend für die Einstufung als krebs­erregend. Daher gilt es als wahrscheinlich krebserregend.


In beiden Fällen ist es aber wichtig, zu berücksichtigen, dass die IARC die „Gefährlichkeit“ und nicht das „Risiko“ bewertet. Dieses hängt ja auch von anderen Faktoren wie Alkoholkonsum und Übergewicht ab. Die Erkenntnis der IARC ist für uns Wissenschaftler auch keine „neue Nachricht“. Bereits 2007 enthielt ein Bericht des Weltkrebsforschungs-Fonds (WCRF) eine umfassende ­Auswertung der damals vorliegenden Studien. Die Autoren sprachen zu ­dieser Zeit von einem „gesicherten ­Zusammenhang“ zwischen der Höhe des Verzehrs von verarbeitetem Fleisch und der Häufigkeit von Darmkrebs. Deshalb gibt es auch die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, maximal insgesamt 600 g Fleisch und Fleischwaren in der Woche zu essen. Ob sich diese Richtwerte in Zukunft ändern, kann man aber noch nicht sagen.


Welche anderen „Verzehrs- und Genussmittel“ stuft die IARC ähnlich wie Fleisch und verarbeitetes Fleisch ein?


Rechkemmer: Die Agentur stuft 118 Stoffe, unter anderem Tabakrauch und Trinkalkohol, als krebserregend, also ähnlich wie verarbeitetes Fleisch ein. Wahrscheinlich krebserregend sind 75 Stoffe, dazu zählt z. B. auch Glyphosat.


„Krebserregend“ ist die höchste Einstufung, die die IARC vergibt. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, dass Wurstwaren in diese Klasse fallen?


Rechkemmer: Dazu braucht es vor allem genügend wissenschaftliche Untersuchungen beim Menschen. Diese großen Studien zeigen, dass verarbeitetes Fleisch Krebs auslösen kann. Solche Studien befassen sich oft mit der Entwicklung von Krebserkrankungen bei großen Bevölkerungsgruppen.


Das Wort „krebserregend“ klingt, als würden Stoffe mit diesem Titel unwiderruflich Krebs auslösen. Stimmt das so?


Rechkemmer: Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Aussage richtig. Denn statistisch betrachtet haben diese Stoffe das Potenzial, Krebs auszulösen. Das Risiko, tatsächlich Krebs zu bekommen, weil man viel Wurst isst, bleibt aber eher gering.


Was spricht dafür, weiterhin Fleisch zu essen?


Rechkemmer: Fleisch ist eine wertvolle Eiweißquelle. Der „Bauplan“ von tierischem Eiweiß ist ähnlich zu dem unseres Körpers. Durch Lebensmittel mit dieser „hohen biologischen Wertigkeit“ kann man körpereigene Eiweiße besser aufbauen als durch Lebensmittel, deren Eiweiß-Bauplan dem Menschen weniger ähnelt. Außerdem fällt es unserem Körper deutlich leichter, Eisen und Zink aus Fleisch aufzunehmen als aus Gemüse oder Obst.


Sind vegetarische Wurst und auch geräucherter Käse, der mit ähnlichen Verfahren hergestellt wird, gesünder als die entsprechenden Fleischprodukte?


Rechkemmer: Leider kann man im Moment noch keine Aussage über die gesundheitliche Wirkung von vegetarischer oder veganer „Wurst“ und ähnlichen Ersatzprodukten treffen. Es gibt einfach noch keine Studien, die sich ausreichend lang damit befasst haben.


Es ist schwierig, bei solchen Ersatzprodukten mehr als ein zumindest entfernt vergleichbares Mundgefühl zu erreichen und einen guten Geschmack zu gewährleisten. Deshalb sind neben den eigentlichen Grundprodukten und Gewürzen auch Zusatzstoffe und weitere Verarbeitungsschritte notwendig, die die echte Wurst nicht braucht.


Viele erkennen in der zunehmenden Diskussion über den Fleischkonsum einen gezielten politischen Trend, die Tierhaltung in Deutschland zurückzudrängen. Sehen Sie das auch so?


Rechkemmer: Fragen zur Tierhaltung und -fütterung spielen hinsichtlich der Qualität des Fleisches und der Fleischprodukte eine zentrale Rolle. Stärker noch stehen die ethischen Fragen zum Umgang des Menschen mit Tieren und die ökologischen Aspekte im Zentrum dieser Diskussion. Ob es sich dabei um einen politischen Trend handelt, weiß ich nicht. Dass es allerdings eine intensive gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Thema gibt, ist sicher.


Welche Auswirkungen hat die Bewertung der IARC auf den künftigen Fleischkonsum in Deutschland?


Rechkemmer: Das Thema Fleisch hat in den letzten Jahren schon diverse Skandale erlebt. Dass der Verzehr von großen Mengen Fleisch kritisch zu bewerten ist, ist ebenfalls nicht neu. Anhand einiger Untersuchungen kann man aber sehen, dass die Menschen – langfristig gesehen – nicht mehr oder weniger Fleisch essen als noch vor zwanzig Jahren. Gewohnheiten sind auch beim Essen fest verankert. Darum ändert sich die Fleischmenge auf unserem Teller, auch wenn dies mitunter anders erscheint, nur langsam.


Weil sich die Einstufung der IARC aber vor allem auf das Dickdarmkrebsrisiko bezieht, empfehle ich allen ­Menschen, die über Jahre hinweg ­regelmäßig viel Fleisch gegessen haben, verstärkt Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Denn auch der regelmäßige medizinische Check-up sowie eine Veränderung des Lebensstils mit mehr Bewegung und weniger Fleisch- und Wurstverzehr können das Dickdarmkrebsrisiko in Deutschland deutlich senken. -km-


Prof. Dr. Gerhard Rechkemmer, Präsident des Max Rubner- Instituts, Karlsruhe

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