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Altanlagen: Jetzt auf das EEG-Ende vorbereiten!

Lesezeit: 9 Minuten

In fünf Jahren endet für mehrere Tausend Windenergieanlagen in Deutschland die EEG-Vergütung. Höchste Zeit für die Betreiber, sich rechtzeitig darauf vorzubereiten.


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Wer an der ostfriesischen Nordseeküste in Richtung Westen fährt, fühlt sich teilweise wie in einem Windenergie-Museum. Hier drehen sich noch Hunderte von Anlagen aus der Pionierzeit der 90er-Jahre, darunter Modelle von Herstellern, die es längst nicht mehr gibt, wie AN Bonus, Tacke, Nordtank oder Südwind. Doch ihre Rotoren drehen sich unermüdlich in der steifen Brise.


Betreiber sind überwiegend Landwirte, die eine Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten – noch. Denn am Ende des Jahres 2020 endet für sie der 20-jährige Förderzeitraum. Grund: Im April 2000 ist das EEG in Kraft getreten. Über die Altanlagenregelung wurden auch die knapp 10 000 Anlagen, die zu der Zeit schon Strom produziert haben, mit Anlagen gleichgestellt, die im Jahr 2000 ans Netz gingen.


Von diesen sind allerdings im Rahmen des Repowerings in den vergangenen Jahren bereits viele abgebaut und durch größere, leistungsstärkere Anlagen ersetzt worden. Allerdings längst nicht alle. Von den heutigen rund 25 000 Anlagen gibt es noch 15 000 Anlagen, die älter sind als zehn Jahre – vor allem in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.


Repowering stockt:

Zwar hat in den letzten Jahren das Repowering von alten Anlagen verstärkt eingesetzt. Allein im Jahr 2014 sind alte Anlagen mit fast 400 Megawatt (MW) Leistung abgebaut und durch neue Anlagen mit 1 100 MW ersetzt worden. Doch dieser Trend wurde im Januar 2014 durch das neue EEG jäh gestoppt. „Das Gesetz bietet keinen wirtschaftlichen Anreiz mehr für das Repowering“, bedau-ert Carlo Reeker, stellvertretender Geschäftsführer im Bundesverband Wind­energie (BWE).


Es gibt aber noch weitere Gründe, warum Landwirte ihre alten Anlagen lieber weiter betreiben wollen:


  • Das neue EEG mit 104 Paragraphen ist selbst für Rechtsanwälte kaum noch zu durchschauen.
  • Neue Entwicklungen und Anforderungen für den zukünftigen Strommarkt wie Direktvermarktung, Marktprämie oder Fernsteuerung sind komplex und nicht ohne Weiteres in jede Altanlage zu integrieren.
  • Die Bundesregierung plant ab dem Jahr 2017 den Einstieg in ein Ausschreibungsmodell, bei dem die Förderhöhe künftig per Versteigerung ermittelt wird. Vielen Betreibern kleinerer Anlagen ist das zum derzeitigen Stand nicht zuletzt wegen der noch unklaren Zuschlagskriterien zu unsicher.
  • Nach einer BWE-Umfrage sind viele Betreiber mit dem Service ihrer Anlagen zufrieden. „Wir gehen davon aus, dass viele Altanlagen technisch noch in gutem Zustand sind“, resümiert Reeker.


Jetzt aktiv werden:

Viele Gründe sprechen also für einen Weiterbetrieb. Heißt das, dass die Betreiber jetzt in Ruhe auf Ende 2020 warten können? „Mitnichten, es ist höchste Zeit, jetzt aktiv zu werden“, drängt Rechtsanwältin Martina Beese von der Kanzlei Engemann und Partner aus Lippstadt. Sie ist u. a. Sprecherin im Arbeitskreis Weiterbetrieb beim BWE, der sich seit rund drei Jahren mit dem Thema auseinandersetzt. Die auslaufende EEG-Vergütung ist dabei nur ein Aspekt von vielen. Worum sich die Betreiber heute noch kümmern sollten:


  • Bewertung und Prüfung der Anlage,
  • Versicherungsschutz,
  • Regeln der Bau-Genehmigung,
  • Verlängerung der Nutzungsverträge,
  • Stromvermarktung,
  • vorausschauende Instandhaltung.


Typenprüfung:

Eine Windenergieanlage ist nicht nur eine Maschine, sondern auch ein Bauwerk, für das besondere Vorschriften gelten. Diese sind mit einer Zulassung ähnlich wie bei Fahrzeugen im Straßenverkehr zu vergleichen. Die zuständigen Behörden wollen dabei sicherstellen, dass von der Anlage keine Gefahren für Dritte ausgehen. Bei den meisten Windrädern hat der Hersteller eine Typenprüfung erstellen lassen. Grundlage dafür ist die Windenergie-Richtlinie des Deutschen Institutes für Bautechnik (DIBt).


Die DIBt-Richtlinie regelt „Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung“. Sie ist zwar kein Gesetz, aber die Basis für die Baugenehmigungen. Eine Windenergieanlage wird danach meist auf eine Lebensdauer (das DIBt spricht von „Entwurfslebensdauer“) mit definierten Lasten und Reserven von mindestens 20 Jahren ausgelegt. „Das bedeutet, dass man nach 20 Jahren den positiven Nachweis braucht, dass die Anlage weiterhin standsicher ist“, erklärt Beese.


Doch nach 20 Jahren hat jede Anlage andere Windlasten, Turbulenzen oder Ereignisse wie Notstopps erlebt. Dazu kommt, dass jedes Fundament und jeder Boden anders ist. Auch haben die jeweiligen Anlagenbetreiber unterschiedliche Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten durchführen oder Komponenten tauschen lassen – kurzum: Jede Anlage hat eine individuelle Geschichte und ist daher nach 20 Jahren in einem anderen technischen Zustand als bei der Typenprüfung.


Für den Weiterbetrieb entscheidend ist dabei der Zustand der standsicherheitsrelevanten Bauteile wie Rotorblätter, Brems- und Hydrauliksystem, Verbindungen zwischen Turm und Gondel sowie der Tragstruktur, also das Fundament und der Turm. „Hierzu muss ein erfahrener Sachverständiger eine Analyse und Bewertung vornehmen, welche sowohl auf einer Inspektion als auch einer Berechnung der Ermüdung von Bauteilen beruht“, betont Beese. Dieses Gutachten ist nicht mit der wiederkehrenden Prüfung zu vergleichen und kann 10 000 € und mehr kosten.


Hierfür benötigt der Sachverständige alle verfügbaren Unterlagen zur Anlage, auch vom Hersteller oder vom Wartungsunternehmen. Das kann gerade bei Anlagen, deren Hersteller nicht mehr vorhanden ist, sehr rechercheaufwendig und damit langwierig sein. Hierauf müssen sich die Betreiber älterer Anlagen einstellen. Welche Anforderungen an die Qualifikation des bewertenden Sachverständigen gestellt werden und welche Inhalte ein Gutachten haben soll und muss, hat der Weiterbetriebs-Arbeitskreis im BWE in einer begleitenden Broschüre zur DIBt-Richtlinie erarbeitet (zu bestellen unter www.wind-energie.de).


Versicherung:

Betreiber, die eine Anlage ohne Zulassung weiter betreiben, haften für eventuelle Schäden. Unter Umständen verlieren sie auch den Versicherungsschutz. „Denn der Betreiber muss für den Betrieb einer sicheren Anlage sorgen. Hierzu gehört auch die positive Bewertung für einen Weiterbetrieb nach Ende der Entwurfslebensdauer“, erklärt die Rechtsanwältin. Daher sollte er seiner Versicherung mitteilen, dass er die Anlage nach positiver Bewertung über das 20. Betriebsjahr hinaus betreiben will.


Baugenehmigung:

Fast alle (Bau)-Genehmigungen für Windenergieanlagen in Deutschland sind unbefristet. „Daher ist es falsch, wenn einige Bauamtsmitarbeiter behaupten, eine Genehmigung würde automatisch nach 20 Jahren erlöschen“, betont sie. Viele Ge-nehmigungsbehörden haben sich mit dem Thema noch nicht im Detail auseinandergesetzt und fordern fälschlicher Weise, dass nach Ablauf der 20 Jahre eine neue Typenprüfung nötig sei. Denn diese kann und braucht es nicht geben. Es gibt keine Anzeigepflicht nach 20 Jahren. Der Betreiber muss sich eigenständig um die sachgerechte Bewertung und Prüfung des Weiterbetriebes und dessen positive Bescheinigung durch einen geeigneten Sachverständigen kümmern.


„Die Pflicht zum sicheren und gefahrlosen Betrieb besteht schon seit der Inbetriebnahme, also ein bekanntes Thema in einem anderen Gewand“, begründet die Anwältin das. Jeder Betreiber muss daher ein Gutachten quasi in der Schublade haben, mit dem er nachweist, dass die Anlage zum Weiterbetrieb technisch geeignet ist. Ohne die Prüfung und Bewertung ist ein Weiterbetrieb nicht möglich.


Wartung:

Wer weiß, dass er die Anlage nach 20 Jahren weiter betreiben will, sollte bereits jetzt bei der Wartung und Instandhaltung darauf hinarbeiten. „Es kann sinnvoll sein, bei einer größeren Reparatur oder einem Großkomponententausch gleich weitere, reparaturanfällige und weiterbetriebsrelevante Teile zu tauschen“, rät Beese. Das ist vor allem dann der Fall, wenn man bei einem bestimmten Anlagentyp eine Schwachstelle kennt. Auch deshalb ist es wichtig, dass sich vor allem Betreiber des gleichen Anlagetyps zusammenschließen und Erfahrungen austauschen. Gleichzeitig können sie einen Pool mit noch verfügbaren Ersatzteilen oder generalüberholten Komponenten bilden. Betreiber jüngerer Anlagen sollten die Zeit nutzen und heute schon Dokumente über Inspektionen, Reparaturen und Komponententausch speichern. „Sprechen Sie daher offen mit der Wartungsfirma und dem Hersteller über dieses Zukunftsthema“, rät Beese.


Nutzungsverträge:

Hiervon betroffen sind Anlagenbetreiber, die das Windrad auf einem fremden Grundstück errichtet und daher Pachtverträge mit dem Landbesitzer abgeschlossen haben. Oder Landwirte, die selbst Land verpachtet haben. „Wer eine Anlage nach 20 Jahren weiter betreiben will, braucht natürlich auch die entsprechende vertragliche Basis für das Grundstück“, gibt Beese zu bedenken. „Hier gilt es, bestehende Pachtverträge rechtlich prüfen zu lassen, damit man sich nicht der Gefahr einer möglichen Kündigung aussetzt“, so die Anwältin. Vor allem, wenn der ursprüngliche Verpächter nicht mehr da und vielleicht eine Erbengemeinschaft an seine Stelle getreten ist, kann es sinnvoll und notwendig werden, neue angepasste Verträge abzuschließen.


Da der Weiterbetrieb deutlich veränderte Bedingungen mit sich bringt, rät sie dazu, dass man sich mit den Verpächtern sogar offen über sinkende Pachtzahlungen verständigen sollte. Denn nach 20 Jahren fallen zum einen die garantierte EEG-Vergütung weg, die Instandhaltungskosten steigen und auch die Erlöse für den Anlagenbetreiber sinken.


Netzanschluss:

Sind die rechtlichen Aspekte abgehakt, muss der Betreiber sich um die erfolgreiche Vermarktung des Stroms kümmern. Denn wenn die EEG-Vergütung ausläuft, würde er nur den üblichen Börsenstrompreis erhalten, zurzeit ca. 3 bis 4 ct/kWh. Daher sind Alternativen gefragt. Erste Gemeinschaften gründen sich zurzeit und loten z. B. direkte Stromlieferungen an Kunden oder alternative Vermarktungsformen aus.


Dabei bleibt die Anlage weiterhin am Netz. „Manche Netzbetreiber haben schon angekündigt, dass nach 20 Jahren die Anlagen automatisch vom Netz gehen müssten, aber das ist falsch“, korrigiert Anwältin Beese. Denn auch wenn der Vergütungsanspruch wegfällt: Der Anschluss- und Abnahmevorrang im EEG bleibt bestehen.


Noch betreffen diese Fragen vor allem die Altanlagenbetreiber, die Anlagen aus den 1990er-Jahren besitzen. Doch nach 2020 wird es jedes Jahr eine Vielzahl von Anlagen geben, die das Förderungsende erreicht haben und für die dann genau die gleichen Fragen gelten. „Bis dahin brauchen wir ein System zur analytischen und praktischen Bewertung und Prüfung und der weiteren Nutzung von Altanlagen auch auf der Vergütungsseite, damit diese Anlagen ihren Beitrag zur Energiewende weiter leisten können. Zeit für Experimente haben wir nicht“, mahnt Beese. Es ist jetzt also nicht zu früh, um sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Hinrich Neumann

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